Jürgen Rohmann und sein Kampf gegen Schicksal und Institutionen Ein Drama ohne Worte
Wuppertal · Wenn das soziale Netz nicht mehr greift: Nach heftigen Schicksalsschlägen und lebensbedrohlichen Erkrankungen steht Jürgen Rohmann vor dem psychischen und wirtschaftlichen Ruin.
Im April 2006 zerbricht die heile Welt von Jürgen Rohmann jäh: Nach einer Vergewaltigung springt die 13-Jährige Tochter von der Müngstener Brücke. Als der WSW-Busfahrer die Todesnachricht bekommt, erleidet er einen Herzinfarkt, wird arbeitsunfähig, bezieht Krankengeld. Bis 2008. Er ist gerade ein paar Tage beruflich im Einsatz, als er in unmittelbarer Nähe einen Suizid miterleben muss: "Da ist jemand vom Hochhaus gesprungen. Der Anblick war nicht nur grausam, sondern hat bei mir sofort den Gedanken ausgelöst: So muss auch unsere Rebekka ausgesehen haben."
Diese Bilder wirken nach. Jürgen Rohmann muss erneut einige Monate pausieren, bevor er wieder hinters Lenkrad steigt. Selbst wenn das Leben nicht mehr so sein kann wie vor dem Tod von Rebekka, es normalisiert sich langsam wieder.
Doch dann, im Januar 2014, fällt der 55-Jährige plötzlich in ein Zuckerkoma, kämpft wochenlang auf der Intensivstation ums Überleben. Er gewinnt den Kampf, muss danach aber vieles neu lernen und ständig trainieren, um wieder in Form zu kommen. Es gelingt ihm.
Was dann aber folgt, hätte er nie für möglich gehalten: "Als ich im Zuge einer Wiedereingliederung im Juni 2015 bei den Stadtwerken weitermachen wollte, wurde mir gesagt: Wir können Sie nicht mehr gebrauchen, gehen Sie zum Jobcenter." Das hatte, nachdem die Dauer des Krankengeldes abgelaufen war, sporadisch gezahlt. Jetzt verweigert es weitere Leistungen, da Jürgen Rohmann eine Reha-Maßnahme ("Nichts von dem, was abgesprochen war, ist eingehalten worden, die Zustände in der Klinik waren so unerträglich, dass ich nur weg wollte", so Rohmann dazu) abgebrochen hatte. Was er bekommt, ist die Aufforderung, Rente zu beantragen.
In dieser Situation raten Betriebs- und Hausarzt, einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen. Doch die attestierte 90-prozentige Einschränkung ist für die Rentenkasse kein Argument: Mit den Worten "Sie können doch noch arbeiten" wird ihm vom Rentenantrag abgeraten. Was durchaus im Sinne von Jürgen Rohmann ist, der gerne wieder aktiv wäre. Auch aus wirtschaftlichen Gründen: "Obwohl ich offiziell noch bei den WSW beschäftigt bin, bekomme ich schon seit Monaten weder von dort, noch vom Jobcenter, noch von der Rentenkasse Geld. Ich weiß nicht, wovon meine Frau, unser behinderter Sohn und ich unseren Lebensunterhalt bestreiten sollen. Ich bin durch alle sozialen Netze gefallen, führe jetzt einen Rechtsstreit mit dem Jobcenter, doch rasche Hilfe ist nicht in Sicht."
Stadtwerke-Pressesprecher Holger Stephan auf Nachfrage der Rundschau dazu: "Wir sehen leider keine Möglichkeit, Jürgen Rohmann weiter zu beschäftigen, sind aber auf jeden Fall bereit, ihn in Sachen Rente nach Kräften zu unterstützen."
Das Jobcenter dagegen möchte mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht weiter Stellung beziehen.
Jürgen Rohmann: "Nach Rebekkas Tod habe ich die Hölle betreten und dachte: Schlimmer geht es nicht mehr. Was ich jetzt erlebe, hätte ich im Sozialstaat nie für möglich gehalten. Ich bin psychisch am Ende und stehe vor dem wirtschaftlichen Ruin."
Dann geht er zum Spielplatz am Ende der Holsteiner Straße. Dort, wo Rebekka einst spielte, setzt er sich auf eine Bank und lässt seinen Tränen freien Lauf.