Bundestagswahl 2021 Auf ein Wa(h)lnuss-Eis mit ... Caroline Lünenschloss
Wuppertal · Der Bundestagswahlkampf läuft auf vollen Touren, viel Stress für die Beteiligten. Die Rundschau beschert Kandidatinnen und Kandidaten aus dem großen Wuppertaler Wahlkreis I daher einen etwas entspannteren Termin und lädt sie in ihrem Lieblings-Eissalon auf ein „Wa(h)lnusseis“ ein. Redakteurin Milka Vidovic traf CDU-Fraktionsvorsitzende Caroline Lünenschluss im Eiscafé Il Sole auf dem Dönberg.
Rundschau: Frau Lünenschloss, warum treffen wir uns hier? Sind Sie oft hier?
Lünenschloss: „Um ehrlich zu sein, habe ich hier das letzte Mal vor etwa zehn Jahren Eis gegessen. Als die Interview-Anfrage kam, erinnerte ich mich daran, dass ich damals hier war, und wählte jetzt diese Eisdiele. Ich wohne zwar nicht auf dem Dönberg, aber auch nicht weit weg – in Katernberg.“
Rundschau: Sie sind 28 Jahre alt und seit zwölf Jahren politisch aktiv. Was hat sie damals als Teenagerin in die Politik gebracht?
Lünenschloss: „Ich bin mit mehreren Freunden zusammen bei der Jungen Union eingetreten, unter anderem mit Diana Kinnert. Ich war schon immer politisch interessiert. Politik war auch innerhalb meiner Familie immer ein Thema. Als junge Schülerin ging es natürlich auch darum, in Gesellschaft zu sein und viel miteinander zu unternehmen, das hielt mich bei der Jungen Union. Richtig politisiert habe ich mich während meiner Berufsschulzeit. Natürlich war ich davor auch schon politisch interessiert und habe Dinge, die in unserer Gesellschaft geschehen, kritisch hinterfragt. Aber da fing es an, mir massiv aufzufallen, wie sehr mich soziale Ungerechtigkeit stört beziehungsweise der ungerechte Umgang mit Menschen allgemein. Dagegen möchte ich vorgehen. Ein paar Jahre später bin ich dann von der Jungen Union zur CDU gewechselt.“
Rundschau: Warum die CDU?
Lünenschloss: „Wegen der Grundwerte der CDU. Ich bin christlich sozialisiert worden, die Kirche und der Glaube haben für mich eine große Bedeutung. Ich möchte Politik für alle machen, nicht nur für ein bestimmtes Klientel. Und das macht meiner Meinung nach die CDU.“
Rundschau: Haben Sie ein politisches Vorbild?
Lünenschloss: „Ich finde Angela Merkel total beeindruckend. Sie setzt sich in einem männerdominierten Umfeld stark durch, auch im Ausland.“
Rundschau: Apropos Männer. Wenn man sich Deutschlands politische Landschaft anschaut, hat man das Gefühl, dass sie eher von Männern besetzt ist. Vor allem von älteren Männern.
Lünenschloss: „Zum Thema Alter: Ich glaube, dass wenn man in unseren Parteien ein hohes Amt anstrebt, schon länger dabei sein muss. Es gibt tatsächlich keine flachen Hierarchien, so dass man als Schnellstarter durchlaufen kann. Man braucht ja auch ein gewisses Netzwerk, um gewählt zu werden. Zudem haben wir aber auch recht wenige junge Menschen, die sich in Parteien engagieren. Natürlich gibt es auch das Problem, dass die Älteren es den Jüngeren nicht zutrauen mitzumischen. Vielen fällt es auch schwer, Platz zu machen. Da sind wir hier in Wuppertal aber wirklich Vorreiter mit meiner Kandidatur. Ich bin die erste Frau, die für die CDU Wuppertal kandidiert. Und dann auch noch eine Frau unter 30. Da geht unsere Partei neue Wege. Deutschlandweit gibt es ja auch keine Fraktionsvorsitzende in meinem Alter.“
Rundschau: Haben Sie das Gefühl, dass Sie als Frau anders behandelt werden als Ihre Kollegen?
Lünenschloss: „Mich erreichte mal die Aussage, dass man mich nicht wählen könnte, weil zu lange Haare hätte. Was ist das für eine Aussage? Ich werde auch oft gefragt, wie es denn mit der Familienplanung aussieht und was mein Lebensgefährte dazu sagen würde, wenn ich nach Berlin ginge. Ich finde solche Fragen sehr indiskret, unangemessen und nicht zeitgemäß. Wäre ich ein Mann, würde man mich das bestimmt nicht fragen. Wir müssen einfach mit mehr Frauen in den Bundestag. Damit das ein Ende hat.“
Rundschau: Das ist Ihre erste Kandidatur. Wie fühlt die sich an, was hat sich dadurch in Ihrem Alltag verändert?
Lünenschloss: „Ich habe damals für den Stadtrat über die Liste kandidiert. Da hatte ich nie personalisierte Plakate, war nur auf Gruppenplakaten zu sehen. Jetzt ist das anders. Sich selbst auf all den Plakaten in der Stadt zu sehen und dass die Leute einen erkennen, ist schon aufregend. Es ist eine spannende Zeit. Viele Termine sind dazugekommen, zudem bin ich Fraktionsvorsitzende und arbeite ja auch noch. Mein Tag ist also sehr vollgepackt.“
Rundschau: Was machen Sie beruflich?
Lünenschloss: „Ich habe eine Ausbildung zur KFZ-Mechatronikerin absolviert. Ich wollte unbedingt etwas Handwerkliches machen. Danach habe ich BWL studiert und bin in dem Unternehmen, in dem ich meine Ausbildung machte, Assistenz der Geschäftsführung. Wegen meiner Kandidatur übe ich meinen Job seit fast zwei Monaten aber nur noch in Teilzeit aus. Für mich war es damals keine Option, von der Schulbank direkt zur Uni gehen. Ich wollte was Praktisches machen. Leider ist es heute immer noch so, dass viele Abiturienten nach ihrem Abschluss nicht sehen, dass es die Möglichkeit zu einer Ausbildung im Handwerk gibt. Ein Studium steht häufig eher im Vordergrund. Oftmals wird eine solche Ausbildung nach dem Abi als eine Art sozialer Abstieg bzw. nicht als sozial anerkannt gesehen. Oft liegt es auch an den Eltern, die den jungen Leuten einen Weg vorgeben. Dabei ist das Handwerk so vielfältig.“
Rundschau: Hilft Ihnen die handwerkliche Ausbildung auch in Ihrer Tätigkeit als Politikerin?
Lünenschloss: „Auf jeden Fall. Man denkt ,unakademischer‘, einfach praktischer. Vor allem hilft es in der Diskussion zu meiner Person während der Wahl.“
Rundschau: Inwiefern?
Lünenschloss: „Ich bekomme ja auch zu hören, dass ich noch so jung sei und keine Lebenserfahrung hätte. Ich habe ein Abitur, habe eine Ausbildung und ein Studium abgeschlossen und bin seit sieben Jahren berufstätig. Und seit zwölf Jahren in der Politik. Ich finde, dass das mit 28 Jahren ein angemessenes Maß an Erfahrung ist. Ich möchte das klassische Politiker-Klischee, Kreissaal – Hörsaal – Plenarsaal, auch nicht erfüllen. Muss man 50 sein, um Politik machen zu dürfen? Darf man nicht andere Menschen vertreten, wenn man jünger ist? Ich finde, dass mehr junge Leute in den Bundestag sollten. Damit er uns alle besser repräsentiert. Wahlberechtigt ist man eben schon ab 18 Jahren.“
Rundschau: In Ihrer Bewerbungsrede haben Sie gesagt, dass Ihre Hauptthemen die Wirtschafts- und die Sozialpolitik sind. Was können die Leserinnen und Leser darunter verstehen?
Lünenschloss: „Mir es wichtig, dass wir Wuppertaler Traditionsunternehmen darin bestärken hierzubleiben, beziehungsweise den Standort Wuppertal an sich stärken. Dafür brauchen wir Subventionen und Unterstützung unter anderem in den Bereichen Mobilität und Flächenpolitik. Firmen, die größer werden wollen, können wir teilweise gar keine Flächen anbieten, weil sie eben fehlen. Da müssen wir ansetzen und auch Anreize schaffen, dass Unternehmen anders bauen. In die Höhe statt in die Breite. Und so was kann man einfach besser auf der Bundesebene steuern. Gerade für unsere Stadt brauchen wir eine Umfinanzierung. Denn wenn wir hier die Unternehmen nicht halten können, wird Wuppertal kein Zukunftsstandort mit Zukunftsarbeitsplätzen. Neue Energien, neue Technologien, KI-Entwicklung, Blockchain-Technologie – so machen wir die Stadt in Bezug auf Arbeitsplätze sicher und könnten mit einem Angebot an neuen Arbeitsplätzen die Arbeitslosigkeit senken. Dazu gehört natürlich auch die Digitalisierung, für Unternehmen, an Schulen und auch im Privaten. Ich möchte mich aber auch auf Bundesebene für die Gesundheitspolitik einsetzen. Das finde ich sehr wichtig, denn Pflegekräfte sind nicht ausreichen bezahlt und es gibt keine klaren Karrierewege für Pflegende. Es lohnt sich für eine Pflegekraft zum Beispiel oftmals nicht, eine Weiterbildung zu machen. Denn dadurch verdienen sie nicht mehr, haben aber mehr Belastung. Das möchte ich ändern. Für die Bereiche mentale Gesundheit und Einsamkeit im Alter sehe ich ebenfalls viel Nachholbedarf. Zudem möchte ich sozialpolitisch etwas ändern, und da setzte ich mich für Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit ein.“
Rundschau: Sie sprechen von Blockchains – öffentlichen Datenbanken, die im Kontext von Bitcoins für Geldtransaktionen genutzt werden wird. Wollen Sie das Bargeld abschaffen?
Lünenschloss: „Auf keinen Fall. Das Bargeld sollte in meinen Augen erhalten bleiben. Ich denke nur, dass es entscheidend ist, dass jeder so zahlen kann, wie er das möchte. Dafür brauchen wir auch neue Technologien, die digitale Zahlungen sicher machen. Klar ist aber auch: Wir dürfen Menschen nicht ausschließen und abhängen, deshalb muss das Bargeld erhalten bleiben.“
Rundschau: Wie schätzen Sie Ihre Chance für ein Direktmandat ein?
Lünenschloss: „Ich stehe auf der Landesliste. Allerdings recht weit unten auf Platz 44. Aber ich glaube, dass ich mit dem Direktmandat eine konkrete Chance habe. Auch wenn der Bundestrend momentan nicht für uns spricht. Wer kein CDU-Wähler ist, aber mich und mein politisches Programm gut findet, kann mich mit seiner Erststimme ja trotzdem nach Berlin schicken. Das ist vielen, denke ich, gar nicht bewusst. Mit dieser Stimme schickt man die Person ins Rennen, die sich für den eigenen Wahlkreis einsetzt. Die Zweitstimme ist bei der Wahl zum Deutschen Bundestag die Stimme für die Sitzverteilung an die Parteien.“
Rundschau: Wie „holen Sie Wähler ab“?
Lünenschloss: „Wir sind an Schulen unterwegs, haben Stände in der Innenstadt, Plakate im Stadtgebiet, betreiben online beziehungsweise in den sozialen Medien Wahlkampf und an der Haustüre. Aber es ist schwierig, die Menschen zu erreichen. Wir Politiker müssen uns mehr als Dienstleiter verstehen, um die Wähler zu gewinnen.“
Rundschau: Wer ist Ihre Zielgruppe?
Lünenschloss: „Die klassische CDU-Zielgruppe sind eher Wähler ab 50 Jahren. Das ist einfach so. Wir versuchen aber in Wuppertal auch junge und jüngere Menschen zu erreichen, weil unsere Themen auch diese Gruppen betreffen. Daher findet man mich bei Facebook, Instagram und TikTok.“
Rundschau: Ist Haustür-Wahlkampf überhaupt noch angesagt?
Lünenschloss: „Ja, das machen wir regelmäßig und die Leute nehmen das an. Das ist übrigens die verrückteste Form von Wahlkampf, finde ich. Man klingelt einfach bei Fremden. Da kommt es zu den unterschiedlichsten Situationen: Man wird zum Grillen in den Garten eingeladen, die Leute öffnen einem im Boxershorts die Tür, knallen die Tür wieder zu. Einmal war jemand dabei, der sehr gläubig war und deswegen nicht an Wahlen teilnehme, weil er daran glaube, dass Gott für ihn wähle. Eigentlich wollte ich ihm trotzdem einen Flyer mitgeben, aber stattdessen drückte er mir einen Flyer zum Thema Gott in die Hand. So verdutzt stand ich noch nie vor einer Tür. Aber es macht wirklich Spaß, die meisten Menschen reagieren freundlich und interessiert.“
Rundschau: Sie gehen zwar nicht häufig Eis essen, aber ich habe gelesen, dass Sie in Wuppertal oft gastronomisch unterwegs sind.
Lünenschloss: „Ich bin gerne in Restaurants und Cafés und nutze die Besuche dazu, Stadtteile und andere Ecken in Wuppertal zu entdecken und kennenzulernen. Das ist eine prima Möglichkeit, aus seinem Quartier mal herauszukommen. Wuppertal hat so schöne Ecken, die einem vielleicht gar nicht bekannt sind. Ich kann das nur empfehlen: einfach mal ein Lokal raussuchen und die Gegend dort erkunden.“
Rundschau: Wo könnte man Sie treffen?
Lünenschloss: „Oft bin ich am Ottenbrucher Bahnhof, laufe von dort aus über die Trasse zum Hutmacher oder bin in der „Marlene“ an der Hochstraße. Ansonsten bei verschiedenen Italienern und rund um den „Kasinokreisel“. Da kann man mich treffen.“
Rundschau: Wenn Wuppertal ein Gericht wäre, welches wäre es?
Lünenschloss: „Antipasti – von allem was dabei.“