Bergische Uni Ein Mammut für den städtischen Zoo?
Wuppertal · Vor 25 Jahren wurde im Roslin-Institut bei Edinburgh in Schottland das erste Säugetier geklont, ein Schaf, dass mit dem Namen „Dolly“ weltberühmt wurde. Ein für unmöglich gehaltener Vorgang wurde Realität. Der Wuppertaler Molekular- und Zellbiologe Martin Simon spricht über die Chancen und Risiken des Duplizierens, dass in der Landwirtschaft schon Jahrhunderte praktiziert wird.
Die gesamte wissenschaftliche Welt blickte am 5. Juli 1996 erstaunt nach Schottland, als in Edinburgh die Geburt eines Schafes verkündet wurde. Ungewöhnlich daran waren die Umstände, denn das Tier mit dem Namen Dolly war das erste aus einer ausdifferenzierten somatischen Zelle geklonte Säugetier.
„Das war ein großes Ereignis“, weiß der Wuppertaler Molekular- und Zellbiologe Martin Simon, „es war sowohl handwerklich als auch wissenschaftlich eine Meisterleistung, hat aber den Klonbegriff auch mystifiziert“. Viele ethisch sinnvoll und notwendige Diskussionen wurden darauf initiiert, interessanterweise oft analog zur Science-Fiction-Literatur, die das Thema schon oft aufgearbeitet und kritisch diskutiert hat.
Die Wissenschaft sei sehr überrascht gewesen, weiß Simon, denn der Vorgang war eine Kombination aus einer gelungenen Kernextraktion, aber auch einer Kerntransplantation. „Es wurde eine adulte, somatische Zelle in eine fremde Eizelle eingeführt, d.h. es gab keine Genmanipulation.“ Diese Differenzierung sei wichtig, denn am Genom wurde nicht manipuliert, die Forscher hätten weder Gene dazu gepackt, entfernt oder verändert. Man habe einen intakten Zellkern einer Zelle eines erwachsenen Schafs in eine Eizelle überführt; dabei fand eine Re-programmierung des Zellkerns statt.
Eine besondere Fingerfertigkeit sei das damals gewesen, denn heute habe man spezielle Mikromanipulatoren mit Joysticksteuerung, die eine extrem dünne Nadel auf den Nanometer präzise positionieren könnten. Diese Nadeln seien zudem optimiert, so dass die Zellkerne nicht beschädigt werden. In dieser Präzision gab es das 1996 noch nicht und man dürfe auch nicht die mehreren hundert Fehlversuche vergessen, die dem Dollyerfolg vorausgegangen waren.
„Wir sehen nur das Ergebnis dessen, was funktioniert hat“, sagt Simon, „aber dieser Kerntransfer ist tricky. Auch das Einpflanzen von Embryonen in eine sogenannte Leihmutter ist kompliziert. Das ist selbst heute noch nicht zu 100 Prozent effizient, da wächst auch nur ein geringer Prozentsatz von ca. 25 Prozent der Embryonen tatsächlich an.“
Eineiige Zwillinge – ein natürlicher Klon
Natürliche Klone gebe es jedoch auch schon seit Menschengedenken, und das seien eineiige Zwillinge. „Beim eineiigen Zwilling reden wir von dem, was einen Klon ausmacht!“ Der Klonbegriff in Bezug auf den Säuger sei durch die Science-Fiktion-Literatur irregeführt worden. „Bei einem genetisch identischen Organismus - und den hat ganz natürlich jeder eineiige Zwilling – wird mit dieser Mystifizierung die gesamte Epigenetik vergessen. Genetisch identisch heißt nicht phänotypisch oder auch identisch vom Wesen und Aussehen. Wir haben ja seit den ersten Genomprojekten vom Menschen, die um 2000 herum veröffentlicht worden sind, auch gelernt, dass die Genetik nicht alles ist.“
Es gebe auch Informationsweitergaben außerhalb der DNA, erklärt Simon, die uns auch sehr stark beeinflussten. Deswegen seien auch eineiige Zwillinge unterschiedlich. „Der eine Zwilling wird vielleicht korpulenter, der andere läuft jeden Tag seine acht Kilometer und bleibt schlank. Und schon haben wir einen Unterschied.“ Im Laufe des Lebens akkumulieren sich diese Unterschiede.
Identische Klone gibt es nicht
Auch das Wunderschaf sei streng genommen kein identischer Klon gewesen, denn unsere Mitochondrien, die sogenannten Kraftwerke der Zellen, werden ausschließlich mütterlicherseits vererbt. „Unsere Mitochondrien haben ihr eigenes Genom. D.h. transferiere ich, wie es bei Dolly gemacht wurde, einen Zellkern in eine Eizelle von einem anderen Organismus, dann transferiere ich den chromosomalen Kernhaushalt, aber die Mitochondrien werden rein mütterlicherseits vererbt und sind demnach die Mitochondrien des Spenderorganismus. In dem Falle kann man nicht von einer genetischen Gleichheit sprechen, denn strenggenommen ist nur der Kern identisch.“
Die epigenetischen Unterschiede müsse man aber mitberücksichtigen. „Auch unsere Zellen erfahren während des Alterns genetische Veränderungen“, sagt der Wissenschaftler. Wir alle sammeln im Laufe unseres Lebens kleine genetische Veränderungen in unseren Körperzellen, sowohl durch Fehler beim Kopieren der DNA bei den normalen Zellteilungen, als auch durch die Umwelt indiziert, z.B. durch UV-Strahlung.
Normal sei auch, „dass von den Chromosomenenden sich die sogenannten Telomere bei jeder einzelnen Zellteilung ein bisschen verkürzen. Das ist auch mit den Zellen der Dollymutter passiert. Die Telomere waren also deutlich kürzer als bei einer frisch befruchteten Eizelle. Das hat auch den Altersunterschied ausgemacht.
Das Klonschaf Dolly war durch die Leihmutter gerade geboren, aber seine Zellen waren auf dem zellulären Stand eines sechs bis sieben Jahre alten Schafs, nämlich der Spenderin. Man kann also genetisch identische Individuen herstellen, aber man darf nicht erwarten, dass sie identisch zu ihren Spendern sind.“ Hinzu komme beim Menschen noch die Tatsache, dass man weder das Wesen, noch die Erfahrung weitergeben könne und es nahezu unmöglich sei, diesen Alterseffekt aus den somatischen Zellen zu eliminieren.
Kein Klonkrieger in Sicht
Ebenso unmöglich sei es zurzeit adulte Klone zu kreieren, sagt Simon, denn „selbst, wenn wir bei mir eine somatische Zelle entnehmen würden, würde das bedeuten, dass sie in eine menschliche Eizelle transferiert werden müsste und die würde das dann in eine Leihmutter übertragen. Am Ende wäre es dann aber ein kleines Kind. Ich hätte keinen identischen Klon.“ Von den Science-Fiktion-Vorstellungen der Star-Wars-Saga, in der erwachsene Klonkrieger erschaffen werden, die mit Fähigkeiten ausgestattet sind, die man dann nicht mehr trainieren muss, seien wir nach Simons Meinung weit entfernt.
Haus- und Nutztierklonen
Forscher haben nach Dolly weitere Säugetiere wie Mäuse, Ziegen, Rinder, Schweine, Katzen, Hunde, Pferde oder auch Affen zu Forschungszwecken geklont. Nicht alle Ergebnisse waren zufriedenstellend, ethisch fraglich oder wurden aus wirtschaftlichen Gründen durchgeführt. „Ein gutes Beispiel sind die Katzen“, erzählt Simon, „bei denen ist das sehr spannend, denn es gibt ein epigenetisches Phänomen. Bei weiblichen Säugetieren wird ein X-Chromosom stillgelegt. Bei uns wird die Geschlechtsdefinition über das XY-System festgelegt. Die weiblichen Säugetiere haben aber zwei X-Chromosomen, von denen eines still im Kern liegt“, erklärt er. „Bei den Katzen ist es nun so, dass bei einem X-Chromosom die Fellfarbe definiert ist. Und diese Chromosominaktivierung passiert zufällig. Das ist nicht gesteuert und das geschieht auch während der embryonalen Phase, wenn sich aus dem Zellhaufen nach und nach der Embryo bildet. Und wenn nun das eine X-Chromosom für eine graue Fellfarbe kodiert und das andere X-Chromosom für eine rote Fellfarbe steht und dies alles zufällig passiert, können sie auch eine genetisch identische Katze generieren, die aber später total anders aussieht. Daher ist die Industrie des Katzenklonens auch tatsächlich nicht erfolgreich gewesen, weil die Menschen kein Geld für eine graue Katze bezahlen, wenn sie eine rote Katze haben wollten.“
Deutlich mehr Arbeit wird in das Klonen von starken Bullen investiert, da sie große Samenmengen für die Industrie generieren können. Und auch mit Rennpferden habe man es probiert, jedoch seien auch beim Tier die psychischen Charakteristika nicht übertragbar. Bei all diesen Vorgängen, die sicher auch als Grenzüberschreitung gewertet werden könnten, gehe es häufig um den zu erwartenden Nutzen. Der zuverlässige Zuchtbulle sei ein Verkaufsargument, erklärt Simon, denn er liefere immer die gleiche Samenqualität, beim Hundeklonen millionenschwerer Popstars sieht er dagegen keine Notwendigkeit.
Ein Mammut für den städtischen Zoo?
Durch das Abschmelzen des Permafrosts kommen in Russland immer mehr „frische Mammuts“ ans Tageslicht. Auch da gibt es Bestrebungen, Zellen dieses ausgestorbenen Tieres mittels der CRISPR-Methode in heutige Elefanten zu verpflanzen und austragen zu lassen. Darf die Wissenschaft so in die Evolution eingreifen? Ein solches Tier würde nach Meinung des Wissenschaftlers doch nur in einem Zoo landen und als Sensationsobjekt dienen.
„Das Ökosystem des Mammuts existiert faktisch nicht mehr und es wäre, selbst wenn sich noch intakte Zellen finden ließen, ein sehr fragwürdiges Unterfangen“, gibt er zu bedenken. Außerdem reichten ein oder zwei Individuen nicht, um mit diesem Genpool eine komplette Population aufzubauen. „Die Überlegung macht mehr Sinn in Bezug auf die vielen Spezies, die wir im Augenblick eliminieren. Denn vielleicht kann es irgendwann unter Umständen notwendig sein, ein renaturiertes Ökosystem wieder neu zu besiedeln, mit einer Spezies, die dementsprechend angepasst ist. Sinnvoller wäre es allerdings zurzeit, gar nicht auf diese Option zurückgreifen zu müssen indem man den Artenschutz intensiviert und die Zerstörung der Ökosysteme stoppt, anstatt über artifizielle Ökosysteme à la Jurassic Park nachzudenken.“
Reproduktives Klonen versus Therapeutisches Klonen
„Wenn wir zum menschlichen Klonen kommen, müssen wir das Reproduktive und das Therapeutische Klonen unterscheiden“, sagt Simon. „Das Reproduktive wäre, wenn man einen neuen Menschen erschaffen würde, d.h. das Procedere des somatischen Kerntransfers vom Klonschaf Dolly zu übertragen.“ Neben der ethischen Fragwürdigkeit käme die Unmenge an nötigen Eizellen dazu. Dieser Ansatz werde vom deutschen Grundgesetz ganz klar ausgeschlossen. Dazu müsse man das Therapeutische Klonen unterscheiden.
„In der klassischen Variante wird ebenso ein somatischer Zellkern in eine Eizelle übertragen. Der entstehende Embryo wird allerdings nicht in eine Leihmutter transplantiert, sondern es werden embryonale Stammzellen entnommen, welche dann mit verschiedenen Wachstumsfaktoren zu spezifischen Zellen/Geweben differenziert werden sollen. Auch dieses Verfahren ist vom deutschen Grundgesetz her verboten, da es embryonale Stammzellen involviert.“ Wenn die Epigenetik besser verstanden wäre, könne aber auch der ethisch kritische Schritt der embryonalen Stammzellen umgangen werden.
„Das Ziel wäre die induzierte Re-Programmierung einer somatischen Körperzelle, aus welcher man dann einzelnen Zelltypen oder Gewebe in der Kulturschale nachwachsen lassen könnte. Die einzelnen Faktoren, wie z.B. Wachstumsfaktoren, die dazu notwendig sind, sind noch nicht genug verstanden, um dies durchzuführen. Es ist ebenso beim somatischen Kerntransfer noch nicht richtig verstanden, wie die Eizelle den transplantierten Zellkern re-programmiert.“
Als volllegitime Arbeit im medizinischen Sinne dieser Art des Therapeutischen Klonens nennt Simon z.B. die Transplantation neuer Nervenzellen in ein durchtrenntes Rückenmark, um diese Verbindung wiederherzustellen. Die Re-Programmierung von somatischen Zellen zu Stammzellen, um neue Zellen ohne eine embryonale Zwischenstufe zu differenzieren, wäre für den Wissenschaftler eine Möglichkeit, nach der eine Organtransplantation mit eigenem Gewebe ermöglicht würde.
Landwirtschaft arbeitet permanent mit Klonen
Es ist dem Laien vielleicht nicht so richtig bewusst, aber das Arbeiten mit Klonen gehört in der Landwirtschaft schon lange dazu. „Zum Beispiel das ganze normale Vermehren von Stecklingen“, erklärt Simon, „das sind genetisch identische Organismen, oder Pflanzenteile. Die Winzer machen das standardmäßig, d.h. meist ist der komplette Weinberg Klon eines individuellen Rebstocks. Er wird über Stecklinge vermehrt. Und auch beim Auslegen von Kartoffeln reden wir vom Klonen“, weiß der Fachmann.
Man müsse differenzieren, was Natur gemacht und was Menschen gemacht sei, betont Simon. „Die Natur arbeitet permanent mit Klonen. Jeder Einzeller, jedes Bakterium mache eine schnelle mitotische Teilung, funktioniere also klonal, weil es ihre Vermehrungsstrategie sei. Anders sei es da bei den Vielzellern, also auch uns Menschen, gelagert, die sich sexuell reproduzieren und dadurch permanent genetisch neu kombinieren.
„Das Reproduktive Klonen bei Dolly hat das Thema noch einmal in Schwung gebracht, es hat die Grundlagenforschung angestoßen“, resümiert Simon, „aber Dinge ändern sich. Man hat früher alles durch die Genetik zu erklären versucht und dabei die Epigenetik komplett unterschätzt.“ Neue Epigenetikprogramme untersuchen heute außerhalb der DNA die Unterschiede der verschiedenen Zellen, um die Frage zu klären, welche Faktoren die Aktivität eines Gens und damit die Entwicklung der Zelle festlegen.
„Klonen stellt einen außerordentlichen Test für die menschliche Zurückhaltung und Weisheit, aber auch die institutionelle Entwicklung dar. Dies wird in vieler Hinsicht die Moral des 21. Jahrhunderts prägen“, sagt Glenn McPhee, Leiter des Zentrums für Bioethik an der Universität von Pennsylvania.
Es bleibt zu hoffen, dass wir diesen Test bestehen.