Abschied von Joachim Heiß Alte Feuerwache: Angebot statt Hausverbot
Wuppertal · Am 30. Juni 2023 hatte Joachim Heiß als Geschäftsführer der Alten Feuerwache seinen letzten Arbeitstag. 32 Jahre lang prägte er die Einrichtung an der Gathe, den gesamten Stadtteil und vor allem unzählige Kinder und Familien.
Der Abschied startete mit einer kühlen Flasche Sekt im Büro. Dann nahm ihn seine Nachfolgerin und langjährige Wegbegleiterin Jana Ihle mit. Fünf Stunden lang führte sie Joachim Heiß durch die Alte Feuerwache, durch alle Räume, hoch bis zum Kulturkindergarten an der Trasse. Er sah all die Gesichter der Menschen, für die stets sein engagiertes Herz geschlagen hat und deren Leben ohne ihn wahrscheinlich anders und weniger gut verlaufen wäre. Er hörte Mädchen und Jungen Lieder für ihn singen, sprach mit eigens für ihn angereisten Kindern, die längst Erwachsene sind.
Er machte all die für ihn organisierten Spiele mit, stellte pantomimisch eine Ente dar, ließ sich drücken und verlor literweise Tränen. Die Alte Feuerwache nimmt Abschied von Joachim Heiß. Ihrem Geschäftsführer, Gründer, ihrem Erfinder.
Vor 32 Jahren bekam der heute 66 Jahre alte Joachim Heiß den Schlüssel zu dem Gebäude an der Gathe 6. Und einen Arbeitsauftrag. Er sollte als Leiter in der maroden Feuerwache Kinder- und Jugendarbeit anbieten. Und, beauftragt vom damaligen „Ausländerbeirat“, Integrationsarbeit für den Stadtteil leisten. Zu diesem Zeitpunkt regnete es durch das Dach, in einem Teil des heruntergekommenen Gebäudes campierten Nichtsesshafte, die Toiletten waren in einem grausigen Zustand. Der Staub lag zentimeterdick auf den Fensterbänken.
Eine Vorbereitungszeit so lange wie eine Schwangerschaft: neun Monate Renovierungsarbeiten. Im späten August hing das Banner: „Eröffnung am 1. September. Alle sind willkommen!“ Und die Kinder kamen und mit ihnen die Arbeit, die Joachim Heiß 32 Jahre lang immer erfüllte, manchmal zermürbte, aber doch nie aufgeben ließ.
„Ich wollte immer den Kontakt mit den Kindern“, sagt der 66-Jährige heute. „Nur verwalten, das kam für mich nicht in Frage.“ Auch wenn die Doppelbelastung ihn manchmal an seine Grenzen trieb. Es gab nicht viele schlaflose Nächte, erzählt Joachim Heiß, aber es gab sie. Auch wegen Fragen wie dieser: „Warum kämpfe ich um Gelder für Kinder, die mich beschimpfen und angreifen?“
Am nächsten Morgen stand er auf und ging zur Arbeit. Und fand in seinem Tun die Antwort. Er gab der Gruppe, die in den Anfangszeiten in der Alten Feuerwache randalierte, statt einem erneuten Hausverbot einen eigenen Raum. Er gab ihnen die Chance, ihn zu renovieren, anzupacken, zu gestalten. Und die Rebellen der Wache wurden ein aktiver Teil von ihr.
Aus der Intuition von Heiß erwuchs eine pädagogische Haltung für die Wache, die heute eine nahtlose Präventionskette abbildet: Von der Schwangerschaft bis ins Erwachsenenalter finden Kinder und deren Eltern Angebote und vor allem Ansprechpartner. Der Kulturkindergarten, den das Team um Heiß 2018 ein Stück den Berg hinauf an der Nordbahntrasse bauen ließ, hat als letztes Glied die Präventionskette geschlossen.
In all seinen Angeboten sorgt das Team der Alten Feuerwache für Bindungs- und Beziehungsarbeit. Noch zwei so modern anmutende Begriffe, die Heiß bereits seit seinen beruflichen Anfängen prägten und die er gemeinsam mit seiner Nachfolgerin und der pädagogischen Leiterin der Alten Feuerwache Jana Ihle fest integriert hat. „Ich hatte immer das Bauchgefühl, dass es doch im Wesentlichen um Bindung geht“, sagt Heiß.
Abends las er Studien. Er und sein Team gossen aus wissenschaftlicher Expertise und eigener Überzeugung das Konzept der „8samkeitsgruppen“, in denen Kinder und Jugendliche seit 2022 familienähnliche Strukturen erleben und erwachsene Bezugspersonen finden, die ihnen zuhören, Sicherheit und Interesse schenken.