„Es war einmal ...“ im Theater am Engelsgarten Frau Königin reklamiert ihren Frosch
Wuppertal · Mit „Es war einmal ...“ aus der Feder von Hanna Frauenrath bürstet das Schauspiel die Geschlechter-Stereotype von Märchen gegen den Strich. Eine wunderbar komische und nachdenklich machende Premiere im Theater am Engelsgarten.
Für dieses komprimierte 80-Minuten-Stück hat Hanna Frauenrath – gemeinsam mit dem vierköpfigen Ensemble – ein paar der bekanntesten Grimm-Märchen sozusagen unters Mikroskop gelegt. Wie ist die Welt, in der Prinzen immer edel, Prinzessinnen immer schön, Schwiegermütter immer böse sind? Und wie geht’s weiter, wenn’s am Ende heißt „Und wenn sie nicht gestorben sind...“?
Auf der puristischen Bühne räumen Nora Krohm, Silvia Munzón López, Julia Wolff und Konstantin Rickert in ebenso bunt wechselnden Kostümen (Laura Immler) wie auch munter sich verändernden Rollen die alten Hüte der Frauen- und Männerbilder mit kraftvollem Schwung aus dem verstaubten Regal.
Die Bilder-Kaskade, die „Es war einmal ...“ entfesselt, kehrt in jeder Minute eins dieser in Stein gemeißelten Märchen-Mythen, die wir sozusagen alle kennen, auf links. Wäre Rapunzel allein im Turm nicht viel glücklicher? Wann ist ein Prinz ein Prinz? Ist Schneewittchen mit ihren sieben männlichen Mitbewohnern nicht eher ein „Schneeflittchen“? Fragen über Fragen.
Nicht einen Moment ist dieses Theater-Experiment kopflastig oder theorieschwer. Im Gegenteil: Das Lachen im Publikum mag kein Ende nehmen. Das wunderbare Quartett auf der Bühne hat – jenseits des Textes – ganz viel damit zu tun: Silvia Munzón López, wenn sie mit dem Speiseeislöffel im Mund das herzzerreißende „Goodbye my Lover“ von James Blunt mitsingt, Julia Wolff im gläsernen Schneewittchen-Sarg oder als böse Königin, die ihren Frosch, der sich nicht in einen Prinzen verwandelt, an der Hotline reklamiert. Nora Krohm mit Kinderstimme und Zwergenmaske, wenn sie zusammen mit Konstantin Rickert wie Hänsel und Gretel über die Eltern spricht, die so viel falsch gemacht haben – oft nur mit einem einzigen Satz. Überhaupt Konstantin Rickert: Mit Steckenpferdchen, Prinzessinnen-Tüllkleid oder grünen Flossen als Fachgesprächspartner an der Frosch-Hotline – toll!
Wie viel kluge Psychologie in „Es war einmal ...“ steckt, fällt kaum auf, schleicht sich elegant durchs Gelächter, ohne schwer im Magen zu liegen. Und ganz en passant wird auch der längst von Hinz und Kunz gern (und gern ahnungslos) nachgebetete Therapie-Sprech durch den Wolf gedreht.
Mit „Es war einmal ...“ hat das Wuppertaler Schauspiel einen starken Spielzeit-Start hingelegt. In einer Zeit, in der die Diskussionen über Geschlechterrollen & Co. fast nur noch verkrampft, versteinert und frontkämpferisch geführt werden, geht es hier offen, ehrlich, nachdenklich und witzig zu. Es fühlt sich sehr befreiend an, das Lachen am Engelsgarten. Und zieht dabei so gar nichts ins Lächerliche.
Was lehrt deses Stück? Lasst uns mal alle neu auf die alte Sache schauen. Und macht euch locker. Schon allein, weil (apropos alte Sache) die Immer-mal-wieder-Sehnsucht nach dem Prinzen und/oder der Prinzessin à la Märchen irgendwie ja nicht ausstirbt ...