„Rigoletto“ wieder im Opernhaus – als Polit-Thriller Leg dich nicht mit den Mächtigen an
Wuppertal · Die Oper zeigt in einer Wiederaufnahme aus dem Jahr 2017 Verdis „Rigoletto“ als Polit-Thriller.
Gewagte These: Die Hofnarren unserer Gegenwart, das sind die Journalisten und Talkshowmaster, die mit mehr oder weniger wahren Fakten für gute Laune bei den Regierenden und (noch wichtiger) beim Wahlvolk sorgen. So in etwa lautet der Ansatz des russischen Regisseurs Timofey Kulyabin für seine Inszenierung von Giuseppe Verdis Erfolgsoper „Rigoletto“, die er aus einem Fürstentum des 16. Jahrhunderts in die (ost-)europäische Gegenwart katapultiert.
Nach dem Geschmack der Putins, Orbáns oder Erdogans war die Produktion aus dem Jahr 2017 sicher nicht. Inzwischen hat Kulyabin den russischen Überfall auf die Ukraine offen kritisiert und lebt im Exil. Die Wuppertaler Bühnen haben seine ziemlich spannende Sichtweise auf Verdi jetzt neu einstudiert.
Fernsehgröße Rigoletto, so geht die Geschichte, hat mit seiner Nachrichtenshow wohl maßgeblich zum Wahlerfolg des „Herzogs“ (hier ein Parteiführer, der sich aber im Machtanspruch kaum von einem Renaissancefürsten unterscheidet) beigetragen – sich dabei aber im Parteiapparat allzu viele Feinde gemacht. Das allerdings, hier liegt ein Schwachpunkt der Inszenierung, wird mehr behauptet als auf der Bühne plausibel gezeigt.
Ziemlich überzeugend stellt Kulyagin dagegen die Rolle seiner Tochter Gilda dar, die vom „Herzog“ verführt und schnell fallen gelassen wird, sich aber trotzdem für den untreuen Liebhaber opfert. Die originale Geschichte stellt ja auch für hartgesottene Opernfans aufgrund ihrer Unglaubwürdigkeit eine Herausforderung dar, gewinnt hier aber an Glaubwürdigkeit, weil Kulyagin Gilda als Patientin einer psychiatrischen Klinik zeigt und die Selbstaufopferung als Aspekt des Krankheitsbildes.
Das geht erstaunlich gut auf, zumal Sopranistin Ralitsa Ralinova großartig spielt und noch besser singt – die Oper müsste hier eigentlich „Gilda“ heißen.
Vittorio Vitelli in der Titelpartie ist an diesem Premierenabend nicht vollständig von einer Erkältung in der Woche zuvor genesen; zwar gestaltet er die Partie mit elegantem Bariton klangschön und kultiviert, aber für die unverzichtbaren Verzweiflungsausbrüche fehlt der Stimme die Durchschlagskraft.
Sangmin Jeon stattet den sexbesessenen „Herzog“ mit strahlendem Tenor aus, der im Verlauf des Abends aber ein paar Konditionsprobleme bei den Spitzentönen aufweist.
Aus dem guten Ensemble ragt Simon Stricker als Parteifunktionär Marullo heraus.
Mit dem bestens aufgelegten Sinfonieorchester und dem ausgezeichneten Herrenchor (der noch dazu auf der Bühne sehr genau agiert) gestaltet Generalmusikdirektor Patrick Hahn die Partitur ausgesprochen differenziert und hebt Verdis raffinierte Klangfarben hervor. Das führt zu einer sehr kultivierten, in manchen Momenten fast zu sehr in Schönheit schwelgenden Interpretation, die hier und da mehr Mut zu grellen Tönen (die es eben auch gibt) haben dürfte.
Gleichwohl ein packender, ebenso sehens- wie hörenswerter Opernabend mit bitterböser Schlusspointe.
Nächste Aufführungen am Sonntag, 5. Februar 2023, um 18 Uhr und am Samstag, 18. Februar 2023, um 19.30 Uhr.