Kultur Im Sog der Klänge und Bilder

Wuppertal · Mit der Neueinstudierung eines bahnbrechenden Werkes der zeitgenössischen Moderne geht die Opernintendanz von Berthold Schneider in Wuppertal zu Ende: Während der Video-Oper „Three Tales“ von Steve Reich und Beryl Korot aus dem Jahr 2002 erlebt das Publikum mitten auf der Opernhausbühne 70 außergewöhnliche Minuten.

Ein besonderes Klang-, Augen- und Bühnenerlebnis ist die Video-Oper „Three Tales“, bei der die Zuschauerinnen und Zuschauer „oben mit dabei“ sitzen und sich auf Drehstühlen um die eigene Achse bewegen können, um zwei gegenüberliegende Leinwände zu sehen.

Foto: Uwe Stratmann

Das Ganze beginnt, bestens gelaunt dirigiert vom musikalischen Leiter Michael Cook, mit gemeinsamem Rhythmus-Klatschen. Aber nicht nur einfach so: „Clapping Music“ ist eine 1972er Komposition von Steve Reich. Ein feiner Kunstgriff fürs Warm-up des Publikums mit den Sinfonieorchestermusikern.

Platz nimmt man dann auf frei wählbaren, fest montierten Drehstühlen: Rundum-Blicke sind möglich und nötig – das Schauen nach oben in den schier endlosen Opernhausüberbau fügt kolossale Dimensionen hinzu. Zwei riesige Leinwände gibt es: Auf ihnen laufen die „Three Tales“, die drei Erzählungen, zu denen zwei Soprane und drei Tenöre englische Texte singen. Eindringlich machen sie das – chorisch, beinahe magisch.

Vom 1937 verbrannten Luftschiff „Hindenburg“ in Lakehurst wird originalfilmisch berichtet, von den US-Atomversuchen auf dem für immer verseuchten Bikini-Atoll der 40er und 50er Jahre – und von Klon-Schaf „Dolly“. Bilder, Texte, Zahlen, Statements reihen sich in aufsehenerregender Schnitttechnik komponiert rasant aneinander, begleitet von kraftvoll drängender Musik. Innerhalb weniger Minuten schon entfaltet diese so ungeheuer andere Oper einen Sog, der Augen und Ohren gleichermaßen „aufsaugt“.

Das alles zusammen ist ein mit Live-Reportagen, Wissenschaftler-Interviews und Bibelstellen garnierter Kritik-Parforce-Ritt. Kritik am Hochmut der Technik-Moderne, der Mensch, Tier und Natur immer wieder leichtfertig aufs Spiel setzt.

Ich habe mich lange gefragt, woran mich „Three Tales“ erinnert hat. Es gibt in dem Science-Fiction-Film „Das fünfte Element“ eine Sequenz, während derer Milla Jovovich in ihrer Rolle als höheres Wesen Leeloo am Bildschirm die endlose Vernichtungsgeschichte des Menschen auf der Erde „lernt“. Zum Schluss weint sie. Das könnte einem auch in „Three Tales“ passieren.