Biographie-Text und Poesie Lebensspuren oder Lebenslyrik
Wuppertal · Zwei ganz unterschiedliche Bücher mit Wuppertaler Wurzeln gibt es vorzustellen. Die Beschreibung eines eigenwilligen Lebensweges – und eine Lyrik-Sammlung, die Corona in den Blick nimmt.
Mit dem zuerst verwirrenden Titel „Rotter Blüte“ hat sich der Wuppertaler Autor Hans Werner Otto auf die Spuren des individuell denkenden und ebenso handelnden Rotter Kommunisten Arthur Gießwein begeben.
Seine Erzählung lässt einen Mann sichtbar werden, dessen Leben und Erleben kaum ereignisreicher sein könnte: Gießwein, der 1904 geboren wurde und 1973 starb, war Schlosser, Taxifahrer, Parteifunktionär, Sekretär, Soldat, Offizier, Gewerkschafter, Hilfsarbeiter, Stadt-Angestellter. Er stellte sich offen gegen die Nazis, kämpfte mit anderen „Internacionalistas“ in Spanien gegen Franco, war vom Tod durch Gerichtsurteile bedroht, lebte unter Decknamen in mehreren Ländern, saß in französischen Internierungscamps und einem deutschen Arbeitslager. Die Heimat, sprich Barmen, sprich den Rott, vergaß er nie. Um schließlich im Rathaus arbeiten zu können, galt es viele (personalrechtliche) Kämpfe auszufechten.
Hans Werner Otto schildert auf anrührende, jedoch nie anbiedernde Weise einen Mann, der sich stets erlaubte, selbst zu denken. Im politischen Sektor (auch im eigenen Parteiumfeld) hat sich Arthur Gießwein deswegen immer wieder Feinde gemacht.
Der Leser lernt in „Rotter Blüte“ jemanden aus dem „ganz normalen“ Leben kennen, der selbstkritisch und selbstbewusst zugleich war – und bis zum Ende blieb. Geschrieben ist „Rotter Blüte“ wie ein spannendes Geschichtsbuch – steckt aber immer wieder voller stiller Poesie. Ein außergewöhnliches Thema und ein literarischer Glücksfall.
Nordpark-Verlag, 15 Euro.
Apropos stille Poesie: Die beherrscht auch der in Wuppertal geborene Lyriker Matthias Buth. Soeben hat er mit „Die weiße Pest. Gedichte in Zeiten der Corona“ einen beachtlichen Band vorgelegt, in dem allein 245 Seiten an neuen Gedichten stecken. Keine Corona-Gedichte sind das – und zwar ganz bewusst nicht.
Aber in der für Buth so typischen intensiven, bilderstarken Sprache geschriebene Text-Kunstwerke, die sowohl Aktuelles wie die Rede von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble am Ende des ersten Lockdowns lyrisch verarbeiten, aber eben auch die Stille, die (nicht nur ältere) Menschen zu Hause erleben, mit Händen greifbar machen.
Matthias Buth unternimmt den Versuch, das umfassende Thema Corona mit den Mitteln der Lyrik zu „packen“. Herausgekommen ist ein sehr facettenreiches, lesenswertes Kaleidoskop des Lebens.
PalmArtPress, 24 Euro.