Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Vorübergehende Freizeitparks

Wuppertal · Weihnachten kommt immer so plötzlich. Corona-Lockerungen auch. Ab Montag gelten schon wieder neue Regeln, obwohl ich gerade noch dabei bin, die alten nicht zu verstehen. Mittlerweile trage ich überall am Körper Merkzettel, um das tägliche Leben ohne versehentliche Verstöße gegen die diversen Corona-Schutzverordnungen von Bund, Land, Stadt, Straße, Haus, Ehefrau, Freunden aus der Risikogruppe und Lehrern zu bewältigen.

Roderich Trapp.

Foto: Max Höllwarth

Schließlich stellen sich auf Schritt und Tritt neue Fragen: Darf ich in der Bäckerei einen Windbeutel kaufen oder würde der Aerosole mit Corona drin durch die Luft pusten? Muss ich zu zehnt im Restaurant mit 1,5 Metern Abstand sitzen und die lange Tafel beim letzten Abendmahl nachbilden oder können wir auch gegenüber Platz nehmen? Und müssen die zehn Mann alle Schwippschwäger sein oder erst zusammenziehen, um gemeinsam ein Krüstchen zu essen? Ist eine Stiefmutter eine Verwandte in gerader Linie oder so schräg wie in vielen Märchen? Muss ich das Wasser im Hallenbad desinfizieren, bevor ich da eine Arschbombe reinmache, oder reicht das Chlor, das sowieso schon drin ist? Warum sind die Leute immer so erschrocken, wenn ich mit meiner alten Gasmaske von der Bundeswehr einkaufen gehe? Und hätte mir nicht jemand sagen können, dass die Plastikteile in FFP2-Masken schmelzen, wenn man sie bei 180 Grad im Backofen wieder richtig keimfrei machen will? Seitdem schmecken die Fertigpizzas bei uns zwar immer noch nach Italien, aber mehr so in Richtung Seveso als Margherita ...

Und jetzt kommen eben auch noch die neuen Regeln hinzu, die ich mir gerade durchlese. Da steht drin, dass Veranstaltungen mit geselligem Charakter weiter untersagt sind. Hochzeiten und Geburtstage feiern ist aber erlaubt. Daraus muss man folgern, dass die keinen geselligen Charakter haben, was mit Blick auf die hohe Scheidungsquote in Deutschland und die vielen gewalttätig endenden Familienstreitigkeiten plausibel erscheint. Kommt es aber bei einer Geburtstagsfeier in geschlossenen Räumen im erlaubten Rahmen von bis zu 50 Personen zu einer Prügelei unter den Anwesenden, dann wird es kompliziert. In diesem Moment würde nämlich aus der Geburtstagsfeier eine Kontaktsportveranstaltung in der Halle, die ab Montag zwar erlaubt ist, aber nur für bis zu zehn Teilnehmer. Ich würde hier auf jeden Fall dazu raten, im Sinne der Rückverfolgbarkeit von Ansteckungs- und Veilchenketten schriftlich zu dokumentieren, wer wem eine donnert.

Interessant ist auch, dass „vorübergehende Freizeitparks aus einer Mehrzahl von Schaustellerbetrieben“ wieder zugelassen werden können. Solche Formulierungen beweisen, dass die Erfinder behördendeutscher Wortungetümer erfreulicherweise durch Corona in keiner Form gelitten haben. An mir ist jedenfalls in der Stadt schon lange kein Freizeitpark mehr vorübergagangen. Sollte eine Kirmes gemeint sein, hätte man das natürlich auch schreiben können, aber dann wäre es ja möglicherweise einfach zu verstehen gewesen ...

Nicht einfach zu verstehen ist Corona natürlich auch für Kinder. Eine Grundschullehrerin erzählte mir jetzt, wie lieb sich die Kleinen beim Neustart des Unterrichts die Patschehändchen gewaschen, sich an die aufgemalten Laufwege gehalten und die Masken getragen haben, die vorher zu Hause hübsch verziert wurden. In der Pause haben dann alle die Masken getauscht, weil der eine mal die mit dem Bärchen aufhaben wollte und die andere die mit dem Häschen so toll fand ...

Besser lief es, als ich am Dienstag wieder organisierten Sport getrieben habe. Mein Gegner beim Tischtennis hat zwar ein bisschen gemoppert, weil ich ihn vor dem Spiel desinfiziert habe, aber wenn man schon Bälle und Platten nach jeder Partie mit ätzender Flüssigkeit abreiben muss, wäre es ja fahrlässig, das mit den Spielern nicht zu machen. Die Halle roch nach dem Training übrigens wie die Intensivstation im Klinikum Barmen und drei Mann waren kurzzeitig ohnmächtig, aber Corona hat bis heute keiner von uns bekommen ...

Bis die Tage!