Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Gestatten? Friedrich Engels!
Wuppertal · Engels. Junge Menschen denken bei diesem Wort heute wahrscheinlich sofort an Sarah Lombardi, die 2011 unter ihrem, Mädchennamen Engels Platz zwei bei „Deutschland sucht den Superstar, den es sofort wieder vergisst“ belegte. Diesen Leuten sei gesagt: Es gab auch noch Friedrich Engels, der nicht der Vater von Sarah, sondern der berühmteste Sohn der Stadt Wuppertal ist.
Aber mal so ganz unter uns: Was wissen Sie eigentlich über Friedrich Engels? Ich persönlich war zuletzt im Engelshaus, als Helmut Kohl noch Kanzler war, und kann da dringend mal eine Auffrischung gebrauchen. Da trifft es sich gut, dass gerade die Ausstellung zum 200. Geburtstag von Friedrich Engels im Barmer Haus der Jugend eröffnet worden ist. Ich bin da sofort hin, um mich auf den neuesten Stand zu bringen.
Ich war in der Woche da und wunderte mich, dass trotzdem so viele Menschen durch die Ausstellungsräume liefen. Bei näherem Hinsehen handelte es sich aber überwiegend um Personal, das aufpasst, dass man nichts anfasst. Dabei gibt es weniger anzufassen als zu lesen. Schon gleich am Anfang erfährt man so, dass der kleine Friedrich von seinem Vater „Herzensstippel“ genannt wurde. Bei diesem Kosenamen ist es nicht überraschend, dass er später gegen die reichen Eltern opponierte und aus Protest Kommunist wurde. Interessant ist ja auch immer, wie die Leute früher aussahen. Der junge Engels und sein Primaner-Kumpel Johann Richard Seel würden mit ihren Hipster-Bärten heute problemlos jede Gesichtskontrolle am Eingang angesagter Clubs überwinden.
Um 1840 traf man sich zwar noch nicht in Szene-Discos, sondern nur zum „Elberfelder Literaturkränzchen“, aber was soll man sonst machen, wenn Hip-Hop und Gin-Tonic noch nicht erfunden wurden? Schön einen angehoben haben die Jungs aber trotzdem, Engels galt bis zu seinem Tod als feierfreudig und trinkfest. Mit dabei war übrigens auch Adolf Schults, den uns die Ausstellung als Elberfelder Korrespondenten des „Morgenblatts für gebildete Leser“ vorstellt. Bei dem Titel handelt es sich also offensichtlich um einen Vorläufer der Rundschau.
In den nächsten Räumen lernen wir noch viel mehr über Engels und seinen langjährigen Spannmann Karl Marx, wobei die praktische Lebensführung des Duos fast noch interessanter ist als sein eher theoretisches politisches Wirken. So hatte Marx ein uneheliches Kind mit seiner Haushälterin, das Engels als seines anerkannte, damit der Fehltritt vor Karls Frau verborgen blieb. Weil whatsapp noch nicht auf dem Markt war, mussten sich die beiden Bros über solche und andere Dinge in 1.500 Briefen verständigen, von denen einige in der Ausstellung zu sehen sind. Was genau drin steht, kann ich nicht sagen, weil speziell Marx so eine Sauklaue hatte, dass seine Frau sein ganzes politisches Werk nochmal abschreiben musste. Besonders gut gefallen haben mir die Einträge der beiden Herren im Poesiealbum von Karls Lieblingstochter Jenny. Der Vater hat dabei in der Rubrik „Abneigung“ eingetragen, dass er Martin Tupper nicht mag. Ich vermute, dass es sich um den Erfinder der gleichnamigen Dosen handeln muss, der möglicherweise im Hause Marx eine der ersten nach ihm benannten Verkaufspartys veranstaltet hat.
Engels seinerseits hat darin unter „Auffassung vom Glück“ nicht etwa „Befreiung der Arbeiterklasse“ oder sowas eingetragen, sondern „Chateau Margaux 1848“. Weinkenner wissen, dass es sich dabei um eine Flasche aus dem berühmtesten Anbaugebiet der Welt handelt.
Apropos Wein: Nach einer guten Stunde Ausstellungsbummel mit Maske war mein Mund ausgesprochen trocken und die Versuchung groß, die im letzten Raum präsentierte Flasche „Steinberger Cabinet Auslese“ aus dem Jahr 1893 mit Hilfe des praktischerweise daneben drapierten Korkenziehers an dem Taschenmesser zu öffnen, das Engels von Solinger Arbeitern zum 70. Geburtstag geschenkt bekommen hat. Die Kuratoren der Ausstellung kannten mich aber offensichtlich und haben das Gebinde mit einem Glaskasten gesichert ...
Engels war da besser dran. Er schrieb, dass er über seinen 70. Geburtstag „redlich hinweggekneipt“ und mit Karl Liebknecht und August Bebel bis halb vier morgens Schampus, Austern und Rotwein geschlürft habe. Daher jetzt meine Frage: Wissen Sie vielleicht, wo man eine Umschulung zum Arbeiterführer machen kann?
Bis die Tage!