Chronik: 200 Jahre Karneval im Tal Als die Prinzessin Emil hieß

Wuppertal · Die 200-jährige Chronik des Wuppertaler Karnevals ist vor dem großen Müll-Feuer gerettet worden — von Burkhard Kreibig, dem aktuellen Prinzen Burkhard II. Jetzt hat er das 404-Seiten-Buch "Dreimal Wupp-Di-Ka — Chronik des Wuppertaler Karnevals" zusammengestellt.

Seit 44 Jahren ist Burkhard Kreibig dem Wuppertaler Karneval eng verbunden. In dieser Session übernahm er zum zweiten Mal mit Prinzessin Ute II. als Prinz die Regentschaft der Wuppertaler Narren.

Foto: Joachim Macheroux

Gibt's für 29,80 im Buchhandel.

Vor zehn Jahren überraschte Burkhard Kreibig der Anruf eines Bekannten: "Hier sind 50 Ordner und Kartons mit historischen Unterlagen aus dem Wuppertaler Karneval, das wird dich interessieren". Die Dokumente standen kurz vor dem Einwurf in die großen Öfen der Müllverbrennungsanlage. Burkhard Kreibig rettete die karnevalistischen Unterlagen.

Zwei Jahre lang arbeitete und forschte er an den historischen Papieren. Zwei weitere Jahre brauchte der Karnevalist, um die Dokumentation des närrischen Frohsinns zu ergänzen. Zudem sicherte sich Kreibig die Nachlässe der verstorbenen Wuppertaler Karnevalisten Werner Draudt, Alfred Sellinghoff, Otto Grenzdörfer sowie der närrischen Urgesteine Günter Plett, Bill Hensel, Guido Werner und Horst Schlichter.

Kreibigs Chronik steckt voller Facetten: Bis zur Wuppertaler Stadtgründung 1929 wurde der Karneval im Tal zweigleisig gefeiert — in Elberfeld rheinisch, in Barmen westfälisch. Die Nahtstelle war die Wupperbrücke am Haspel. Beim "Närrischen Reichstag" 1882 konnten die Ritter der humorigen Zunft mit Urkunden belegen, dass der "Bergische Karneval" sich auf ein zumindest ebenso hohes Alter wie der Rheinische Karneval berufen kann.

Die preußischen Behörden konnten dem närrischen Treiben am ehemals so bunten Fluss wenig Spaß abgewinnen: 1835 wurde es der Gesellschaft " Eintracht" verboten, das Stück "Die Nachtmütze des Propheten Elias" aufzuführen.

Der Rosenmontagszug 1866 in Barmen stand in Anspielung auf die närrische Rivalität zu Elberfeld unter dem Motto " Wir Barmer können uns das leisten". Eduard Edelmann, Präsident zweier Karnevalsgesellschaften, zudem als Inhaber eines Putzgeschäftes in der Bürgerschaft hoch geachtet, hatte mit seiner jungen, hübschen Frau "Prinzess Venetia" die Regentschaft übernommen. Doch dann weigerte sich "Venetia" plötzlich, den hohen Prunkwagen zu besteigen: "Ich werde schwindelig", soll sie gesagt haben. Die drohende Schmach des "einsamen" Prinzen rettete Emil Funke, Wirt der Gaststätte "Im alten Olympia" im Heubruch: Er soll die Kleider der Prinzessin angezogen und dann — gut geschminkt — als "Prinzess Venitia" hoch auf dem Wagen das Narrenvolk beglückt haben.

Der Zug rollte damals durch den Werth bis Wupperfeld, dann zurück durch die Bredde, den Mühlenweg, Oberdörnen bis zum Loh und zurück über die Allee zum Alten Markt.

Größter Profiteur der Narrenfeste in historischer Zeit war die damalige städtische Verwaltung. Aus den Überschüssen von Karnevalsveranstaltungen erzielte die Stadt einen Reingewinn von 11.000 Reichsmark. Laut Statistischem Bundesamt entspricht das der heutigen Kaufkraft von 42.000 Euro.

Nach dem Ersten Weltkrieg bereicherte der Humorist Reinhard Tiefenbach, der aus Mainz ins Tal der Wupper übersiedelte, das närrische Geschehen. Tiefenbachs erster Schlager hieß "Dat Lehnchen vom Tippen-Tappen-Tönchen": Dieser Gassenhauer hat den Ölberg ein Stück liebenswerter gemacht.

Während der Nazi-Zeit mussten die Wuppertaler Karnevalisten auf ein Prinzenpaar verzichten. NSDAP-Kreisleiter Alfred Straßweg hielt Karneval für "Firlefanz": "Ein Prinzenpaar gibt es nicht, nur einer kann die Rolle des Führers spielen", wurde der närrischen Delegation unter Reinhold Tiefenbach von dem braunen Kreisleiter mitgeteilt. Wuppertals Jecken aber waren clever: Sie erkoren mit der "Wupper-Elfe" die Metzgerstochter Hilde Platzmann, die mitten im Elferrat auf den Prunksitzungen bejubelt wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg prägten Männer wie Altbürgermeister Werner Draudt, Otto Grenzdörfer, Werner Boes und Alfred Sellinghoff den Wuppertaler Karneval. Mit Bernhard Simon, Udo Gothsch und Wilfried Michaelis ließen sich auch drei Wuppertaler Stadtverordnete als Prinzen küren.

Übrigens: Trotz intensiver Nachforschungen konnte nicht herausgefunden werden, woher die historischen närrischen Dokumente stammen, die Burkhard Kreibig vor der Müllverbrennungsanlage bewahrt hat.