Abschied von einer Gastronomie-Legende Das letzte Bier bei „Willi“

Wuppertal · Die Barmerinnen und Barmer müssen Abschied von einer echten Kneipen-Institution nehmen: Die Gaststätte Herhaus schließt. Und der Abschied fällt schwer ...

Givrill „Willi“ Tsarkovistas und seine Frau Litsa waren seit 1988 die guten Seelen in der Gaststätte Herhaus.

Foto: Wuppertaler Rundschau

33 Jahre lang eine Kneipe zu betreiben, das ist in dieser Zeit des ständigen Wechsels mehr als eine Ewigkeit. Im Herbst des Jahres 1988 haben Litsa und Willi Tsarkovistas die Gaststätte Herhaus an der Unteren Lichtenplatzer Straße 44 auf dem Heidter Berg in Barmen übernommen. Jetzt soll tatsächlich Schluss sein: Zum 31. Dezember haben sie den Mietvertrag gekündigt. Am 28. Dezember werden die letzten Biere aus den Hähnen fließen – und Tränen ganz sicher auch.

Aber Willi bleibt sachlich: „Es ist immer schwerer geworden. Wir mussten zehn Monate lang wegen Corona schließen. Jetzt sollen die Soforthilfen fast komplett zurückgezahlt werden. Auch das Rauchverbot war für den Umsatz schlecht, nur gut für unsere Gesundheit“, sagt er trotz der Probleme mit einem Schmunzeln. Zudem sind viele der Stammgäste im Lauf der 33 Jahre verstorben.

Es ist ein geschichtsträchtiges Haus, in dem das Gastronomen-Paar seine Gäste bewirtet hat. Der Name der Gaststätte stammt von einer mittlerweile ausgestorbenen Barmer Gastronomen-Familie. Seit 1898 wird in dem Gebäude kurz vor der Ecke Untere Lichtenplatzer und Brändströmstraße Bier verkauft – vor allem das der Marke Bremme. Die Brauerei befand sich schließlich direkt um die Ecke und der legendäre Brauherr Bremme hatte seinen festen Platz am Stammtisch. Oft auch nicht erst am Abend.

Sein Sohn Dirk hat als damaliger Brauerei-Chef bei der Übergabe des Lokals im Jahr 1988 eine entscheidende Rolle gespielt. Die Hauptrolle aber fiel dem langjährigem Verkaufsleiter Wolfgang Linge zu, denn er knüpfte die Kontakte zu Willi, der als Kellner arbeitete, ein eigenes Lokal suchte – und fand.

Wolfgang Linge trifft sich seit Jahren mit ehemaligen Kollegen bei Willi, der eigentlich Gavrill Tsarkovistas heißt, aber schon von seiner Mutter nur Willi gerufen wurde.

Am 19. März 2015 ist mit dem Tod der Hausbesitzerin Martha „Mausi“ Büssow die Ära Herhaus zu Ende gegangen. Ihre Mutter war eine geborene Herhaus, eine Verwandtschaft gab es auch zur Gastronomen-Familie Scholl. Zum Familien-Clan gehörte sogar der Betreiber einer Achterbahn auf dem Münchner Oktoberfest.

Die Erbengemeinschaft hat die Immobilie an eine russische Unternehmerin verkauft, sie übernahm problemlos den Vertrag zu den vorherigen Konditionen. Für „Tante Mausi“ war diese Kneipe ein großes Stück ihres Lebens. Sie mochte besonders die heutzutage kaum noch hergestellten, handgefertigten Bleiglasfenster mit den Bremme-Motiven. Jeder in der Gegend kannte (und fürchtete) die resolute Prinzipalin mit dem rauen, aber herzlichen Gesprächsstil. Dazu zählte auch Klaus Homberg, der frühere Kult-Wirt aus der Alten Bergbahn: „Ich hatte immer ein tolles Verhältnis zu ihr. Aber auch zu Willi. Ich bedaure seinen Abschied sehr.“

Und dann erzählt er eine Geschichte, die für Willi typisch ist. „Er hat an einem Samstag bei uns einige Stunden lang ausgeholfen, bevor er selbst seine Gaststätte öffnen musste. Als ich ihn dafür bezahlen wollte, war er entrüstet.“ Homberg ist einer von vielen Stammgästen, zu denen erstaunlicherweise vor allem an späten Abenden auch viele junge Leute zählen. Fast zum Inventar gehören die alten LTV-Handballer, die Fußballer des SV Heckinghausen, der Stammtisch der meinungsbildenden Grand-Ladys der Gegend und der Verein Bergische Sportpresse.

Nun ist das alles bald Geschichte – genau wie die legendären Mettbrötchen und Frikadellen von Litsa und Willi. „Wir werden uns mehr um unseren Enkel Gabriel kümmern“, ist ein Teil von Plan B im Leben der beiden. Sie bleiben in Wichlinghausen wohnen, kehren nicht nach Griechenland zurück, von wo aus Willi im Jahr 1966 als einer der ersten angeworbenen Arbeitskräfte nach Deutschland startete.

Es hat viele Versuche gegeben, einen Nachfolger zu finden. Bislang blieben sie vergeblich.