Osterholz-Wald Gegen 9 Uhr fiel der erste Baum
Wuppertal · Gegen Mitternacht hatte sie noch unter dem Hashtag #Osterholzbleibt den „Code Red“ getwittert: Die Räumung stehe unmittelbar bevor, man solle schnellstens in den Wald kommen. Kurz darauf diskutierte Marjolein Schlüter von der Initiative „Osterholz Bleibt!“ dann vor Ort selbst mit den Polizeibeamtinnen und -beamten.
Es ging um die seit Wochen abgehaltene Mahnwache, die hatte sich an diesem Morgen vom Wanderparkplatz in den Wald hinein verlegt.
Dorthin waren die ersten Unterstützerinnen und Unterstützer schon um 5 Uhr unterwegs – hier und dort blitzten Taschenlampen auf. Derweil wurde getwittert, dass es Kontrollen gebe und man angeblich nicht durchgelassen werde. Davon wussten Klaus und seine Begleiterin aus Hagen nichts. Sie waren mit dem Auto angereist und hatten Glück: Die Osterholzer Straße zwischen Gruiten und Vohwinkel wurde erst eine Stunde später komplett gesperrt. (Bilder:)
Die Polizei war mit mehreren Hundertschaften im Einsatz, um die bevorstehende Rodung abzusichern. Für die beiden Hagener scheint das alles nichts Ungewöhnliches gewesen zu sein: Auf dem Weg zum Camp wurde darüber geplaudert, wie so etwas üblicherweise abläuft. Man sieht sich nicht im Stockdunkeln, tauscht kurz die Vornamen aus und weiß: Jeder Baum zählt, alles andere ist an einem solchen Morgen bedeutungslos.
Während die Mahnwache nochmals umziehen musste, um sich gemeinsam mit den von überall her angereisten Unterstützern aus der „Gefahrenzone“ zu bewegen, wurde die Medienvertreterinnen und -vertreter anfangs noch bis zu den Camps durchgelassen. Schon von weitem hörte man die Besetzer lautstark „Verpisst Euch!“ schreien – vermutlich in Richtung der „Cops“, wie die Polizeibeamten in der Szene genannt werden. Später sah man dann Besetzer und Polizisten gemeinsam in den Baumhäusern: Die einen ließen die Beine baumeln und sangen, die anderen warteten angeseilt auf den Räumungsbefehl.
Man wähnte sich irgendwo zwischen Bullerbü-Romantik und Thoreaus „Walden“ – wären da nicht immer wieder die aggressiven Ausbrüche in Richtung „autoritärer Staatsmacht“ und vermeintlicher Polizeigewalt. Das „Osterholz bleibt!“: Darin waren sich die drinnen im Camp und die durch den Wald wandernden Unterstützerinnen und Unterstützer einig.
Derweil wollte die Polizei wissen, ob es Minderjährige unter den Besetzerinnen und Besetzern gebe. Keine Antwort. Beinahe fürsorglich wurde darauf hingewiesen, dass man noch nicht in die gefährlichen Netze fliehen müsse, der Zugriff stehe noch nicht unmittelbar bevor. Unten lagen Tretroller herum, ein Kinderfahrrad hing hoch oben an einem Seil und in einem der Verschläge auf dem Boden hatten Enten oder Hühner ihre Federn hinterlassen.
Um kurz nach 9 Uhr krachte es dann im Osterholz: Der erste von 1.500 Bäumen wurde gefällt. Zuvor waren Bagger auf dem „Milchweg“ unterwegs, um die Barrikaden abzureißen und Zufahrtstraßen aufzukippen. Ein schmerzlicher Moment für die vielen Unterstützerinnen und Unterstützer der Initiative „Osterholz bleibt“, die sich dennoch gewiss sein dürfen, etwas angestoßen zu haben, was über die Gegenwart hinausreicht: Baurechtliche Genehmigungsverfahren werden sich hier künftig wohl nicht mehr so leicht dem öffentlichen Fokus entziehen können.