Waldgebiet Osterholz Kalkwerke Oetelshofen: „Teilrodung unausweichlich“

Wuppertal · Die Kalkwerke Oetelshofen haben am Montagabend (24. Januar 2022) Stellung zur offenbar unmittelbar bevorstehenden Rodung im Waldgebiet Osterholz genommen. Das Unternehmen appelliert „an die Beteiligten, Gewaltausschreitungen zu vermeiden“. Der Wortlaut.

Jörg und Till Iseke von den Kalkwerken Oetelshofen.

Foto: Mikko Schümmelfeder

„Wir, die Kalkwerke H. Oetelshofen GmbH & Co. KG, werden in absehbarer Zeit die geplante Rodung im Osterholz durchführen. Zunächst wird ein 5,5 Hektar großer Teil unseres Waldgebietes eingezäunt, der bislang öffentlich zugänglich war. Der Bereich ist damit Baustellengebiet, wo der Zutritt verboten ist. Vor der Rodung ist die Räumung der Bäume erforderlich, die von einer Gruppe Protestierender besetzt wurden. Deren Engagement war bislang von uns geduldet worden, muss aber nun nach außerhalb verlagert werden. Sollte dies nicht freiwillig geschehen, sind wir – auch zum Schutz aller Beteiligten – auf die Unterstützung der Polizei angewiesen.

Die restlichen ca. 195 Hektar des Osterholzes bleiben unangetastet. Außerhalb der bestehenden Steinbruchgrenzen wollen wir keine weiteren Flächen in Anspruch nehmen – weder für Ausgrabungen noch zur Ablagerung. Das gilt auch für Bereiche, die im aktuellen Regionalplan als Vorrangflächen zum weiteren Ausbau ausgewiesen sind. Das Osterholz wird bleiben!

Im Anschluss an Räumung und Einzäunung wird die gesperrte Fläche mit Großmaschinen gerodet. Harvester (Vollholzernter) fällen den Bestand von ca. 1.500 Bäumen, zum Großteil zwischen 30 und 70 Jahre alt. Nach ihrem Abtransport werden sie von der Holzindustrie verwertet; ihre Verwendung liegt im industriellen Bereich (Bauholz). Auf der entstandenen Ebene erfolgt planmäßig vor den Erdarbeiten die Flächensondierung durch den Kampfmittelräumdienst, um die Möglichkeit vergrabener Blindgänger auszuschließen. Dann erst – geplant wenige Wochen nach Einzäunung – beginnt die Nutzung der Fläche als Halde, auf der wir den Abraum (Erdreich) aus unserem Tagebau in den nächsten Jahren lagern werden.

Soweit die Prozessabfolge. Wir wünschen uns dringend eine gewaltfreie Auseinandersetzung und folgen jeder Möglichkeit, zusätzlichen Schaden zu minimieren. Unsere oberste Sorge gilt der Gesundheit aller Beteiligten: Belegschaft, Demonstrationsgruppen und Ordnungskräfte.

Die Baumaßnahme basiert auf einem jahrelangen Genehmigungsverfahren, das 2015 seinen Anfang nahm, als der Bedarf nach zusätzlicher Haldenfläche deutlich wurde. Zum Hintergrund: Oetelshofen betreibt seit über 120 Jahren als mittelständischer Familienbetrieb (aktuell in der 5. Generation) einen Kalkbrennbetrieb mit eigenem Steinbruch in Wuppertal-Dornap. Kalk ist kein Luxus-, sondern ein Kulturgut, das seit über 10.000 Jahren die Menschheitsgeschichte begleitet. Einst vornehmlich Baustoff, sind Kalkprodukte heute unverzichtbarer Rohstoff für praktisch jeden physischen Schöpfungsprozess – von Arzneimittel bis Zahnpasta.

Jeder Mensch in Deutschland verbraucht jährlich mehrere Hundert Kilogramm, ohne es zu wissen. Selbst bei nachhaltigster Lebensweise ist Kalk zur Trinkwasseraufbereitung, Lebensmittelherstellung oder Eisen- und Stahlerzeugung unentbehrlich. Als Kalkproduzent sehen wir uns daher zu Recht als relevantes Mitglied der Gesellschaft, zumal wir unseren Produktionsstandort nicht von Lohnkosten abhängig machen, sondern von den natürlichen Vorkommen, die uns an die Region binden.

Diese Region, das Dornaper Kalkrevier, ist eines der bedeutendsten Lagerstätten Europas, wo das begehrte Mineral oberflächennah zur Verfügung steht. Als Sedimentgestein tritt Kalk in der Natur in Schichten auf – ist also bei der Gewinnung mal mehr, mal weniger mit Sand, Lehm und anderem Erdreich vermengt, das als so genannter Abraum anfällt. Aus diesem Grund wird im Steinbruch gleichzeitig an verschiedenen Stellen gegraben; die unterschiedlichen Qualitäten müssen gemischt und aufeinander abgestimmt werden. Das erklärt, warum eine Innenverkippung des Abraums im Steinbruch vor dessen Ausschöpfung – also zu Beginn seiner Stillegungsphase – nicht in Frage kommt: Das käme einem Jäger gleich, der einen Hirsch erlegt, bloß, um an das Geweih zu kommen.

Der schwankende Gehalt von Kalk im Aushub kann vor dem Abbau geschätzt werden, Gewissheit aber gibt es erst während der Förderung. So hat sich in 2015 abgezeichnet, dass mit mehr Abraum zu rechnen ist als erwartet wurde. Obwohl wir bereits erfolgreich Technologien entwickelt haben, die Effizienz beim Rohstoffertrag zu erhöhen, musste ein höheres Abraumvolumen kalkuliert werden. Konkret werden geschätzt gut 2 Mio. Kubikmeter Erdreich anfallen, die eine Haldenerweiterung nötig machen.

Intern begannen deshalb Ausbauplanungen, die wir 2016 zuerst dem Bürgernetzwerk vorgestellt haben – einem Zusammenschluss von Nachbarn und Anwohnerinnen, mit denen wir uns seit Jahren regelmäßig über unsere Betriebsaktivitäten austauschen. Nach gemeinsamer Optimierung folgte 2017 der offizielle Antrag bei der Bezirksregierung, dessen Genehmigungsverfahren umfangreiche Prüfungen und Gutachten einschloss und Alternativen bewertete. Mit der Offenlegung 2019 und dem Erörterungstermin 2020 folgte das Verfahren den gesetzlich vorgegebenen Prozessschritten, die schließlich in der amtlichen Bewilligung mündeten.

Begleitet wurde der Prozess von Privatpersonen, die Klage einreichten. Nicht gegen uns, sondern gegen die Bezirksregierung als Genehmigungsbehörde. Das Verfahren wurde vom Verwal-tungsgericht zu unseren Gunsten entschieden, was in zweiter Instanz vom Oberverwaltungsgericht bestätigt wurde. Parallel formierte sich öffentlicher Widerstand gegen das Projekt, der von unterschiedlichen Teilen der Zivilgesellschaft getragen war. Dazu gehörten besorgte Menschen aus der Nachbarschaft genauso wie friedlich Demonstrierende, aber auch militante Gruppen waren dabei, die nicht davor zurückgeschreckt sind, Angehörige unserer Belegschaft tätlich anzugreifen.

Während wir diese Einzeltaten entschieden ablehnen, begrüßen wir das friedliche Engagement der Menschen, die sich für den Walderhalt einsetzen, ausdrücklich – auch wenn es unserem Vorhaben zuwiderläuft. Der demokratisch geführte und faktenbasierte Austausch, das gemeinsame Ringen um die für alle beste Lösung, sind die entscheidenden Voraussetzungen für eine Gesellschaftsform, die sich weltweit positiv entwickelt. Ein Leben ,im Einklang mit der Natur‘ ist nicht möglich, jedenfalls nicht mit einer Weltbevölkerung von bald 10 Millarden Menschen.

Umso mehr müssen nachhaltige Strategien für die Balance sorgen zwischen den natürlichen Ressourcen und den Konsumbedürfnissen einer zivilisierten Menschheit. So lässt sich nachvollziehen, dass die gültige Rechtsprechung vor dem Hintergrund des Klimawandels nachbetrachtet werden muss. Denn wir als langfristig planendes Unternehmen sind auf gültige Gesetze angewiesen, auf die wir uns verlassen können müssen.

Selbstverständlich agieren wir als traditionsreiches Familienunternehmen nicht nur innerhalb des gesetzlichen Rahmens, sondern legitimieren unser Tun auch an ethisch-moralischen Überzeugungen. Das belegt unser Einsatz für Natur und Gesellschaft, der in unserer Verantwortung für das Biotop ,Steinbruch‘ und in unserer Stiftungsarbeit zum Ausdruck kommt. Dieses Engagement wird laufend auf unserer Website dokumentiert – und wurde leider zum Anlass genommen, uns ,Greenwashing‘ vorzuwerfen. Diese Geringschätzung unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber, die sich mit viel Herzblut für Flora, Fauna, Kultur und Gesellschaft der Region einsetzen, ist entmutigend und gehört zu den bittersten Erfahrungen, die wir im Laufe des öffentlichen Diskurses machen mussten.

An dessen Ende steht nun unser Entschluss, die bestehende Haldenfläche zu erweitern, auch wenn ihr ein Baumbestand von 5,5 Hektar zum Opfer fällt. Wir verstehen die emotionale Empörung, die unser Eingriff in die natürliche Landschaft auslöst, und wir wissen, dass die anstehende Rodung traurige Bilder produzieren wird, die keinen naturverbundenen Menschen unberührt lassen werden.

Die Entscheidung wurde in Abwägung aller Möglichkeiten getroffen und dient nicht – wie bis heute von vielen behauptet – der Gewinnmaximierung, sondern dem Erhalt unseres Familienbetriebes, seiner mittelständisch geprägten Unternehmenskultur, der Versorgung eines transportnah gelegenen Kundenkreises mit einem unverzichtbaren Rohstoff für unzählige Anwendungen eines lebenswerten Alltags und der sinnstiftenden Arbeit von 95 engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die unser Unternehmen ausmachen.

Allen, die sich bei der Abwägung der Vor- und Nachteile in den letzten Jahren konstruktiv eingebracht haben, gilt unser Dank. Der Oberbürgermeister Uwe Schneidewind, der zu keinem Zeit-punkt über eine Entscheidungsbefugnis verfügte, hat nach Kräften versucht, Alternativen zu vermitteln, eine öffentliche Diskussionsplattform eingerichtet, den Dialog mit Nachbarkommunen gesucht und einen Runden Tisch einberufen. Die Umweltschutzorganisationen BUND, NABU und WWF haben ihre Expertise eingebracht, die nicht nur den einzelnen Baum, sondern die gesamte Biosphäre berücksichtigt. Bürgerinnen und Bürger haben sich ehrenamtlich für das Osterholz auf die Suche nach Lösungen gemacht, statt nach Schuldigen.

Unsere eigenen Leute investierten in den letzten Jahren Tausende Stunden, um den Erhalt des Waldes und des Betriebes aufeinander abzustimmen. Die Behörden stellten sich ihrer gesetzgebenden Verantwortung und haben ihre Rechtsgrundlagen immer wieder neu überprüft. Und nicht zuletzt die friedlichen Aufrührer und Aktivistinnen, die sich mit großem Idealismus und persönlichen Entbehrungen für eine bessere Welt und eine lebenswerte Zukunft engagieren. Allen, die mit mehr als wohlfeiler Polemik in den sozialen Medien an dem Diskurs teilgenommen haben, gebührt Respekt und Dankbarkeit.

Auch wenn es niemandem gefällt: Die Entscheidung zu roden wurde getroffen. Eine Wiederaufforstung erfolgt, wie auch die Ausgleichsmaßnahmen zum Artenschutz, auf der Basis sorgfältig ausgearbeiteter und kontrollierter Vorgaben. Das ist für uns nicht nur bindend, sondern war schon immer selbstverständlich: Bislang sind auf unserem Betriebsgelände und in der Region mehr als 60.000 Bäume von uns angepflanzt worden – die ältesten davon vor rund 80 Jahren, durch die Urgroßmutter des jetzigen Geschäftsführers. Und wir geben alles, dass auch unsere heutigen Entscheidungen noch von den zukünftigen Urenkelkindern des Unternehmens gutgeheißen werden.

Wir hoffen auf ein besonnenes Vorgehen aller Beteiligten. Der Protestbewegung wünschen wir eine breite öffentliche Sympathie für ihren gewaltfreien Widerstand, der einer gesellschaftlichen Entwicklung dient und verbindliche Regeln demokratisch einfordert. Und wir wünschen unserer Belegschaft bald wieder eine verlässliche Zukunftsperspektive, einen angstfreien Arbeitsalltag und neue Schaffenskraft in Wertschöpfung für die Menschen der Region.“