Eine Frau im Unruhestand

Eine Expedition zum Südpol, ein Projekt mit Flüchtlingskindern und mathematische Frühförderung: Vom Füße hochlegen hält die pensionierte Lehrerin Dorothee Hartmann nichts.

Es soll ja Menschen geben, die nach mehr als 40 Jahren Berufstätigkeit sagen: Endlich Schluss! Füße hochlegen, ausschlafen, keinen Terminkalender mehr führen. Dazu zählt Dorothee Hartmann nicht. Nach 43 Jahren im Schuldienst, davon 28 Jahre an der Grundschule Siegelberg, schlossen sich Anfang des Jahres 2015 zum letzten Mal die Schultüren hinter ihr.

Nach der großartigen Abschiedsfeier, die vormittags von sämtlichen Kindern in der Turnhalle gestaltet wurde und mit vielen Freunden, Kolleginnen, Wegbegleitern — einschließlich Ausbildungslehrer Hill — und natürlich Tochter Suse mittags als "Riesenüberraschung" weiterging, ruhte sich die agile 66-Jährige nicht allzu lange aus.

Schon kurze Zeit später erfüllte sie sich einen Herzenswunsch. Eine Südpolexpedition führte sie in die Antarktis — keine ganz normale Reise, versteht sich. Acht Professoren waren an Bord des Eisbrechers, ebenso ein Labor. "Ich habe mich vorher gut informiert und natürlich an den Ausflügen teilgenommen." Was da entdeckt wurde, konnte anschließend gleich wissenschaftlich begutachtet werden. Dass die Anlandungen schon mal kleine Angstmomente beinhalteten, war lediglich ein kleiner Nervenkitzel am Rande. Schließlich wurden alle Teilnehmer zuvor erstklassig ausstaffiert. Spannend und großartig war es, erzählt die Beyenburgerin strahlend. Hautnahe Begegnungen mit Albatrossen, Seerobben oder Pinguinen sind auf mehr als 800 Fotos festgehalten. Die gilt es noch zu sortieren.

Apropos sortieren: Im Alltagsleben von Dorothee Hartmann gibt es bereits ein neues Projekt. Es heißt "Will-kommen" und ist eine Initiative der Bezirksregierung Düsseldorf. Diese suchte pensionierte Lehrkräfte, die in den Flüchtlings-Erstaufnahmelagern in Solingen Kontakt zu den Kindern herstellen, die hier noch nicht zur Schule gehen dürfen. Man möchte ihnen ermöglichen, Bekanntschaft mit der deutschen Sprache zu machen. Die ehemalige Schulleiterin zögerte nicht lange und entwarf bei den Vorbereitungstreffen gleich ein eigenes Konzept.

Denn "traumatisierte Kinder brauchen kein Sprachbuch und keinen Deutschunterricht", lautet ihre These. Stattdessen schlug die Vorsitzende des Turnverbandes Wuppertal, die dem Sport auch in vielen weiteren Ehrenämtern eng verbunden ist, eine spielerische Herangehensweise vor. Dazu brauchte sie nach eigenem Bekunden zunächst mal "nur eine Halle und einen Ball".

Eine Halle ist in Aussicht, dort wird's wohl auch Bälle geben, und Kinder unterschiedlicher Altersstufen lernen sicherlich schnell. Diese Idee verleitete weitere Projektteilnehmer, ihre Sichtweise aufzugreifen und Kochen oder Wanderungen durch den Wald zu planen. "Nach den Osterferien geht's los", freut sich die Beyenburgerin.

Für die Vorsitzende der "Patenschaft Tansania" und der Gruppe "Senioren helfen Senioren" gibt es sozusagen vor der Haustür immer noch was zu tun. In der Kindertagesstätte "Wühlmäuse" steht in Kürze einmal wöchentlich mathematische Frühförderung für Vorschulkinder auf dem Plan. Das passt noch in den Terminkalender von Dorothee Hartmann, die ihre Motivation mit wenigen Worten erklärt: "Man wird gefordert — und bekommt immer etwas zurück."

(Rundschau Verlagsgesellschaft)