Persönliche Erklärung des WSV-Vorstandssprechers Stücker: "Würde heute einige Dinge anders machen"
Wuppertal · Der Vorstandssprecher des Fußball-Regionalligisten Wuppertaler SV, Lothar Stücker, hat nach den finanziellen Turbulenzen der vergangenen Wochen eine persönliche Stellungnahme abgegeben. Der Wortlaut.
"In den letzten Wochen war es beim WSV ausgesprochen turbulent und völlig zu Recht erwarten Mitglieder, Fans und die Öffentlichkeit eine Aufklärung und dazu eine Perspektive, wie es weitergeht.
Da ich seit 2013 für die Finanzen des Vereins zuständig war und zusätzlich nach dem Rücktritt von Alexander Eichner seit Oktober 2016 Sprecher des Vorstandes bin, kommt diese Erklärung von mir, Lothar Stücker.
Zu Beginn erst einmal: Ja, es sind Fehler gemacht worden; Ja, es muss personelle Konsequenzen geben und Ja, wir müssen dafür sorgen, dass sich solche Turbulenzen nicht wiederholen.
Ich würde heute einige Dinge anders machen. Mit den inzwischen gesammelten Erfahrungen hätte ich beispielsweise deutlich früher die Entwicklung vom Ehrenamt zu hauptamtlichen Mitarbeitern eingeleitet. Was ich in den ersten Jahren noch nach einem 10- oder 12-Stunden-Tag und am Wochenende ehrenamtlich für den WSV leisten konnte, erfordert schon lange eine 40-Stunden-Woche.
Damit kommen wir zu einem grundsätzlichen Problem, mit dem die komplette Regionalliga zu kämpfen hat. Auf der einen Seite braucht man einen professionellen Mitarbeiterstab, auf der anderen Seite würde man am liebsten möglichst viel Geld in die 1. Mannschaft investieren.
Heute weiß ich, dass wir die Geschäftsstelle zu spät mit dem notwendigen Personal ausgestattet haben. Heute arbeiten dort 4 Vollzeitkräfte, 2 Azubis und ein Student. Es gibt klare Aufgabenzuordnungen, so dass Probleme frühzeitig erkannt werden können. Das war vor zwei Jahren noch völlig anders.
Außerdem haben wir auch im Vorstand zu viele personelle Wechsel erlebt. Damit hat es zu viele unterschiedliche Strategien und Ansprechpartner auch für unsere Sponsoren gegeben. Eine fehlende Nachhaltigkeit wird uns hier zu Recht vorgeworfen.
All diese kleinen Bausteine haben ihre Spuren in unserer Bilanz hinterlassen. Durch die Insolvenzkosten, Investitionen in den Fuhrpark und die Jahresfehlbeträge aus den Spielzeiten von 2013/14 bis heute haben sich Darlehen in einer Gesamthöhe von 750.000 Euro angesammelt, die spätestens bis 2025 zurückgezahlt sein werden.
Kommen wir also zu der Frage, wie die Jahresfehlbeträge entstanden sind. Hier ist zunächst einmal wichtig, dass wir kein Ausgaben-, sondern ein Einnahmeproblem haben. Unser Sportvorstand Manuel Bölstler hat für jede Saison vom Gesamtvorstand und vom Verwaltungsrat einen Etat für die 1. Mannschaft erhalten, den er immer exakt eingehalten hat. Unsere Kollegin im Vorstand Maria Nitzsche ist erst seit wenigen Monaten im Vorstand und hat sich wie erhofft zur zentralen Ansprechpartnerin für unsere Sponsoren entwickelt. Manuel Bölstler war weder als Sportdirektor noch als Sportvorstand für die Finanzen zuständig. Er ist mit einem vergleichsweise kleinen Budget sehr erfolgreich gewesen; hat vom Aufstieg in die Regionalliga über Platz 11 in 16/17 in der letzten Saison Platz 3 erreicht. Jetzt war er gezwungen, Spielerverträge aufzulösen, die er gerne weitergeführt hätte. Diese Kostenreduktion war zum Wohle des WSV notwendig. Er hat sich den Sparzwängen untergeordnet und sich auch damit unglaublich loyal verhalten.
Wenn also die Ausgaben im Griff sind, warum sind dann die Einnahmen zu optimistisch geplant worden? Vorstand, Verwaltungsrat und Finanzkommission sehen sich im Rahmen der Budgetplanung die Zahlen der Vorjahre an und stellen darauf eine Hochrechnung für die nächsten 12 Monate an. Relativ verlässlich lassen sich von den Haupteinnahmequellen die Mitgliedsbeiträge planen. Die liegen bei knapp 100.000 Euro. Deutlich schwieriger ist das bei den Umsatzerlösen (Eintrittskarten, Pokal- und Freundschaftsspiele, Merchandising, Sponsoring und Spenden).
An dieser Stelle möchte ich einmal darauf hinweisen, dass ich Steuerberater bin und weder Marketingaktivitäten bewerten kann, noch in der Lage bin, unsichere Einnahmequellen zu bewerten. Ich kann sagen, wie welche Positionen verbucht werden sollen, welche steuerlichen Auswirkungen das hat und welche Vorgehensweise für den WSV sinnvoll ist. Aber die Vielzahl an Sonderfaktoren, die vom Wetter über Fernsehübertragungen bis zum ungünstigen Spielplan reichen, sowie die Einnahmeverluste durch nicht vorhersehbare Störfaktoren, konnte ich nicht vorhersehen.
Daher versuchen wir, im Vorfeld möglichst viele Fragen zu stellen und dafür Antworten zu finden: Wird es gelingen, ein Freundschaftsspiel gegen einen Bundesligisten zu vereinbaren? Werden die zuschauerintensiven Heimspiele im Sommer oder im Winter stattfinden? Wie wird dem vorhandenen sportlichen Erfolg Rechnung getragen? All diese Faktoren beeinflussen die Planung enorm.
Dazu nur einmal das Beispiel mit den Heimspielen gegen RWE. Wir haben bei gutem Wetter schon mehr als 13.000 Zuschauer im Stadion am Zoo begrüßen können. Beim letzten Heimspiel waren es bei 3 Grad und Dauerregen aber nur 4.557 Gäste. Wenn man von rund 10 Euro Umsatz pro Besucher ausgeht, sind allein bei diesem einen Spiel mehr als 80.000 Euro weniger eingenommen worden. Kalkuliert hatten wir übrigens 8.000 Zuschauer.
Daher werden bei der Prognose für die nächste Saison die Vergleichswerte von mehreren Vorjahren herangezogen, um einen Mittelwert zu errechnen, bei dem sich positive und negative Sonderfaktoren wieder ausgleichen. Dabei ist mir nicht aufgefallen, dass die Vorjahreswerte zwar richtig gebucht, in einer Jahrestabelle aber teilweise nicht richtig zusortiert waren. Daher sind wir von zu hohen Vorjahreswerten ausgegangen und haben damit die Erwartungen für die Saison 2018/19 zu hoch angesetzt. Diese Planwerte haben wir Ende Dezember 2018 korrigiert.
Zudem hat sich die Einnahmesituation bezüglich der tatsächlichen Zuschauereinnahmen grundsätzlich verschlechtert. Im sportlichen Bereich arbeitet Manuel Bölstler hervorragend. Demzufolge wurden wir im letzten Jahr Tabellendritter in der Regionalliga. Ein ähnlicher Erfolg ist sehr lange her. Dies und die Tatsache, dass der Meister dieser Saison direkt aufsteigt, hat uns, völlig begründet, einen höheren Zuschauerschnitt planen lassen. Zusammen mit weiteren Korrekturen und bisher nicht umgesetzten Maßnahmen zur Einnahmengewinnung ergab sich dann die bekannte Summe von 260.000 Euro.
Bei dieser Finanzlücke, die wir gerade gemeinsam erfolgreich geschlossen haben, handelt sich um eine rein theoretische Zahl. Die Gutachter haben ermittelt, wie viel Geld bis zum Saisonende 2018/19 notwendig ist und wie viel davon bereits finanziert ist. So ist man auf die 260.000 Euro gekommen, die bis zum 30. Juni 2019 rein theoretisch fehlen, wenn bis dahin kein einziger Euro mehr zusätzlich eingenommen wird.
Jeder Euro, der also beispielsweise durch Pokalspiele erwirtschaftet wird, kommt zusätzlich in die Kasse und reduziert die 260.000 Euro. Das Spiel gegen Wattenscheid war zum Zeitpunkt des Erstellens des Gutachtens noch fraglich; es wurde also nicht mit eingerechnet. Hier wird jeder Euro Einnahme den Fehlbetrag weiter verringern. Das Gleiche gilt für jedes Heimspiel, zu dem mehr als 1.500 Zuschauer kommen. Sollten es allerdings weniger als die kalkulierten 1.500 Zuschauer sein, erhöht sich der Fehlbetrag wieder. Meiner Meinung nach ist mit dem Ansatz von durchschnittlich 1.500 Zuschauern nun der absolute Bodensatz erreicht.
Der WSV war also nicht zahlungsunfähig, sondern die Prognose für die nächsten Monate war nicht positiv und hätte so zu einer Insolvenz führen können. Diese Gefahr ist jetzt gebannt und wir können nicht nur bis zum Saisonende planen, sondern auch für die Saison 2019/20.
Was passiert jetzt mit den 260.000 Euro? Zunächst einmal müssen wir die Widerrufsfrist von 14 Tagen abwarten. Erst danach wird das Geld von dem Betreiber der Crowdfunding-Plattform an den WSV überwiesen. So lange wird das Geld auf einem Notar-Anderkonto verwahrt. Danach werden wie angekündigt die 60.000 Euro an Altlasten bezahlt. 100.000 Euro entlasten den Etat durch verringerte Personalkosten und die restlichen 100.000 Euro sorgen dafür, dass auch in der spielfreien Zeit (nach dem letzten Heimspiel am 18. Mai bis 30. Juni kommen keine Einnahmen mehr) alle Zahlungen ausgeführt werden können.
Wie sehen die nächsten Schritte aus? Neben den Planungen für einen Mitglieder-Talk, die Danke-Party und das Pokalspiel am 10. Februar laufen natürlich auch die Vorbereitungen für die nächste Saison. Mit den personellen Veränderungen im Kader der 1. Mannschaft, die jetzt in der Winterpause vorgenommen worden sind, wird bereits deutlich, dass wir in der Saison 2019/20 mit einem verringerten Budget arbeiten werden. Daher sind auch 5 Spieler aus der Jugend im Moment mit im Trainingslager.
Dieser Aufenthalt unserer Mannschaft in Belek ist übrigens komplett extern finanziert und belastet nicht unseren Haushalt. Ein Verzicht auf das Trainingslager in dieser Form hätte also auch keine Entlastung unseres Budgets bedeutet.
Wichtig ist aber, dass wir dank der sehr erfolgreichen Crowdfunding-Aktion in Ruhe planen können. Es gibt keine offenen Rechnungen und keine Altlasten. Aber natürlich wird der Etat durch die Darlehnsraten belastet. Daher werden alle Zusatzeinnahmen der nächsten Monate dafür eingesetzt werden, einen finanziellen Puffer aufzubauen und möglichst auch Darlehn vorzeitig zurückzuzahlen.
Fazit: Die Kombination aus einer witterungsbedingt spielfreien Zeit von 5 Monaten zum Ende der letzten Saison mit einem Spielplan in der laufenden Saison, der sämtliche attraktiven Spiele auf ungünstige Termine gelegt hat, dazu Montagsspiele, die im TV übertragen worden sind und den zuvor geschilderten von vorn herein zu hohen Erwartungen an die Einnahmen aus Eintrittsgeldern hat zu deutlichen Mindereinnahmen geführt.
Im Namen des Gesamtvorstandes und des Verwaltungsrates danke ich noch einmal ausdrücklich allen Fans und Sponsoren für die beeindruckende Unterstützung im Rahmen der Crowdfunding-Aktion. Das war eine Demonstration der rot-blauen Einheit, die weit über die Grenzen Wuppertals hinaus für Aufsehen gesorgt hat und mit der unser finanzieller Engpass komplett behoben werden konnte.
Heute haben wir eine funktionierende Geschäftsstelle und eine neue Aufgabenverteilung im Vorstand. Wir werden dauerhaft von einem Gutachter begleitet, damit auch extern laufend die Finanzen des Vereins kontrolliert werden. Diese Veränderungen in der Struktur hätte ich als Sprecher des Vorstandes früher einleiten müssen.
Wir nehmen die Turbulenzen der letzten Wochen sehr ernst, haben bereits Veränderungen herbeigeführt und ziehen hieraus Konsequenzen. Das bedeutet aber auch die geschilderten Budgetkürzungen im Bereich der 1. Mannschaft. Es sind keine Einsparungen im Bereich der Jugendarbeit geplant, da sie weiter einen klaren Schwerpunkt unserer Arbeit darstellen wird. Etliche andere Budgetpositionen stehen auf dem Prüfstand. Alle Planungen und Finanztransaktionen werden von unserem Gutachter begleitet, um das Controlling weiter auszubauen.
Am 8. April 2019 ist die Jahreshauptversammlung, auf der wir sämtliche Budgetzahlen vorstellen werden. Hier werden wir auch die vergangenen Vorgänge mit den Mitgliedern offen diskutieren und auch über Konsequenzen reden."
Lothar Stücker
Sprecher des Vorstandes des WSV