Angriff eines 24-Jährigen in der S-Bahn Zivilcourage am Bahnhof
Wuppertal · Als in der S9 von Velbert zum Wuppertaler Hauptbahnhof ein 24-Jähriger plötzlich auf einen Fahrgast einprügelt, springt Jan S. dem Opfer ohne zu zögern zur Seite. Noch heute verfolgt ihn der Vorfall.
Es war ein ganz normaler Dezembertag. Jan S. (Name geändert) saß in der S9 von Velbert zum Wuppertaler Hauptbahnhof, von dort wollte er weiter zu seiner Wohnung in Oberbarmen. „Schauen Sie mal hier, mir stehen immer noch die Haare zu Berge“, zeigt der 35-Jährige auf seine Arme. Da war er gerade aus dem Gerichtssaal gekommen, drinnen wurde weiterverhandelt gegen einen 24-Jährigen aus Velbert.
Der saß an besagtem Tag im Dezember 2018 mit in der Bahn. Und schon dort war Jan S. aufgefallen, dass irgendetwas mit dem jungen Mann nicht stimmte. „Er war unruhig und hat Selbstgespräche geführt“, erinnert er sich an ein ungutes Gefühl, das ihn schon während der Fahrt umgetrieben habe. Schräg gegenüber sitzend, habe er dann gesehen, dass der Mann seinen Sitznachbarn angegangen sei. „Der hat eine Frau vergewaltigt“, habe der offenbar Verwirrte immerfort gesagt, und dabei soll er versucht haben, auf den unbekannten Fahrgast einzuschlagen. Der habe sich gewehrt, Mitreisende hätten den Angreifer abgedrängt.
Er selbst habe sich später neben das Opfer des verwirrten Angreifers gesetzt, und als man schließlich gemeinsam am Hauptbahnhof ausgestiegen sei, habe man eigentlich getrennter Wege gehen wollen, weil man geglaubt habe, die Sache sei nun ausgestanden. Aber sie ging weiter – um 15 Uhr nachmittags und auf einem Bahnsteig voller Reisender.
Der junge Mann sei ebenfalls ausgestiegen und habe sofort wieder auf sein Opfer einschlagen wollen. Dann sei er aufs Gleisbett gesprungen und habe begonnen, mit Steinen zu werfen. „Wir haben uns hinter einem Getränkeautomaten versteckt“, erinnert sich Jan S., der eigentlich hätte weglaufen können und es dennoch nicht tat, um das verängstigte Opfer der Attacke nicht allein zu lassen. Dort stehend, habe er die krachenden Einschläge der Steine gehört.
Als er – selbst auf Gleis 4 stehend – auf dem Nebengleis einen Polizeibeamten entdeckt hatte, habe er den zu Hilfe gerufen. Der Polizist sei gekommen, habe den Angreifer mitgenommen und drei Minuten später habe der schon wieder vor ihm auf dem Bahnsteig gestanden. Diesmal mit einer angespitzten Eisenstange und wild herumfuchtelnd.
„Da habe ich richtig Angst bekommen“, sagt der Wuppertaler, der als Zeuge den Tag nochmals an sich vorüberziehen lassen musste. Der Mann, dem er aus Zivilcourage beigesprungen sei, habe überhaupt nicht verstanden, was ihn da heimgesucht habe. „Der wollte einfach nur nach Hause“, erinnert sich Jan S.
Er selbst habe dann die Polizei angerufen – sieben Beamte hatten große Mühe, den verwirrten 24-Jährigen in Gewahrsam zu nehmen. „Sowas habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt – und ganz ehrlich: Ich weiß nicht, ob ich mich noch mal in so eine Situation begeben würde“, sagt er über den Moment, in dem er Zivilcourage gezeigt und einem Unbekannten geholfen hat.
Zwei Wochen sei er danach arbeitsunfähig gewesen – und über den Velberter, der an einer Psychose leidet, sagt er: „Der war auf einem anderen Planeten.“
Dem Opfer des Angriffs sei er nun im Gerichtssaal erstmals wieder begegnet – man habe die Telefonnummern ausgetauscht und wolle sich demnächst mal auf einen Kaffee treffen.
Derweilen wird im Prozess am Landgericht das Urteil erwartet – dem Angeklagten droht die Einweisung in die forensische Psychiatrie.