Verzögerte Schulsanierungen GEW: „Stück aus dem Tollhaus“
Wuppertal · Das Gymnasium Siegesstraße und die Else-Lasker-Schüler-Gesamtschule können nicht für die Sanierung der Gebäude wie geplant auf die Hardt ziehen. Das hat die Verwaltung am Montag (11. Januar 2021) bekanntgegeben. Die Reaktionen aus der Stadt.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) spricht von einem „Skandal“: „Wieder soll der Umzug für die Sanierung um ,mehrere Jahre‘ verschoben werden. Und das alles wegen offensichtlicher Fehlplanungen des Gebäudemanagements. Wurde gegenüber dem Rat der Stadt der Abriss der ehemaligen PH im Juni 2020 noch als alternativlos hingestellt und der Aufbau von 300 Containern als beste Lösung angepriesen, kommt nun heraus, dass die Container für den Umzug im Sommer 2021 noch gar nicht bestellt sind, Baupläne nicht existieren und das geplante Paket von Abriss der alten Pädagogischen Hochschule und Aufbau von 300 Containern an gleicher Stelle eh zu teuer wird.“
Man habe sich vehement für den Erhalt der ehemaligen Pädagogischen Hochschule für die schulische Nutzung eingesetzt: „Nicht nur um das historische Gebäude zu erhalten, sondern auch, um den betroffenen Schulen eine bessere Übergangslösung für ihre Sanierung zu ermöglichen. Nicht nur die GEW hat spätestens seit Sommer letzten Jahres scharf kritisiert, dass keine seriöse Kostenkalkulation für die Planung des Gebäudemanagements vorliegt und der Rat der Stadt es sträflich versäumt hat, diese einzufordern. Wenn jetzt auch noch herauskommt, dass der Abriss ohne eine Bauplanung und ohne eine Zusage für die Lieferung von Containern einfach mal eben begonnen wurde, gleicht das schon einem ,Stück aus dem Tollhaus‘.“
Die GEW fordert den Oberbürgermeister auf, den Abriss sofort zu stoppen, eine gründliche Bestandsaufnahme vorzunehmen und Stadtrat, Schulgemeinden und Öffentlichkeit seriös und nachvollziehbar zu informieren und in das weitere Vorgehen einzubeziehen: „Noch ist es möglicherweise nicht zu spät, diesen wahnwitzigen Plan des letzten Jahres gründlich zu korrigieren. Wir erneuern unsere Forderung, die ehemalige Pädagogische Hochschule für die schulische Nutzung zu erhalten.“
Die CDU fordert „eine vollständige, lückenlose Aufklärung und Aufarbeitung des gesamten Vorgeschichte“. Das gelte zum einen für die Kostensteigerung im Zeitraum von November 2020 bis heute, die fast einer Verdoppelung gegenüber der letzten Schätzung gleichkomme, aber auch für die Probleme bei der Genehmigung und der erfolglosen Suche nach einem Hersteller von Containern mit Typenzulassung: „Gefordert wird jetzt außerdem eine Organisationsuntersuchung der internen Prozesse, um solche Vorfälle für die Zukunft auszuschließen. Künftig erwarten wir zudem eine zeitnahe Information und Einbeziehung des Fachausschusses und des Betriebsausschusses. Die Betriebsleitung des GMW soll möglichst bald in die Fraktion eingeladen werden, um Rede und Antwort zu stehen. Darüber hinaus denkt die CDU-Fraktion daran, gegebenenfalls Akteneinsicht zu beantragen.“
Dilek Engin, schulpolitische Sprecherin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD: „Diese Nachricht ist ein heftiger Schlag in das Kontor. Die Zeitpläne für die Sanierungen des Ganztagsgymnasiums Johannes Rau und der Gesamtschule Else Lasker-Schüler werden dadurch nach hinten verschoben werden müssen. Die bisher beschlossenen Planungen basierten allem Anschein nach auf unzureichender Berücksichtigung von Genehmigungsverfahren und falscher Kostenschätzungen. Dass diese aufgearbeitet werden müssen und zukünftig nicht mehr vorkommen dürfen, liegt auf der Hand. Angesichts der ausführlichen Diskussion um den Ersatzstandort und die vielen Fragen rund um das Gebäude der ehemaligen Justizvollzugsschule, wird das Gebäudemanagement sich den Vorwurf des Vertrauensverlustes gefallen lassen müssen. Dennoch, und gerade deshalb, sind nun neue und auch verlässliche Zeitpläne wichtig, wie die Sanierungen der beiden weiterführenden Schulen organisiert werden können. Ich erinnere daran, dass beide Schulen seit Jahren auf ihre dringenden Sanierungen warten. Wir werden mit Nachdruck darauf drängen, dass die Verwaltung die entsprechenden Schritte abarbeitet und verlässliche und straffe Zeitpläne vorlegen wird.“
Für die Grünen erklärt die Fraktionsvorsitzende Yazgülü Zeybek: „Wir haben zuletzt im Juni letzten Jahres für den Abriss des Gebäudes auf der Hardt und den Neubau einer temporären Schule aus Containern gestimmt. Dies geschah vor dem Hintergrund der vom GMW geschilderten Kosten- und Zeiteinsparungen gegenüber einer Sanierung des alten Gebäudes. Jetzt steht wohl fest, dass weder der Kosten- noch der Zeitplan eingehalten werden kann. Es ist jetzt wichtig, die Abläufe im GMW zu analysieren, um solche groben Planungsfehler in der Zukunft zu verhindern und das Vertrauen wieder herzustellen, denn es sind noch weitere Schulen zu sanieren."
Die schulpolitische Sprecherin Caterina Zinke: „Massive Kostensteigerungen und eine falsche baurechtliche Beurteilung durch die Verwaltung führen nun zum Stopp des Schulbaus. Die Sanierung der ,Else‘ und des Johannes-Rau-Gymnasiums soll nach aktuellen Informationen um Jahre nach hinten verschoben werden. Das ist für die beiden Schulen ein harter Schlag, eine weitere lange Verzögerung unzumutbar. Die Sanierung der ,Else‘ und des Johannes-Rau-Gymnasiums muss schnellstmöglich erfolgen, das ist jedenfalls unser oberstes Ziel bei den kommenden Beratungen. Wir werden alle Handlungsoptionen genau prüfen und beurteilen.“
Susanne Herhaus, Vorsitzende der Ratsfraktion der Linken: „Bereits im November des vergangenen Jahres hat die Linke im Rat ein Moratorium zur Aussetzung der Asbestsanierung der Gebäude auf der Hardt und ein erneutes unabhängiges Gutachten über die Kosten gefordert. Dies wurde von der Ratsmehrheit abgelehnt. Im Hinblick auf die neuesten Informationen aus dem Gebäudemanagement, erneuern wir unsere Forderungen. Die Arbeiten an den Gebäuden der ehemaligen Pädagogischen Hochschule müssen sofort gestoppt werden.“ Der Fraktionsvorsitzende: „Es ist ein Skandal, dass das Gebäudemanagement erst jetzt darüber informiert, dass weder Kosten- noch Zeitplan einzuhalten sind. Seit dem Ratsbeschluss vom 22./24 Juni stellten sich immer neue Fragen zu Kosten und Zeitplan für die Containerlösung und zum möglichen Erhalt der historischen Gebäude. Nun stellt sich heraus, dass die Kosten für die Container sich verdoppeln und Aufstellungsgenehmigungen nicht existieren.“
Karin van der Most (FDP, Vorsitzende des Ausschusses für Schule und Bildung): „Wir sind bestürzt angesichts der aktuellen Information des GMW über eine deutliche Abweichung der Kosten- und Zeitplanung für die Containeranmietung zum Zwecke der schulischen Zwischennutzung auf dem Gelände der ehemaligen pädagogischen Hochschule … Mir ist völlig unverständlich, warum die Anmietung der Container mehr als doppelt so teuer sein soll als vom GMW noch vor wenigen Wochen veranschlagt und warum der Zeitablauf der Baugenehmigung so falsch vom GMW eingeschätzt wurde. Wusste beim GMW niemand, dass für den Bauantrag Einzelfallgenehmigungen für die Container vorliegen müssen? Der Stadtrat jedenfalls wurde über diese Risiken nicht informiert. Der Zeitvorteil der Containerlösung scheint nicht aufzugehen. Für die betroffenen Schulen ist das eine katastrophale Nachricht. Beide Schulen sind in einem schlechten Zustand und warten seit Jahren auf die Sanierung ihrer Gebäude. Wir haben uns in der Ratssitzung im Juli und auch im Dezember für die vom GMW vorgeschlagene Variante des Abrisses des Gebäudes der ehemaligen PH auf der Hardt und der Aufstellung von Mietcontainern für die Zwischennutzung der Schulen ausgesprochen, weil wir keine weitere zeitliche Verzögerung für den Beginn der Schulsanierungen riskieren wollten. Beide Schulen warten schon mehr als sechs Jahre auf eine dringend notwendige Sanierung. Zudem wurde uns diese Variante vom GMW als kostengünstiger dargestellt als die Sanierung und Herrichtung des Bestandsgebäudes auf der Hardt für eine schulische Zwischennutzung. Wir haben uns auf eine belastbare Planung des GMW verlassen. Dass wenige Wochen später sowohl die Kostenberechnung als auch der Zeitablauf komplett infrage gestellt werden müssten, werfe kein gutes Bild auf das Projekt- und Risikomanagement des GMW. Hier müssen nach Ansicht der Freien Demokraten dringend die Prozesse und Abläufe infrage gestellt und verbessert werden.
Van der Most: „Wir erwarten jetzt in den nächsten Wochen eine belastbare Perspektive für die Schulsanierung und außerdem Vorschläge, mit welchen Reparatur- und Verschönerungsarbeiten die Schulgebäude bis zum Zeitpunkt der Gesamtsanierung so ertüchtigt werden können, dass der Aufenthalt in diesen Gebäuden zumindest etwas angenehmer wird. Graue, öde, marode und kaputte Schulen sollten wir unseren Schülern und Schülerinnen und auch den Lehrern und Lehrerinnen nicht länger zumuten.“ Die Vorsitzende des Ausschusses für Schule und Bildung kündigt die Einberufung einer zeitnahen Sondersitzung an.
Henrik Dahlmann (Freie Wähler/WfW) in einem Antwortschreiben auf die Anfrage der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft: „Wie Sie hoffentlich wissen, haben sich auch die Freien Wähler Wuppertal seit Beginn der Debatte um die ehemalige pädagogische Hochschule dafür eingesetzt, dass diese erhalten bleibt und möglichst weiterhin als Ausweichstandort für zu sanierende Schulen genutzt wird. Deshalb haben wir mehrere Anfragen und Anträge gestellt und in Gesprächen mit Politik und engagierten Bürgerinnen und Bürgern daran gearbeitet, die Weiternutzung als Schulausweichstandort zu sichern. Selbstverständlich haben wir auch in den Ratsgremien dementsprechend abgestimmt. Leider wurde unsere Forderung, die ich persönlich ja auch im OB-Wahlkampf vertreten habe, von fast allen politischen Mitbewerbern nicht nur nicht geteilt, sondern als verantwortungslos gegenüber den auf die Sanierung ihrer Schulen wartenden Schülerinnen und Schüler bezeichnet. Dies haben die Freien Wähler selbstverständlich zurückgewiesen, denn gerade unsere Verärgerung über die jahrzehntelange Vernachlässigung der städtischen Schulgebäude und unser Wunsch, möglichst schnell und reibungslos weitere Gesamtsanierungen von Schulgebäuden durchzuführen war einer der Gründe, warum wir der Meinung sind, dass nach den sehr positiven Rückmeldungen des WDG an diesem Standort weitere Schulen ein Ausweichquartier finden sollen. Zum Schluss der politischen Debatte zum Standort ehemalige pädagogische Hochschule haben wir geäußert, dass wir an eine Inbetriebnahme der Containerschule im vorgestellten Zeit- und Kostenrahmen schlichtweg nicht glauben und ein Scheitern des so beschlossenen Projektes befürchten. Nach knapp drei Monaten haben sich unsere schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet. Auch wir haben aus der Zeitung entnehmen dürfen, dass das GMW das Projekt in den Sand gesetzt hat. Dazu hat es am heutigen Morgen eine Sondersitzung des Verwaltungsvorstands mit den Fraktionen gegeben, in dem dies etwas genauer erläutert wurde. Laut Herrn Oberbürgermeister Schneidewind und der Leiterin des GMW wurden die Abrissarbeiten gestoppt und damit begonnen, das Gebäude ,wetterfest‘ zu machen. Denn - Wunder geschehen - auf einmal ist auch eine Sanierung der ehemaligen pädagogischen Hochschule wieder im Gespräch. Bis zur nächsten Ratssitzung sollen dazu belastbare Informationen vom GMW geliefert werden, damit dieses Mal eine Abstimmung des Rates mit realistischen Zahlen, Daten und Fakten ermöglicht wird. Zu diesem Thema wird es am Donnerstag auch eine Sondersitzung des Schulausschusses im digitalen Format geben. Ich möchte Ihnen versichern, dass wir genau so verärgert sind wie Sie. Denn das nun eingetretene Szenario ist genau das, wovor wir von Anfang an gewarnt haben. Die Freien Wähler/WFW unterstützen Ihre Forderungen deshalb in vollem Umfang und wir werden dafür kämpfen, dass die Schülerinnen und Schüler schnellstmöglich für die dringendst nötigen Schulsanierungen ein gutes Ausweichquartier erhalten. Und wir waren immer und sind immer noch der Meinung, dass jahrelanges Lernen im Container kein adäquater Ersatz für ein richtiges Schulgebäude ist!“