Landgericht Wuppertal Prozess wird neu aufgerollt: Täter oder Opfer?

Wuppertal · Der Prozess gegen einen wegen Vergewaltigung in der Ehe verurteilten Wuppertaler wird auf Veranlassung des Bundesgerichtshofs neu aufgerollt. Der aus Tunesien stammende Mann sieht sich als Opfer eines „manipulativen Vernichtungsfeldzugs“ seiner Ex-Frau.

Das Wuppertaler Landgericht.

Foto: Achim Otto

Der Prozess begann mit einem Paukenschlag: Hat das Opfer die Vergewaltigungsvorwürfe erfunden, um sich im Sorgerechtsstreit um den gemeinsamen Sohn einen Vorteil zu verschaffen?

Bereits im Februar 2020 war ein in Wuppertal lebender Tunesier zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Der mittlerweile 28-Jährige soll seine deutlich ältere, deutsche Ex-Frau während des Zusammenlebens mehrfach sexuell genötigt und vergewaltigt haben. Schon bei der ersten Verhandlung vor dem Landgericht hatte der Angeklagte die Taten vehement bestritten. Nachdem der Antrag auf Revision beim Bundesgerichtshof erfolgreich war und der Prozess jetzt neu aufgerollt werden muss, ließ der Tunesier seine neu hinzugezogene Anwältin Andrea Groß-Bölting eine Erklärung verlesen, die es in sich hatte.

Demnach sei es vielmehr dessen Ex-Frau als vermeintliches Opfer gewesen, die den erheblich jüngeren Mann in der ungleichen Beziehung habe kontrollieren wollen. Kennengelernt habe man sich auf einem Facebook-Portal. Ziemlich bald habe die Frau den damals in Tunesien lebenden Angeklagten dazu gedrängt, auf ihre Kosten eine Ferienwohnung und ein Auto zu mieten. Angereist sei sie in Vollverschleierung und schon damals habe ihr Mandant nur so viele Freiheiten gehabt, wie seine spätere Ehefrau ihm eingeräumt habe.

Aus Sicht der Anwältin sei es so gewesen, dass „die biologische Uhr“ der Frau getickt und sie es darauf angelegt habe, vom Angeklagten schwanger zu werden. Das sei dann auch wenige Monate später so gekommen – und auch dann soll es die ältere Ehefrau gewesen sein, die den Tunesier zur Übersiedlung nach Deutschland gedrängt und alle Formalitäten in der deutschen Botschaft geregelt habe. Hier angekommen, soll die Frau den Mann davon abgehalten haben, die Wohnung zu verlassen.

„Sie hatte die Führung in meinem Leben übernommen“, ließ der Angeklagte durch seine Anwälte mitteilen. Der Sex sei einvernehmlich gewesen, von Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen könne keine Rede sein. Nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes habe sich die Beziehung verändert, seine Ex-Frau habe ihn von dem Kind fernhalten wollen, mit dem sie selbst symbiotisch verbunden gewesen sei.

Als er nach Tunesien geflogen sei, habe sie ihn dennoch vorzeitig zurückgerufen und das Flugticket bezahlt. Mehrfach sei man zusammen umgezogen – auch in der Zeit, in der die von der Anklage vorgeworfenen sexuellen Übergriffe stattgefunden haben sollen. Die Ex-Frau habe alle Handlungsoptionen gehabt, um sich vom Angeklagten zu trennen – und es dennoch nicht getan, so die Anwältin. Im Gegenteil, sie habe ihren Mandanten sogar noch davon abgehalten, eine eigene Wohnung zu beziehen, die er sich mit Unterstützung des Jobcenters gesucht haben soll. Stattdessen habe sie unbedingt ein zweites Kind von ihm gewollt und damit gedroht, andernfalls seine Aufenthaltserlaubnis nicht verlängern zu lassen.

Als der Angeklagte ihr den Wunsch seiner Familie mitgeteilt habe, den gemeinsamen Sohn beschneiden zu lassen, habe das vermeintliche Opfer aus Sicht der Verteidigerin einen „manipulativen Vernichtungsfeldzug“ gestartet und schließlich mit den erhobenen Vergewaltigungsvorwürfen „die letzte Eskalationsstufe gezündet“, um ihn von dem gemeinsamen Kind fernzuhalten.

Aus Sicht der Verteidigung handelt es sich bei den vom vermeintlichen Opfer erhobenen Anschuldigungen um eine Falschbelastung. Dem wird das Gericht nun jenseits der Anklagevorwürfe nun inmitten einer umfangreichen Beweisaufnahme nachgehen müssen.