Wolfgang Krogmann zum Wuppertaler Standort und der Kritik am Unternehmen Primark-Chef: "Preise sagen nichts über Ethik"
Wuppertal · Primark ist in zehn europäischen Ländern und in den USA mit über 315 Geschäften vertreten. Für den Textil-Discounter arbeiten weltweit mehr als 62.000 Menschen — in Deutschland zurzeit über 5.000.
Am Mittwoch (9. November 2016) legt Primark den Grundstein für sein Gebäude am neuen Döppersberg. Grüne und Linke haben aus Protest die Einladung dazu nicht angenommen. Eine Woche zuvor unterhielten sich Rundschau-Redaktionsleiter Hendrik Walder und Rundschau-Redakteur Stefan Seitz mit Wolfgang Krogmann, dem Geschäftsführer von Primark Deutschland.
Sehr umstritten — das kann man (mindestens!) wohl mit Recht sagen über den Textil-Discounter Primark. Dessen Ansiedlung im sogenannten "Investorenkubus" auf dem unteren Bahnhofsvorplatz sorgte für monatelange heftige Diskussionen in der Stadt. Die sind (zurzeit) abgeflaut. Das fünfstöckige Gebäude wächst sichtbar, 2018 soll der Verkauf starten. 21 Filialen hat Primark in Deutschland. Wie kam man ausgerechnet auf Wuppertal — und auf den Döppersberg?
Wolfgang Krogmann, Primark-Deutschland-Chef, muss nicht lang überlegen: Wuppertal habe viele Einwohner mit breit gefächerten Kundenschichten. Auch viele, die nur wenig Geld für Mode ausgeben können oder wollen. Und bei denen (Kernzielgruppe von 15 bis 35 Jahren) sieht Primark seinen Schwerpunkt. Außerdem: "Der neue Bahnhof mit unmittelbarer City-Nähe ist als Standort sehr attraktiv. Wir wollen da sein, wo unsere Kunden und unsere Wettbewerber sind. An der Peripherie sehen wir uns nicht", so Krogmann.
Viele Kritiker hatten der Wuppertaler Stadtspitze unter Ex-OB Jung vorgeworfen, nicht intensiv nach anderen Mietern am Top-Döppersberg-Standort gesucht zu haben. Danach gefragt, wie die Verbindung zwischen Primark und Wuppertal zustande kam, sagt Geschäftsführer Krogmann: "Ein Entwickler hat eine Immobilie. Dann muss ein Händler gefunden werden, der die Miete zahlen will. Wir sind das. Ob da noch jemand anderer war, das weiß ich nicht."
Was Krogmann allerdings weiß: Die Architektur der Wuppertaler Filiale werde schön und modern — sowohl außen als auch innen. "Unsere Kunden sollen denken: Mensch, ich bin in einem tollen Laden!" Und zwar ohne irgendwelche Chemie-"Düfte": Gerade die sind Primark immer wieder vorgeworfen worden. Wolfgang Krogmann: "All das haben wir vom TÜV untersuchen lassen. Es gab keine Beanstandungen."
Dann richtet sich der Blick nach Asien — und die dortigen Produktions- und Arbeitsbedingungen: Da sind gegen Primark harte Vorwürfe in der Welt. Wolfgang Krogmann stellt sich gegen sie: "Unsere Lieferanten müssen hohe Standards in Sachen Sicherheit und sozialer Sicherung erfüllen. Es gab im vergangenen Jahr 2.600 Betriebsprüfungen bei rund 700 Lieferanten — einige davon unangemeldet. Wir suchen aktiv nach Fehlern, wollen uns ständig verbessern. Und wir unterstützen soziale und umweltschützerische Projekte in den Herstellerländern."
Also kein Lohn-Dumping? Krogmann: "Nein, wir bezahlen nach den Tarifen der jeweiligen Länder. Unser Hauptproduktionsland übrigens ist China. Von circa 4.000 Fabriken in Bangladesch sind nur rund 100 für uns tätig. Und wir akzeptieren weder nichtautorisierte Subunternehmer noch Kinderarbeit." Allerdings sei es natürlich klar, dass die spürbare Anhebung sozialer Standards in den Ländern, in denen Primark produzieren lässt, "eine weite Reise darstellt, die noch lange nicht zu Ende ist".
Wo kommen sie dann also her, die niedrigen Primark-Preise, die Kritiker als Motoren der Wegwerf-Mentalität sehen? Wolfgang Krogmann: "Primark hat eine sehr schlanke Verwaltung, macht fast keine Werbung, hat keinen Online-Shop, führt keine Sondergrößen. Und wir nehmen einen geringeren Aufschlag auf den Einkaufspreis als unsere Wettbewerber. Für die übrigens arbeiten auch 98 Prozent unserer Lieferanten. Und zwar für viele, die weit teurer als wir verkaufen."
Man merkt es Krogmann an: Dass Primark als Flaggschiff der Kritik in Sachen Billig-Textilien unter Feuer steht, macht ihm keinen Spaß. "Dass die Vorwürfe sich auf einen Großen wie uns konzentrieren, muss man akzeptieren. Aber das Wegwerf-Argument akzeptiere ich nicht. Preise sagen nichts über Ethik. Höhere Preise bedeuten definitiv nicht, dass ein Produkt ethisch wertvoller hergestellt wurde." Und weiter: "Durchschnittlich gibt ein Deutscher 500 Euro im Jahr für Textilien aus. Viele unserer Kunden müssen sehr bewusst auf den Preis achten, wollen aber trotzdem modisch angezogen sein. Ich finde es nicht in Ordnung, wenn man diesen Menschen unterstellt, sie würden ihre Kleidung sofort wieder wegwerfen. Ein niedriger Preis hat nichts mit Wegwerfen zu tun. Die Qualität unserer Kleidung jedenfalls gibt es her, dass sie lange hält."
Wie wäre es also mit einem Siegel, das deutlich macht, dass der Hersteller "in Ordnung" ist? Krogmann dazu: "Wir sind Mitglied im Textil-Bündnis, das das Bundesentwicklungsministerium angestoßen hat. Dessen Ziel sind einheitliche Standards. Ein Siegel könnte ich mir durchaus vorstellen."
Die Primark-Kritiker würde (höchstwahrscheinlich) auch das nicht zufriedenstellen... Der Deutschland-Chef: "Ich verstehe die Verbraucher. Wir sind es gewohnt, alles offenzulegen, wissen zu jedem Zeitpunkt, wo und was hergestellt wird." Und er blickt (selbstkritisch) zurück: "Heute erklären wir mehr als früher."