Schauspiel Nathan zieht in seinen Bann
Wuppertal · Mit Lessings "Nathan der Weise" gelingt dem Schauspiel eine atmosphärisch dichte Inszenierung, die die brandaktuelle Thematik packend transportiert.
1779 schrieb Lessing sein dramatisches Gedicht "Nathan der Weise", in dem es um die Konflikte zwischen Christen, Juden und Islamisten geht. Ein in die Jahre gekommener Text, der aber nichts von seiner Aktualität verloren hat. Denn heute wie damals werden Menschen wegen ihres Glaubens verfolgt und ausgegrenzt, gibt es Gewalt und Terror. Das ist die Ausgangssituation für Regisseurin Schirin Khodadadian, die eben diesen Nathan in Wuppertal auf die Bühne bringt. Und dabei kann sie sich auf ein großartiges Schauspielensemble verlassen.
Allen voran die beiden Hauptdarsteller Stefan Walz (Nathan) und Thomas Braus (Sultan Saladin), die die geballte Ladung Text mit einer unglaublichen Leichtigkeit bewältigen, Lessings Worten Brisanz verleihen, gestochen scharf artikulieren, das Stück im Hier und Jetzt ansiedeln. Auch wenn Nathan, der Jude und Saladin, der Muslim an ihren Gott glauben, zweifeln sie und sind auf der Suche nach der Wahrheit.
Mit Philippine Pachl (Sittah), Julia Reznik (Daja), Miko Greza (Klosterbruder und Derwisch) und Alexander Peiler (Patriarch) haben sie ebenbürtige Mitspieler gefunden. Für den jungen Schauspieler Lukas Mundas war die Rolle des Tempelherrn sicherlich eine Herausforderung, die er meistert. Die an manchen Stellen noch fehlende Souveränität wird er sicherlich im Laufe der Aufführungsserie noch erlangen.
Etwas gewöhnungsbedürftig und stellenweise nervend ist Lena Vogt (Recha), die barfuß und im Tutu wie ein pubertierender Teenager über die Bühne springt.
Von Beginn an setzt Regisseurin Khodadadian auf ein hohes Tempo, schafft eine Dichte und einen hohen Spannungsbogen, reißt den Zuschauer ins Geschehen hinein. Bei der Pause kann man kaum glauben, dass man bereits zwei Stunden dem Bühnengeschehen folgt. Aber sie scheint den Worten Lessings und ihrem hochkarätigen Ensemble allein nicht zu vertrauen, versucht das Stück mit Gewalt aufzupeppen. Mit Rockmusik und Gitarrensoli von Nathan, das ist lächerlich, wirkt wie eine ungeliebte Reklameeinspielung und stört den Handlungsfluss.
Carolin Mittler hat dazu ein Bühnenbild entworfen, das so simpel wie genial ist und fast ohne Requisiten auskommt. Eine rotierende Scheibe, vielleicht der Erde nachempfunden, auf der sich die Akteure mal oben, mal unten befinden, mal mit mehr und mal mit weniger Standfestigkeit.
Nathan kommt zu der Erkenntnis, dass zuerst der Mensch zählt, nicht die Religion und am Ende seines "Märchens" lässt Lessing Christen, Juden und Muslime gleichberechtigt nebeneinander stehen. Eine Vision, von der wir weiter entfernt sind als je zuvor.