"Wuppertal Institut"-Leiter Uwe Schneidewind über Primark und die Folgen "Müssen sich warm anziehen"
Der Rat hat entschieden und trotz Bürger-Protesten für den Verkauf des Bahnhofsvorplatzes an Signature Capital sowie damit auch für die Ansiedlung der Billigmodekette Primark gestimmt. Mit Uwe Schneidewind, Leiter des Wuppertal Instituts, sprach Rundschau-Redakteurin Nicole Bolz über die Bedeutung dieser Entscheidung.
Primark kommt also und wird mitten auf Wuppertals prestigeträchtigstem Vorzeigeplatz vor dem Hauptbahnhof thronen. Ein Bild mit Symbolkraft?
Absolut. Es ist interessant, dass der Rat diese Entscheidung so geschlossen gegen den deutlichen Protest vieler Bürger durchgesetzt hat. Die Debatte, die rund um die Ansiedlung von Primark geführt wird, ist eine von gesellschaftlich enormer Bedeutung. Darin spiegelt sich die gesamte Widersprüchlichkeit einer modernen Gesellschaft.
Die da wäre?
Einerseits hat der Konsum eine große Bedeutung in unserer Gesellschaft, die Freiheit, sich kaufen zu können, was man will. Auf der anderen Seite wissen wir alle über die Produktionsbedingungen Bescheid. Sowohl für die Politik als auch für Konsumenten sind diese Konflikte nicht leicht zu lösen. Gut und Böse sind nicht mehr klar verteilt. In Wuppertal wird all diese Widersprüchlichkeit nun auf einem ganz exponierten Platz deutlich.
Was meinen Sie genau?
Der alte Bahnhof mit der früheren Reichsbahndirektion ist das Sinnbild für das Wuppertal Mitte des 19. Jahrhunderts, eine wohlhabende Textilstadt mit einer bis heute großen historischen Kraft. Etwas weiter rechts haben wir als "Wuppertal Institut" unseren Sitz — ein internationaler "Think Tank", der sich mit Fragen des ökonomischen und gesellschaftlichen Wandels in aller Welt befasst. Und dazwischen Primark. Das ist ein enormes Spannungsfeld, das für viel Reibung sorgen wird. Hier zeigt sich Wuppertal mit all seinen Widersprüchen.
Sie finden das spannend?
Aber ja. Das ist kein schön gepinseltes Wuppertal. Das ist ein lebendiges Wuppertal. Die Welt, das ist nicht Wolfsburg oder Freiburg, wo alles geordnet läuft. Ich bin dankbar, dass wir unseren Sitz in einer Stadt voller Gegensätze haben— hier ist Musik drin.
Viele, unter anderem der Kölner Kardinal Woelki, haben kritisiert, dass die Marke Primark nicht zur Geburtsstadt von Friedrich Engels passt.
Wuppertals Weg ins 21. Jahrhundert kann nicht der unveränderte historische Bezug zu Engels sein. Aber eine Diskussion über Primark kann helfen, die Ideen Engels' in die heutige Zeit zu übertragen.
Die Gegner der Primark-Ansiedlung wurden schlicht ignoriert. Ein schlechtes Zeichen für die Bürgerbeteiligung?
Die Widerständler wird diese Entscheidung eher motivieren. Aber eines ist klar: Wuppertal braucht eine neue Beteiligungskultur. Für Primark wird es sicher der schwierigste Standort überhaupt, die müssen sich warm anziehen. Und vielleicht macht dieser enorme Widerstand in der Stadt etwas mit denen.
Glauben Sie das wirklich?
Ja! Ketten wie Primark verkaufen Erlebniswelten. Und die sind extrem störanfällig. Außerdem sitzen wir denen ja buchstäblich im Nacken.
Zurück zur Beteiligungskultur: Diese Woche ist ja auch "Wuppertal 3.0", eine Plattform für überparteiliche Bürgerideen, an den Start gegangen.
Das ist hervorragend für die Stadt. Denn es zeigt allen Politikern, wie unzufrieden die Wuppertaler mit den Entscheidungsprozessen in der Stadt sind. Vermutlich wird die Bürgerbeteiligung daher bei jedem OB-Kandidaten ein Wahlkampfthema sein. Jeder weiß: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Noch einmal geht das nicht gut.
Sie klingen bei allem sehr optimistisch.
Stimmt. Diese Stadt hat Kraft. Es gibt immer wieder spannende Bewegungen und aktiven Widerstand statt Frust. Wuppertal hat Esprit und packt die Dinge an, das macht mich optimistisch!
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