Ein unvollendetes Lebenswerk
In der Nacht auf Mittwoch ist der ehemalige Oberbürgermeister Hans Kremendahl gestorben. Der SPD-Politiker hatte sich wenige Tage zuvor einer Operation unterzogen und war eigentlich schon wieder auf dem Wege der Besserung.
Ein Nachruf von Hendrik Walder.
Ich sehe ihn immer noch am Tunnelausgang stehen, Zigarette rauchend, allein und ein wenig verloren wirkend. Über Monate hatte ihn die SPD als ihren Oberbürgermeisterkandidaten angekündigt. Als einen gebürtigen Wuppertaler, der eine beachtliche politische Karriere aufweise. Und jetzt stellte man ihn der Presse am Döppersberg vor. Dr. Hans Kremendahl, Wissenschaftsstaatssekretär aus dem Berliner Senat, den hier niemand kannte.
Doch die Wuppertaler arrangierten sich schnell mit seiner etwas spröden Art, seiner unfreiwillig komischen Körpersprache und seiner Unfähigkeit zum inhaltslosen Small Talk. Denn er überzeugte in seiner neuen Funktion als strukturell denkender Verwaltungschef ebenso wie als geschliffener Rhetoriker mit klaren politischen Vorstellungen und dem Wissen darum, wie man diese umsetzt. Dass ein Oberbürgermeister (etwa im Karneval) auch bei volkstümlichen Aktionen dabei zu sein habe, befahl ihm sein politischer Instinkt, doch wahre Bürgernähe bewies er viel authentischer im Gespräch unter vier Augen, wenn es um individuelle Problemstellungen ging.
Kremendahl konnte gutmütig sein, gelegentlich aber auch blauäugig. Das rächte sich bitter mit der Teilnahme an der berüchtigten "Rotweinrunde" im Hause des Unternehmers Uwe Clees. Im Vorfeld der Kommunalwahl '99 hatte dieser im Laufe des Abends eine sechsstellige Wahlkampffinanzierung zugesagt. Zweimal jagte die Wuppertaler Staatsanwaltschaft Kremendahl erfolglos in einen Bestechungsprozess, den nochmaligen Revisionsantrag lehnte der Bundesgerichtshof 2008 ab — doch trotz der Freisprüche war Kremendahl politisch "verbrannt". Er hatte sich auch für wohlmeinende Bürger angreifbar gemacht und unterlag 2004 unter dem Damoklesschwert einer drohenden Verurteilung Peter Jung.
In den folgenden zehn Jahren engagierte sich der Alt-OB bei der Wuppertaler Tafel, bei der Arbeiter-Wohlfahrt und beim Wuppertaler SV. Jeweils in ehrenwerter Mission und doch immer unter seinen Möglichkeiten. Denn sein politisches Talent, sein intellektueller Sachverstand, den die Stadt gut hätte gebrauchen können, lag brach.
Wenn ich Hans Kremendahl zuletzt auf Veranstaltungen traf, war er oft allein, etwas verloren wirkend. Mit seinen Fähigkeiten hätte Wuppertals erster hauptamtlicher Oberbürgermeister zur Legende werden können. Stattdessen bleibt er im Bewusstsein vieler Bürger als tragische Figur haften.