Mittelstand: Wie kann die digitale Transformation gelingen?
In einer Industrienation wie Deutschland sind die Voraussetzungen eigentlich ideal, um die Herausforderungen der digitalen Zukunft zu meistern. Doch während immer mehr kleine und mittelständische Unternehmen die digitalen Technologien akzeptieren, ist die Bereitschaft zu den dafür notwendigen Investitionen noch unzureichend.
Wie steht es in Deutschland um die Digitalisierung des Mittelstandes? Wie kann die Transformation gelingen und wie kann die Politik unterstützen?
Der deutsche Mittelstand befindet sich im größten Umbruch der jüngeren Geschichte: Digitale Technologien bestimmen zunehmend alle Lebensbereiche und sie werden auch in mittelständischen Unternehmen in Deutschland zunehmend unverzichtbar. Damit verbunden sind tiefgreifende Veränderungen, die nur mit Investitionen und Know-how zu bewerkstelligen sind. Vor allem in Sachen Investitionen tun sich Unternehmen in Deutschland jedoch noch schwer: So erklärt Sabine Bendiek, Vorsitzende der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland, im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, dass zwar "70 bis 80 Prozent der kleinen und mittleren Firmen Digitalisierungsprojekte machen", aber das durchschnittliche Investitionsvolumen lediglich "bei 10.000 Euro" liegt.
Nach einer unzureichenden Internetleitung (40 Prozent) ist der hohe Investitionsbedarf für 38 Prozent der Unternehmen das größte Digitalisierungshemmnis. Dies wirft die Frage nach den Gründen auf. Denn an Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten mangelt es in der Bundesrepublik beileibe nicht: Neben Bankkrediten existieren inzwischen umfassende Förderprogramme des Bundes sowie alternative Finanzierungsmöglichkeiten — etwa Crowdlending über Plattformen wie Funding Circle.
Ein Grund für die derzeitig zögerlichen Investitionen könnte der bevorstehende Generationswechsel sein, der sich in zahlreichen kleinen und mittelständischen Firmen abzeichnet: So steht nach Angaben der Zeitung "Die Welt" in 39 Prozent der mittelständischen Unternehmen in den kommenden fünf Jahren ein Generationswechsel an. Von der Verjüngung der Firmenspitze verspricht sich ungefähr die Hälfte der Chefs, dass der Führungswechsel "neuen Schwung" in den Digitalisierungsprozess bringt. Denn die jungen Chefs sehen die digitale Welt optimistischer als ihre Vorgänger, eher als Chance statt als Hürde. Das belegt die Studie "Next Generation: neues Denken für die Wirtschaft", der zufolge sogar 62 Prozent der befragten Next-Generation-Chefs erwarten, dank der Digitalisierung neue Geschäftsfelder erschließen zu können. Der Optimismus der jungen Generation zeigt sich auch in der Bereitschaft, höhere Investitionen in neue Technik und digitale Lösungen zu tätigen.
An dieser Stelle ist die Politik in der Pflicht: Sie muss die infrastrukturellen Voraussetzungen für diese Investitionen schaffen und bürokratische Hürden abbauen. Betrachtet man das Digitalisierungsniveau der Bundesrepublik im Vergleich zu anderen EU-Staaten, erscheinen diese Forderungen umso dringender: Denn Deutschland belegt im "Digital Economy and Society Index" (DESI) der Europäischen Union mit dem elften Platz noch längst keine Top-Position. Am weitesten ist die Digitalisierung in Dänemark, Finnland und Schweden fortgeschritten. Dementsprechend ist die Digitalisierung auch Wahlkampfthema. Erst kürzlich erklärte Kanzlerkandidat Martin Schulz (SPD) in einer Rede zur Wirtschaftspolitik, dass "kleine und mittlere Unternehmen beim Wandel auch mit staatlichen Geldern" unterstützt werden müssten.
"Ich werde nach der Bundestagswahl das Thema Digitalisierung zur Chefsache machen", zitiert ihn die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Ähnliche äußerte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im März dieses Jahres: Sie erklärte, bei einer Wiederwahl im Herbst "die Digitalisierung von Wirtschaft, Verwaltung und Bildung stärker als bisher vorantreiben" zu wollen. Auch der Breitbandausbau ist weiterhin ein Thema: Noch immer stellt die mangelhafte Internetgeschwindigkeit gerade in ländlichen Regionen ein wesentliches Digitalisierungshemmnis dar. Zunächst müssen die infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen werden, damit Unternehmen in weniger städtischen Regionen sinnvoll in die digitale Zukunft investieren können. In welcher Geschwindigkeit sich dieser Prozess letztlich vollziehen wird und wann Deutschland im EU-weiten Digitalisierungsranking wirklich aufholt, bleibt abzuwarten.
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