Weltkinder- und Jugendbuchtag „Gute Literatur eröffnet Welten“
Wuppertal · Zum Weltkinder- und Jugendbuchtag (2. April 2024) hat Schulreferentin Beate Haude einige Literaturtipps für den Religions- und Konfirmandenunterricht.
Bücher begleiten in jedem Lebensalter, auch in Zeiten von Social Media. Nach wie vor spielen sie in der Schule eine zentrale Rolle – und damit auch für das Schulreferat des Kirchenkreises. „Wir sind ständig auf der Suche nach guten Bilderbüchern für die Schulneulinge, Büchern für Jugendliche, mit denen sich ein Thema vertiefen lässt, oder Büchern, die Lehrerinnen und Lehrer mit in den Urlaub nehmen, um sich thematisch zu inspirieren“, sagt Schulreferentin Beate Haude.
Dabei sieht die gelernte Religionslehrerin einen großen Unterschied zwischen guter Literatur und Büchern, die auf ein Thema hin pädagogisch konzipiert sind. „Letztere tragen nicht so weit, wie manche Verfasser glauben“, so Haude. „Gute Literatur für Kinder und Jugendliche eröffnet eigene Welten, in denen man mitleiden, mitjubeln und mitlieben kann, ganz unabhängig von der eigenen, realen Situation. Sie kann auch Widerstände enthalten, an denen man sich abarbeiten muss.“
Zum Weltkinder- und Jugendbuchtag, der insbesondere Bücher für Kinder und Schüler in den Blick nimmt, empfiehlt sie hier einige ältere und neuere Werke, die sich gut für den Religions- oder Konfirmandenunterricht eignen. Die Bücher können auch in der Mediothek des Kirchenkreises ausgeliehen werden. In den Schulferien ist sie nach Vereinbarung (Telefon: 0202 / 97440871 oder Mail: haude@evangelisch-wuppertal.de) geöffnet.
Bilderbücher zum Thema Empathie und Mut
Beeindruckt haben mich die Bilderbücher „Akim rennt“ und „Der längste Sturm“. In der kongenial mit Bleistift illustrierten Fluchtgeschichte Akims gehen wir mit einem Kind mit, das uns Empathie empfinden lässt für Menschen, die im Alltag weit weg sind. Die Drastik der Geschichte ahnen wir nur; der letzte Satz im Buch ist so schrecklich notwendig, damit wir es mit Kindern lesen können.
Der „Längste Sturm“ ist ein Bilderbuch über die Barbarei, die in der Not entstehen kann. Und überwunden werden kann. Ein alleinerziehender Vater und seine Kinder können aufgrund eines Sturms nicht das Haus verlassen und gehen sich gegenseitig auf die Nerven. Die Situation eskaliert, als der Strom ausfällt. Obwohl das Buch glasklar eine Botschaft hat, manipuliert es uns nicht pädagogisch. Aber es zeigt, dass Kontakt und Beziehung wichtiger sind als die Turbulenzen draußen.
Kinderbücher fragen nach Gott
Es gibt viele Kinderbücher, die ich für überpädagogisiert halte. Daran ändern auch zuweilen ausgeschüttete Buchpreise nichts. Die gute alte Gudrun Pausewang, leider vor drei Jahren verstorben, bildet da eine grandiose Ausnahme. Was sie schreibt, ist eindringlich, relevant und kindgerecht. „Ich geb dir noch eine Chance, Gott!“ ist eines davon: Nina sieht eine Katzenmutter sterben und bricht mit ihrer Vorstellung von Gott.
An dieser Stelle könnte man auch weitere ihrer Bücher nennen. Die „Reise im August“ ist ein Buch, mit dem man weite Teile der Holokaust-Pädagogik für Kinder bestreiten kann. Es erzählt aus der Sicht der elfjährigen Alice Dubsky die Geschichte ihrer Deportation im Viehwaggon nach Auschwitz. Schwere Kost, aber eine, die man als Kind mit deutscher Identität ertragen muss. Und kann.
Herausforderung Kinderbibel
Schließlich das schwierigste Unterfangen: eine gescheite Kinderbibel zu finden. Klug soll sie sein, vom historisch-kritischen Ansatz durchdrungen, gut lesbar, aber auch nicht zu weit weg von dem, was wir an lutherischer Übersetzungstradition bewundern. Dazu gerecht, von den wichtigen theologischen Novitäten des 20. Jahrhunderts berührt (christlich-jüdischer Dialog und feministische Theologie) und auch noch schön anzusehen. Aber nicht kitschig. Und gut elementarisiert. Und sie soll nicht Widerstände und schwierige Texte der traditionellen Übersetzungen ausblenden.
Die „Alle Kinder Bibel“ versucht es, das ist aller Ehre wert. Aber sie ist so politisch korrekt, so ideal gegendert, so unrassistisch, so gerecht in Sprache gemeißelt, dass es mich am Ende doch etwas nervt. Ich sage nur: „Aprikosenwarm“. Kein einfaches Unterfangen, poetisch besser sein zu wollen als die Bibel selbst. Dagegen 2022 erschienen: die Grundschulbibel „Spuren lesen“. Am Grundschullehrplan orientiert erzählt diese Bibel flüssig, kindgerecht und unspektakulär. Geht auch.
Flucht und Anti-Apartheit in Jugendbüchern
Jugendlichen kann ich Dmitrij Kapitelmans „Eine Formalie in Kiew“ empfehlen. Das Buch zeigt, wie es ist, unauffällig in den 90er Jahren als Jude aus der Ukraine gekommen zu sein und hier zwischen den Stühlen zu sitzen, zwischen den Gepflogenheiten seiner Eltern und denen der Mitschülerinnen und Mitschüler. Beste Literatur, um einen Blick hinter die Tür der Kontingentflüchtlinge zu werfen, statt sich aus Stereotypen eine Meinung zu bilden.
Ein Klassiker für den Religionsunterricht ist immer noch Claudia Moceks „Martin Luther King“. Mit dem Buch, das einen biografischen Ansatz enthält, können Schülerinnen und Schüler den so wichtigen „Dream“ unserer Kirchengeschichte vom gleichen Wert der Menschen kennenlernen. Dabei erscheint King nicht als Heiliger, sondern auch seine Schattenseiten zeigen sich. Das ist vielleicht sogar das Überzeugendste an dem Text, denn man kann Großes sagen oder tun, ohne dabei makellos zu sein.
Bücher für Lehrkräfte
Sehr beeindruckend finde ich Daniel Kehlmanns „Tyll“, der stark mit den Mitteln der Anspielung arbeitet, mit der er plakative und unerträgliche Brutalität literarisiert: Wie lebt man zur Zeit des 30-jährigen Krieges, der unsere Kirchengeschichte zum Beispiel mit Liedgut Paul Gerhardts so stark beeinflusst hat? In diese Zeit nämlich versetzt Kehlmann Till Eulenspiegel einleuchtend. Das Buch kann Lehrerinnen und Lehrer auf gute Ideen bringen, diesen eher unbekannten Teil der Kirchengeschichte in den Unterricht einzubringen.
Stark, aber auch ein ganz anderes Sujet: Eve Harris beschreibt in „Die Hochzeit der Chani Kaufman“ den Alltag der 19-jährigen Chani in einer jüdisch-orthodoxen Welt. Erst dreimal hat sie ihren künftigen Ehemann, den Rabbiner Baruch Levy gesehen und noch nie berührt. Doch wie geht Ehe, wie geht Glück? Eine bezaubernde Liebesgeschichte, die uns das orthodoxe Judentum nahebringt und mit der man ganz nebenbei dem Antisemitismus wehren könnte, wenn man wollte. Auch darüber lässt sich gut im Religionsunterricht in der Mittel- und Oberstufe diskutieren.