Rundschau-Serie „HipHop im Tal“ Gegen das geistige Mittelmaß

"Romantische Liebe ist nur ein Konstrukt", sagt der Wuppertaler Rapper Prezident — und das bringt er in seinen Texten auch zum Ausdruck. Dabei lässt er sich von Bukowski oder gar Dante inspirieren. Wir stellen ihn in unserer Rundschau-Serie "HipHop im Tal" vor.

Nachdenklich, direkt und ehrlich, so präsentiert sich Prezident als Rapper mit einem geradezu philosophischen Anspruch.

Foto: Florian Schmitz

Er sitzt an einer Biertischgarnitur im Luisenviertel, in der rechten Hand das Pils, oben die Sonne, und spricht vom amerikanischen Schriftsteller Charles Bukowski. Dessen Literatur, sagt Prezident, speziell die Kurzgeschichten, seien seinem Rap sehr ähnlich. Bukowskis lyrisches Ich, das die eigenen Schwächen nicht versteckt, und der poetische Ausdruck finden sich immer wieder in den Texten des 30-jährigen Rappers aus Elberfeld.

Prezident trägt das T-Shirt zu seinem neuesten Werk, die "Handfeste EP", und lädt ein in seine Gedankenwelt. Die packt er seit Jahren bevorzugt auf melancholische und leicht verschleppte Beats, unter anderem vom Wuppertaler Produzentenduo Epic Infantry.

Prezident ist ein Lebensphilosoph. Zwischen Selbstzweifeln und dem Kampf gegen die Mittelmäßigkeit um ihn herum ist es ihm kaum möglich, eine Prognose über die eigene Zukunft zu wagen. "Ich dachte immer, mir gehen irgendwann die Ideen aus. Das ist bislang nicht passiert. Die Vorstellung, lange Zeit von der Musik leben zu können, hatte ich aber nie", sagt der Rapper mit der Kurzhaarfrisur. Zurzeit studiert er noch, doch das Ende ist in Sicht. Im März nächsten Jahres soll das neue Album kommen. Der Titel steht schon fest: "Limbus", frei nach Dante ein Teil der Vorhölle, in dem die mittelmäßigen Seelen in Ewigkeit im Kreis laufen. "Geistiges Mittelmaß ist mein Feindbild seit jeher", sagt Prezident. Nach der Veröffentlichung von "Limbus" will er sich zu hundert Prozent auf die Musik konzentrieren.

Wert ist es das allemal. Nach drei Alben, fünf EPs und vier Mixtapes in zehn Jahren hat sich der Wuppertaler langsam aber sicher seinen Platz in der deutschen Rap-Szene erarbeitet. Die jüngste LP "Kunst ist eine besitzergreifende Geliebte" war so erfolgreich, dass er von der Musik leben kann. Im vergangenen Jahr hat er bundesweit 40 Konzerte gegeben.

Er bekommt noch lange nicht die Anerkennung, die seine lyrischen, nachdenklichen, ehrlichen Texte verdient hätten. Aber selbst Juice, Deutschlands größtes Hiphop-Magazin, ist schon bei dem 30-Jährigen zu Kreuze gekrochen und hat sich dafür entschuldigt, nicht schon früher über ihn berichtet zu haben. Sein Stil, den er "Whiskey-Rap" nennt, ist von der Direktheit gezeichnet, die der gleichnamige Drink bei manchem hervorruft. Prezident ist wahrscheinlich einer der wenigen Künstler, die über Sex rappen können, ohne dass die Texte gleich zu Fremdscham führen. "So etwas gibt es im deutschen Rap eigentlich nicht. Entweder geht es bei diesem Thema um Angeberei oder um Ironie. Deshalb wollte ich das ausprobieren", sagt Prezident. Und orientierte sich wiederum an den expliziten Beschreibungen Bukowskis.

Klischees und vermeintlich großen Themen begegnet er mit Wuppertaler Lakonie. "Romantische Liebe ist nur ein Konstrukt", sagt er lapidar. Und so brennen in seinen Songs nicht wirklich Disney-Feuerwerke ab, wenn es um Frauen und Partnerschaft geht. Die Schuld für Missstimmung sucht er aber nicht nur bei ihr. "Und ich bin wie ich bin, also mein Gott, watt willste machen, ist nicht grad ein Katzensprung über meinen schwachen Schatten", textet er in "Alice". Von so viel Demut können sich andere Rapper eine Scheibe abschneiden.