Wuppertaler Fotograf Wenn man Kurt Keil ausstellt, präsentiert man die Stadt
Wuppertal · Die Fotohistorikerin Dr. Carmen Pérez González kuratiert mit Studierenden der Bergischen Uni Wuppertal die Sammlung des Fotografen Kurt Keil im Universitätsarchiv.
Am Anfang war der Wasserschaden. Durch das Hochwasser 2021 in Wuppertal lief auch bei der Familie des 2020 verstorbenen Fotografen Kurt Keil der Keller voll, in dem bis dahin das komplette Archiv des langjährigen Mitarbeiters der Westdeutschen Zeitung untergebracht war. Da alternative Lagerräume nicht zur Verfügung standen, bat die Familie den damaligen Universitätsarchivar Dr. Joachim Studberg um Hilfe, der schnell dafür sorgte, dass die umfangreiche Sammlung erst einmal an der Hochschule gesichert werden konnte.
Seitdem ruht dieser Nachlass in den Regalen des Universitätsarchivs. Bald nachdem Dr. Friederike Jesse die Leitung des Archivs im Frühjahr 2023 übernommen hatte, wurde sie auf die Sammlung aufmerksam. Professor Dr. Volker Remmert vermittelte den Kontakt zur Fotohistorikerin Dr. Carmen Pérez González, die im Fach Wissenschafts- und Technikgeschichte einen Lehrauftrag hat. Im Juni 2023 trafen sich die Wissenschaftlerinnen zum ersten Mal. (Bilder)
„Als ich die Sammlung sah, war ich natürlich überwältigt“, sagt Pérez González, „denn als Fotohistorikerin liebt man nichts mehr, als eine unkuratierte Sammlung. Und ich hatte auch gleich eine Idee.“ Sie bot eine Übung an, um gemeinsam mit ihren Studierenden, allen voran Philipp Roling, das vorhandene Material zu inventarisieren.
Pérez González ist für diese Aufgabe prädestiniert. Seit Oktober 2023 leitet sie die FBS Foundation in Segovia in Spanien und bereitet eine der größten Sammlungen stereoskopischer Fotografie für die Wissenschaft und Forschung vor. „Wir wissen bisher nicht einmal genau, wie umfangreich die Sammlung von Kurt Keil ist. Fakt ist, dass die Sammlung den Zeitraum von 1967 bis 2007 umfasst“, berichtet sie begeistert, „unzählige Negative enthält, Exponate einer früheren Ausstellung, Zeitungsausschnitte und Kontaktabzüge sowie auch Bilder in diversen Formaten. Daneben gibt es auch zahlreiche Kameras, die Keil über die Jahre benutzt hat, die aber noch alle bei der Familie sind.“
Die Aufgabe ist enorm. „Allein die Anzahl der Kisten, in denen sich die Negative befinden, ist erheblich, und auch da müssen wir sortieren, weil die ursprünglichen Beschriftungen nicht immer mit dem Inhalt übereinstimmen“, beschreibt Roling die Situation. Das sei zwar oft sehr ermüdend, konstatiert Pérez González, aber diese Aufgabe sei fundamental, ohne sie könne keine Analyse erfolgen. Daher hat sich das kleine Übungsteam der Fotohistorikerin erst einmal die Jahre 1967 bis 1969 vorgenommen.
Ein inspirierender Werdegang
Zusammen mit den Studierenden haben Jesse, Pérez González und Roling auch bereits die Familie Keils besuchen können und viele wertvolle Informationen zur Person und Sammlung des Fotografen erhalten. „Kurt Keil war ja nicht immer Fotograf“ sagt Roling, „er war ursprünglich Installateur und ist dann durch seine Leidenschaft, indem er Fotos an die Westdeutsche Zeitung geschickt hatte, irgendwann zu seinem Traumberuf gewechselt. Das allein ist schon eine inspirierende Geschichte.“
Die Fotosammlung – Stadtgeschichte pur
Mit über fünf Jahrzehnten, von 1967 bis in die 2000er Jahre, war der Zeitrahmen des Schaffens von Kurt Keil in Wuppertal enorm. Das Bildmaterial ist Stadtgeschichte pur. „Beim Sichten der ganzen Negativumschläge kann man durch die Titel der Beschriftung die enorme Bandbreite erkennen. Auch kleinere Ereignisse in Langerfeld oder Vohwinkel hat er abgedeckt und er war ja auch jeden Tag unterwegs“, berichtet Roling. „Es gibt Umschläge für Weihnachten und Ostern und nur selten einmal eine Lücke, wo mal eine Woche nichts war“ und Pérez González ergänzt: „Manchmal gibt es auch für einen Tag drei verschiedene Umschläge, weil er mehrere Aufträge hatte.“ Zudem umfasse sein Nachlass auch diverse Ordner, die er für weitere Buchprojekte angelegt hatte.
Keil war bei fast allen Heimspielen des WSV vor Ort
Eine besondere Leidenschaft verband Kurt Keil mit dem Wuppertaler SV, bei dessen Heimspielen er immer im Stadion Zoo zu sehen war. Die wechselvolle Entwicklung des Fußballvereins hat er von Anfang an begleitet. Und daran seien nicht nur die Hochschulforscher interessiert, sagt Jesse. So habe es auch bereits Anfragen eines Sportfotografen gegeben, der das Archiv speziell für den WSV durchgesehen habe. „Die Familie hat sogar ganze CDs, auf denen Kurt Keil einzelne Spiele komplett fotografiert und sozusagen 90 Minuten dokumentiert hat.“
Ein besonderes Fotomotiv: Johannes Rau
Und dann sind da natürlich die vielen aussagekräftigen Bilder von Orten, Gebäuden, Veranstaltungen und auch Prominenten. Spontan sagt Pérez González: „Mein Lieblingsmotiv ist Pina Bausch“. „Wer auch immer wieder auftaucht ist Johannes Rau“, ergänzt Roling, „mit dem Kurt Keil auch im ständigen Austausch war. Er hat auch sein Buch über Johannes Rau an ihn geschickt, der es ausführlich Korrektur gelesen und mit vielen Anmerkungen zurückgeschickt hat.“
Dieses korrigierte Buch, mit vielen Klebezetteln versehen, suchen die Sammlungsordner noch, weil es ein schönes Exponat für eine mögliche Ausstellung wäre. „Es war wohl so“, erklärt Jesse, „und das habe ich von mehreren Seiten gehört, dass Kurt Keil so etwas wie der Hoffotograf von Johannes Rau war und dieser bei bestimmten Terminen auch explizit darum gebeten hat, dass Keil die Fotos macht.“
Die Liste der Prominentenfotografien ist sehr lang, so finden sich dort neben Politgrößen wie Erich Honecker, Helmut Kohl, Hans-Dietrich Genscher und Angela Merkel auch Vertreter des Showbiz wie Hans Rosenthal, Rudi Carrell und Udo Lindenberg.
Die Kameras
Die vielen Kameras von Kurt Keil, die noch bei der Familie sind, will Pérez González ebenfalls sichten, denn es sei wichtig beschreiben zu können, welche Bilder mit welcher Kamera gemacht wurden. Zwar seien Leica-Kameras Kurt Keil am liebsten gewesen, aber er habe später, als es auf die digitale Fotografie zuging, auch mit Nikon gearbeitet. „Bei den Kameras sieht man sehr schön die Chronologie, und das ist für die Entwicklung des Fotojournalismus so wichtig“, erklärt die Übungsleiterin. „Auch der Fotograf musste sich an die neuen Technologien anpassen.“
Eine Ausstellung ist angedacht
Die erste Übung der Fotohistorikerin ist ein Anfang, weitere Übungen werden folgen, denn auch das Kuratieren will gelernt sein. „Ich lasse die Studierenden selber Ideen entwickeln, frage aber permanent nach. Jede Sammlung hat eine eigene Geschichte und man muss sie im eigenen Kontext entwickeln. Es gibt da kein Patentrezept, sondern wir nähern uns über Fragen dem Thema. Wir katalogisieren und finden dann nach und nach Möglichkeiten, uns einem bestimmten Thema zu nähern“, sagt Pérez González.
Dieser weite Weg könne dann auch in eine erste Ausstellung münden. „Das wichtigste ist das Werk dieses Mannes. Das Aufbereiten des Materials, was er der Nachwelt überlassen hat. Daher sollte meiner Meinung nach die erste Ausstellung dieses Gesamtwerk zeigen, also die Kameras, die Negative, die Fotos und auch die Ordner mit den verschiedenen Buch-Ideen, die er hatte. Wenn man ihn präsentiert, präsentiert man die Stadt. Und die Frage beim Kuratieren einer Ausstellung heute ist, wie macht man das in 3D? Vielleicht gibt es dann in der Ausstellung eine Dunkelkammer, denn die hat er natürlich auch gehabt“, sagt die Fotohistorikerin.
Da das Werk so umfangreich sei, könnten weitere Ausstellungen folgen, die dann spezielle Themen behandelten. Dazu die Archivarin: „Sei es jetzt Johannes Rau, Pina Bausch, die Schwebebahn oder aber Ereignisse aus der Stadt. Auch zum Sonnborner Kreuz gibt es viel Material, das ist Stadt- und Verkehrsgeschichte, da mussten Menschen umgesiedelt werden. Und das ist wiederum natürlich auch für Studierende als Abschlussarbeit interessant: Man kann sich mit einem bestimmten Ereignis beschäftigen und dann hier die Fotografien dazu finden.“