Bergische Uni Das Langzeitgedächtnis auf dem Grifflenberg
Wuppertal · Die Leiterin Dr. Friederike Jesse über Bestand und Nutzung des Archivs der Bergischen Universität in Wuppertal.
Archive sammeln, bewahren und erschließen eine Fülle verschiedener Dokumente, Unterlagen und Objekte. Und alle, die schon einmal gesammelt haben – und wer hat das nicht… – wissen, wie wichtig das Archivieren ist. Durch genaue Beschreibung und vor allem sorgfältige Ablage lassen sich Objekte nicht nur klassifizieren, sondern auch wiederfinden, um dann genutzt, erforscht oder, beispielsweise in Ausstellungen, der interessierten Öffentlichkeit präsentiert zu werden.
Länder, Kommunen, aber auch Unternehmen, Vereine und Privatleute bewahren in Archiven Wissen über ihre Geschichte. Auch jede bundesdeutsche Universität verfügt über ein eigenes Archiv. An der Bergischen Universität ist die Wissenschaftlerin Dr. Friederike Jesse seit März 2023 dafür zuständig.
Die Vielfalt von Akten
„Zum Archivbestand gehört alles, was einerseits für die Geschichte der Bergischen Universität relevant ist und andererseits bestimmten Sachverhalten Rechtssicherheit gibt“, erklärt sie und verweist auf eine Vielzahl an Akteneingängen, die eine ungeheure Bandbreite präsentieren: von der Gründungsphase der einstmaligen Gesamthochschule über Promotions- und Habilitationsverfahren bis hin zu Handakten leitender Verwaltungsmitarbeiter. Vieles sind sogenannte Massenakten. „Dazu gehören beispielsweise Studierendenakten“, sagt Jesse. „Hier an der Uni ist es so, dass diese eine relativ lange Aufbewahrungszeit im Studierendensekretariat haben und dann erst ins Archiv gelangen. Wir haben also gerade die ersten Jahrgänge aus den 1970er Jahren hier. Das ist eine unglaubliche Menge an scheinbar gleichförmigen Akten, die aber durchaus spannend sind, vor allem für die Anfangszeit, weil es interessant ist, wer sich eingeschrieben hat.“
Ein sicherer Platz für den wissenschaftlichen Nachlass
Wohin mit den Unterlagen, wenn die Rente naht, fragen sich Mitarbeitende oft und wählen der Einfachheit halber meist den Papierkorb oder die große blaue Tonne. Dabei gibt es für Einrichtungen und Gremien der Universität die Verpflichtung, bestimmte Unterlagen nach einer Aufbewahrungszeit dem Archiv anzubieten, berichtet Jesse. Das sei auch in entsprechenden Richtlinien formuliert, die aber nicht immer präsent seien. Daher informiere das Uniarchiv sowohl im Internet als auch bei Präsenzveranstaltungen mit neuen Mitarbeitenden regelmäßig darüber und allgemein über die Aufgaben des Hochschularchivs.
Auch das, was sich in einem langen Wissenschaftlerleben angesammelt hat, kann Eingang ins Hochschularchiv finden. „Wenn Professorinnen und Professoren oder auch Wissenschaftliche Mitarbeitende in den Ruhestand gehen, dann können sie ihren Nachlass dem Archiv anbieten“, sagt Jesse. Manchmal gehe das von den noch aktiven Vorruheständlern aus, manchmal erst viele Jahre später von den Angehörigen oder Nachlassverwaltern. „Aber auch wir können da aktiv werden“, so Jesse weiter, „denn das Archiv wird über bevorstehende Emeritierungen informiert.“
Nicht nur Dokumente und Akten – die Sammlungen des Archivs
Zum Bestand der Bergischen Universität gehören auch diverse Sammlungen. So gibt es eine Kunstsammlung, die vom Uniarchiv verwaltet wird. „Es wird aber auch vieles Weitere gesammelt, was in Zusammenhang mit der Geschichte der Universität steht“ führt Jesse weiter aus: „In unserer Sammlung finden sich auch Porzellan, Plakate und Flugblätter, Film- und Tondokumente sowie Modelle der Universität. Auch Mobiliar ist vorhanden, wie beispielsweise Stühle, die aus der Erstausstattung der Universität stammen, oder aus bestimmten repräsentativen Räumen wie dem ehemaligen Senatssaal. Aus der Maschinenbau- und Ingenieurschule haben wir ebenfalls Exponate, was einen Blick auf die Vorgeschichte der Bergischen Universität ermöglicht.“
Selbst Hinweisschilder finden sich in der Sammlung: Im Zuge der 50-Jahr-Feier wurde die Beschilderung der Hochschule durch ein Projekt mit Studierenden der Fakultät für Design und Kunst komplett erneuert. Die Prototypen dieses Konzepts werden nun im Archiv verwahrt.
Die Kunstsammlung … befindet sich auch in Dienstzimmern
Die vom Uniarchiv verwaltete Kunstsammlung der Bergischen Universität umfasst aktuell circa 200 Exponate. Im Außenbereich der Hochschule kann man große Ausstellungsstücke sehen, wie die Skulptur „Zum Licht“ des Wuppertaler Künstlers Tony Cragg, die vor dem Gebäude VW installiert wurde, oder die Skulptur „Start“ der Künstlerin Beate Schiff, die am Haupteingang am Grifflenberg steht.
Ein weiteres Highlight hängt im Gästehaus der Uni am Freudenberg: Das Gemälde, „Kennedy vor Corham“ des Künstlers Wolf Vostell ist eine Schenkung der Ehrenbürger Gustav Adolf und Stella Baum. Dieses und auch andere Kunstwerke werden auch schon mal für Ausstellungszwecke verliehen. „Die Kunstsammlung wächst, wir bekommen immer wieder Angebote von Künstlern oder Künstlerinnen, die einen Bezug zur Uni haben.“ Jedes Jahr wird zudem der Stella-Baum-Kunstpreis verliehen, bei dem die Universität immer ein Kunstwerk der Preisträgerin bzw. der Preisträger erhält.
Die meisten Kunstwerke jedoch, und das ist schon etwas Besonderes, hängen in den Büroräumen der Beschäftigten. Dazu Jesse: „Da wird dann ein Leihvertrag mit den jeweiligen Mitarbeitenden aufgesetzt, der besagt, dass die Bilder ausschließlich in den Bürogebäuden aufgehängt werden dürfen und natürlich pfleglich zu behandeln sind.“
Das Universitätsarchiv ist für alle nutzbar
Das Universitätsarchiv kann jeder nutzen, der ein „berechtigtes Interesse“ hat. Aber was heißt das eigentlich? „Das heißt, dass jede Person, die ein berechtigtes Forschungsinteresse, beispielsweise im Bereich Familienforschung hat, an einem wissenschaftlichen Thema arbeiten möchte oder sich mit bestimmten Punkten die Universität betreffend beschäftigen möchte, die Möglichkeit hat, eine entsprechende Anfrage an das Archiv zu stellen. Wenn keine Gründe dagegensprechen, wie beispielsweise Sperrfristen, dann kann man hierherkommen, um die Dinge zu sichten“, sagt Jesse.
Archive leihen in der Regel nichts aus, daher muss man dort erscheinen, um sich die Dinge anzuschauen und Unterlagen eventuell abzufotografieren. Nutzende sind häufig Studierende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Bergischen Universität, außerdem Forscherinnen und Forscher anderer Hochschulen und Privatleute, die erfahren möchten, ob jemand aus der Familie hier studiert hat. „Wenn jemand Akten eine Person betreffend haben möchte, dann geht das nur mit Zustimmung der Person, wenn sie noch lebt, oder aber wenn das Todesdatum bereits zehn Jahre zurückliegt. Generell ist Zugriff auf Archivgut nach einer Sperrfrist von in der Regel 30 Jahren möglich.“
Zufällige Funde
Die für sie spannendste Archivalie kann Friederike Jesse nach knapp einem Jahr im Amt noch gar nicht benennen. Spannend sei jedenfalls die unglaubliche Vielfalt, die man hier habe. Und es passieren auch immer mal wieder Zufälle, die die studierte Archäologin in die hintersten Winkel des Brutalismusbaus führen. „Vor einiger Zeit gab es in den Hausmitteilungen einen Aufruf, Hilfestellung zu leisten, weil es einen Raum gab, der leergeräumt werden musste. Dort lagerten Unterlagen, die keiner mehr zuordnen konnte. Ich habe mich gemeldet, die Sachen gesichtet und teilweise direkt ins Archiv bringen lassen. So können wir in Ruhe schauen, was auf Dauer erhaltenswert ist.“