Tod im städtischen Seniorenheim: Sozialdezernent nimmt Stellung Altenpflegerin (51) erkämpft sich Bewährung

Wuppertal · Die Frau hatte betrunken gearbeitet und im Februar 2014 den Sturz einer Bewohnerin (90) verursacht. Die Seniorin war gestorben. Sozialdezernent Dr. Stefan Kühn erklärt öffentlich sein Bedauern.

Rechtsanwalt Ralf Muhsal mit der 51-jährigen Angeklagten bei Beginn der Berufungsverhandlung im Landgericht Wuppertal.

Foto: Dirk Lotze

Für eine schwer alkoholkranke, frühere Altenpflegerin (51) aus der Südstadt gibt es doch noch Bewährung. So lautet das Berufungsurteil des Landgerichts im Prozess um eine fahrlässige Tötung in einem städtischen Seniorenheim.

Zur erneuten Verhandlung am Dienstag hatte die Angeklagte erstmals zugegeben: Sie hat im Februar 2014 in einer Einrichtung in Cronenberg betrunken gearbeitet. Dabei war sie mit einer kranken, 90-jährigen Bewohnerin gestürzt. Die Verletzungen daraus hatten den Tod der Seniorin einige Tage später ausgelöst. Das Geschehen war im ganzen bergischen Land mit Bestürzung aufgenommen worden.

Das Amtsgericht hatte die Pflegerin zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt. Das Landgericht wertete neben dem Geständnis der Angeklagten zu deren Gunsten, dass sie sich nun wegen ihrer Sucht behandeln lässt. Staatsanwalt Torsten Michael Meyer: "Sie kommen mir jetzt wie ein völlig anderer Mensch vor."

Eine frühere Vorgesetzte (47) der Pflegerin hat ihre Geldstrafe über 6300 Euro angenommen. Sie hatte die Ältere zur Arbeit allein auf einer Station eingeteilt, obwohl es deutliche Hinweise auf akute Alkoholprobleme gab. Vor dem Amtsgericht hatte sie berichtet, keinen Zugriff auf die Personalakte ihrer Mitarbeiterin gehabt zu haben. Sie habe sich nicht getraut, einzugreifen - um sich nicht an Mobbing zu beteiligen.

Der Anwalt der Hinterbliebenen, Henning Weskott, merkte am Rande des Prozesses diese Woche an: Die Stadt habe seinen Mandanten gegenüber nie Stellung zum Geschehen genommen. Nur ein Brief vom Februar 2014 teile mit, man komme später wieder darauf zurück. Weskott: "Das Amtsgericht hat Missstände in der Organisation festgestellt. Ein Prozessbeobachter der Stadt hat das alles verfolgt. Und dennoch hat niemand als Vertreter der Stadtverwaltung sein Mitgefühl ausgedrückt." Die Angehörigen hätten sich nun wegen dieses Verhaltens entschlossen, gegenüber der Stadt Schmerzensgeld geltend zu machen.

Der städtische Sozialdezernent Dr. Stefan Kühn erklärte auf Anfrage unserer Zeitung nach der Verhandlung: "Das fatale Fehlverhalten der ehemaligen Altenpflegerin widerspricht allen Grundsätzen und Überzeugungen unserer Arbeit." Daher habe man ihr direkt fristlos gekündigt und Hausverbot ausgesprochen. Es bestehe per Dienstanweisung generelles Alkohol- und Drogenverbot. Die Vorgesetzten müssten Betroffene freistellen und die Betriebsleitung informieren. Kühn: "Wir bedauern den Tod unserer Bewohnerin voller Betroffenheit und bekunden nochmals unsere tief empfundene Anteilnahme gegenüber ihrer Familie und Freunden."

Der gesamte Wortlaut von Kühns Stellungnahme:

" Wir bedauern den Tod unserer Bewohnerin voller Betroffenheit und bekunden nochmals unsere tief empfundene Anteilnahme gegenüber ihrer Familie und Freunden. Der Vorfall, der sie auf so tragische Weise getroffen hat, beschäftigt alle Mitarbeiter bis heute, besonders aber die diejenigen, die die Verstorbene kannten und sich mit allem Engagement um sie gekümmert haben.

In dem Bewusstsein, für besonders schutzwürdige, hilflose Menschen eine hohe Verantwortung zu tragen, müssen wir uns schmerzlich mit dem Tod der Bewohnerin auseinander setzen. Allerdings steht dieser tragische Einzelfall in keinem ursächlichen Zusammenhang mit den organisatorischen Abläufen in unseren Altenheimen. Ziel aller Beschäftigten der Alten- und Altenpflegeheime der Stadt Wuppertal ist es, die alten, behinderten, pflegebedürftigen Menschen in all ihren individuellen Bedürfnissen so gut und umfassend wie möglich zu versorgen und zu betreuen, weil sie in besonderem Maße von uns abhängig und daher besonders schutzwürdig sind.

Das fatale Fehlverhalten der ehemaligen Mitarbeiterin widerspricht allen Grundsätzen und Überzeugungen unserer Arbeit. Daher wurde der Altenpflegerin nach Bekanntwerden des Vorfalls ein direktes Hausverbot erteilt und die fristlose Kündigung ausgesprochen.

Bei den Alten- und Altenpflegeheimen der Stadt Wuppertal besteht ein generelles Alkoholverbot. Diese Dienstanweisung wird jährlich allen Beschäftigten erneut zur Kenntnis gegeben und von jedem Mitarbeiter durch Unterschrift bestätigt. Die Vorgesetzten haben die Anweisung, bei einem konkreten Verdacht, dass Beschäftigte gegen dieses Verbot verstoßen, den Mitarbeiter sofort vom Dienst frei zu stellen und die Betriebsleitung zu informieren.

Im Falle der verurteilten Mitarbeiterin waren Alkoholprobleme bekannt, auf die von der Betriebsleitung mit allen notwendigen Schritten konsequent reagiert wurde.

Bei der Stadt Wuppertal gibt es seit 2003 eine Dienstvereinbarung über den Umgang mit Alkohol- und anderen Suchtproblemen sowie Hilfen für suchtgefährdete und suchtkranke Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Darüber hinaus steht betroffenen Beschäftigten eine betriebliche Gesundheitsmanagerin als Ansprechpartner zur Verfügung. Im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements wird versucht, gemeinsam mit allen Beteiligten eine Lösung für mögliche Suchtprobleme zu finden. Dies war auch hier der Fall.

Es gab bis zu dem Zeitpunkt des verhängnisvollen Vorfalls keine Handhabe für weitergehende dienstrechtliche Konsequenzen. Eine arbeitsmedizinische Untersuchung hatte vielmehr eindeutig die Einsatzfähigkeit der Mitarbeiterin zum Ergebnis.

Nach dem Geschehen im Altenheim Cronenberg hat eine interne Arbeitsgruppe den Vorfall intensiv in allen Facetten analysiert und aufgearbeitet. Alle Beschäftigten wurden in einer Betriebsversammlung darüber informiert und auf die rechtlichen Folgen einer Missachtung der Dienstanweisung hingewiesen. Zusätzlich hat die Betriebsleitung ein Düsseldorfer Institut für Gesundheitsberatung als Ansprechpartner und Berater für die Mitarbeiter eingeschaltet sowie Einzelgespräche mit den Beschäftigten angeboten.

Die Vorgesetzten und Führungskräfte werden regelmäßig in externen und internen Schulungen auf den Umgang mit Suchtkranken und das Erkennen von Symptomen geschult und sensibilisiert.

Die Einrichtungsleitung des Altenheims Cronenberg hat der Familie der Verstorbenen persönlich ihr Beileid ausgesprochen. Den Hinterbliebenen der Bewohnerin gilt unser ganzes Mitgefühl."