Leserbrief Warum kein kultureller Leuchtturm?
Betr.: Konzentration auf schon bestehende Wuppertaler Stärken
Europäische Kulturhauptstadt zu werden, wie im August 2020 in der CDU diskutiert wurde, braucht Wuppertal nicht unbedingt. Und wenn man dieses Ziel ernsthaft anstrebt, sollte man Vorleistungen erbringen, die dafür qualifizieren. In irgendeiner kulturellen Hinsicht müsste Wuppertal etwas Besonderes sein oder werden.
Ein kulturelles Alleinstellungsmerkmal hatte Wuppertal als Standort des Tanztheaters von Pina Bausch. Aber das Schauspielhaus wurde geschlossen und das Pina-Bausch-Ensemble heimatlos. Aber die Idee lebt weiter, und an einer Auferstehung in Wuppertal wird gearbeitet – an einem Pina-Bausch-Zentrum.
Dafür gibt es auch ein Konzept. Das inhaltliche Konzept verbindet Tradition und Aufbruch, künstlerische Exzellenz und demokratisches Kunstverständnis, internationale Strahlkraft und Einbindung der Stadtgesellschaft. Getragen wird es von vier interagierenden, aber autonomen Säulen: dem Tanztheater Wuppertal Pina Bausch, der Pina Bausch Foundation, einem internationalen Produktionszentrum und dem „Forum Wupperbogen“.
Jede dieser Säulen soll programmatisch und organisatorisch die Synergien der Zusammenführung unter einem gemeinsamen Dach nutzen. Besucher*innen werden ein einmaliges und genreüberspannendes Programm erleben, das die Bühne und das Medium Theater gänzlich neu denkt und erfahrbar macht.
Im Jahr 2027 soll das Pina-Bausch-Zentrum fertig sein. Und was dann? Das sollte jetzt Thema der mittelfristigen Finanzplanung werden.
Es sollte natürlich eine große Eröffnungsfeier mit vielen auswärtigen Gästen geben, aber wie soll es dann weitergehen? Wie könnte erreicht werden, dass immer wieder viele auswärtige Gäste kommen? Wenn immer wieder ein großes Pina-Bausch-Event stattfindet. So, wie Kassel seine „Documenta“ hat, könnte es in Wuppertal ein regelmäßig wiederkehrendes Festival geben, in dessen Mittelpunkt das Tanztheater steht. Auch die Malerei könnte einen Beitrag leisten. Das Von der Heydt-Museum zieht schon jetzt mit Sonderausstellungen Besucher aus einem weiten Umkreis an. Mit dem Tanztheater koordinierte Sonderausstellungen könnten Synergieeffekte erzeugen.
Ein weiterer Glanzpunkt Wuppertals ist gewiss die Technik- und Industriegeschichte. Einmalig ist die Wuppertaler Schwebebahn, und das Museum für Frühindustrialisierung gibt einen Überblick über die Mechanisierung der Textilindustrie von Anfang an. In diesem Zusammenhang kann auch an Friedrich Engels erinnert werden. Das Engelshaus steht schon, und es käme nur darauf an, regelmäßig eine Friedrich-Engels-Tagung zu organisieren. Das bräuchte keine rein akademische Veranstaltung zu sein.
Auch mit einem Begleitprogramm auf dem Niveau der allgemeinen Erwachsenenbildung und der Folklore könnte Interesse erweckt werden. Aber auch an die sozialen Leistungen des 19. Jahrhunderts, zum Beispiel an Kolping und an die Armenfürsorge könnte erinnert werden. Eine erste Erfahrung mit dieser Art von Event hat Wuppertal schon im Engels-Jahr gewonnen. Es käme darauf an, daraus eine Tradition zu machen.
Es wurden also schon viele „Chancen gesät“. Jetzt geht es hauptsächlich darum, sie zu erkennen und zu nutzen. Wuppertal kann von innen heraus einen Aufbruch schaffen. Es muss sich nur seine Stärken bewusst machen. Dann treten im Wesentlichen nur noch Durchführungskosten auf. Die wesentlichen Investitionen sind schon erfolgt oder sollen bis 2027 erfolgt sein.
Ein solches Leuchtturmprojekt wäre jedem anderen vorzuziehen, das noch zusätzliche Investitionen erfordert. Zusätzliche Investitionen, die uns daran hindern könnten, die historische Substanz unserer Stadt zu erhalten und die Anpassungen an die aktuellen Wandlungsprozesse zu schaffen.
Rüdiger Blaschke