Leserbrief „Probezeit beendet — Experiment gescheitert!“
Betr.: Offener Brief von Familie Bosshammer („Der Rosenkavalier“) im Namen der Elberfelder Wochenmarktbeschickerinnen und -beschicker an Bezirksbürgermeister Thomas Kring
Sehr geehrter Bezirksbürgermeister Herr Kring,
vorab möchten wir Ihnen gesegnete Weihnachten wünschen und uns auf diesem Wege direkt bei Ihnen dafür bedanken, dass wir nach 36 Jahren Selbstständigkeit (davon 25 Jahre hier in Wuppertal) wohl eines der schlechtesten Advents- und Weihnachtsgeschäfte unserer Schaffenszeit verbuchen durften.
Dass wir Händler uns nach der Bergischen Expo dazu entschlossen hatten, auf dem Kolk zu bleiben, hatte nichts damit zu tun, dass wir von dem Platz als Verkaufsfläche überzeugt waren, es war wohl eher das notwendige Übel da wir, dank Ihrer Bemühungen, acht Wochen später für den Weihnachtsmarkt wieder zurückgemusst hätten und jeder dieser Umzüge einen enormen Arbeitsaufwand und Kosten mit sich bringt.
In der Anfangseuphorie, begünstigt durch die optisch schönere Aufstellung der Verkaufsstände, hat man sich diesen Platz versucht positiv zu reden. Leider erwies sich dieser Standort als ein noch schlechterer Handelsplatz als schon befürchtet wurde. Nicht nur, dass hier der Lauf gänzlich fehlt, selbst von der treuen Stammkundschaft entschuldigen einige ihr Fernbleiben, „aber es liege zu abseits von ihrem gewohnten Gang“. Vielen Kunden der älteren Generation, insbesondere jene, die mit Gehhilfen ihren Alltag bestreiten müssen und auf dem Wall ihre Arzt- und Apothekenbesuche erledigen, ist dieser Weg zu weit und zu mühselig.
Erschwerend kommen auf diesem Platz auch noch die Auswirkungen der vierspurigen Hauptverkehrsader hinzu. Die hier vorhandenen Lärm- und Kohlendioxid-Belastungen, denen wir Händler anfangs gar nicht so bewusst waren, allerdings der Stadt durch Studien in der Vergangenheit bekannt sein müssten, machen einen Menschen nachweislich krank. Ein weiteres Bestehen darauf, dass der Marktplatz auf dem Kolk bleiben soll, grenzt unserer Meinung nach schon an vorsätzliche und grobe Körperverletzungen.
Für einen Selbstversuch stellen wir Ihnen gerne unseren Verkaufsstand für vier Wochen kostenfrei für Ihren Weinhandel zur Verfügung. Sie werden selbst in dieser kurzen Zeit feststellen, dass Sie nicht nur enorme wirtschaftliche Einbußen haben werden, sondern auch ihre psychische und physische Verfassung stark darunter leiden wird. Bei den Einbußen die wir für Ihre Ideologie hinnehmen mussten, wäre es doch nur fair, wenn Sie gerade jetzt zu Weihnachten mal eben mindestens 20 Prozent Ihres Jahreseinkommens für wohltätige Zwecke spenden würden.
Leider entpuppte sich der Zweck, für den wir weichen mussten, zu einem erbärmlichen Anblick. Und dabei meinen wir noch nicht einmal das nicht vorhandene Riesenrad, welches eher für Kirmes als Weihnachtsmarkt gestanden hätte. Auch Händler, die mit echter Handwerkskunst die anstehende Advents- und Weihnachtszeit präsentieren, waren nicht vorhanden. Hinzu stellt sich die Frage: Belebt ein solcher Weihnachtsmarkt die Stadt und ihren Einzelhandel oder nur einen Glühweinstand und den nächstgelegenen Imbiss?
Denn bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass vielleicht jeder 30. Glühweingenießer eine Tasche bei sich trägt, die seinen Einkauf in der Stadt belegt. Das Treffen an einem Glühweinstand ist und bleibt zu fast 100 Prozent eine Freizeitbeschäftigung, hätte diese Glühweinpyramide mit ein, zwei Imbissständen auf dem Platz am Kolk gestanden, hätte es dem Zulauf insbesondere in den Abendstunden keinen Abbruch getan. Und es hätte doch so schön werden können!!!
Wenn Sie sich erinnern, hatten die Händler, die Sie in den Medien so verlogen „als vollkommen Kompromissunfähig“ dargestellt haben, Ihnen doch vorgeschlagen Wochen- und Weihnachtsmarkt zusammen durchzuführen. Auch die Bereitschaft dafür, an den Adventssonntagen zu öffnen, war Ihnen mitgeteilt worden. Sicherlich hätte der Betreiber des Weihnachtsmarkts dann Probleme gehabt, Imbissstände aufzustellen, da der Wochenmarkt dasselbe Warenangebot „und mehr” preiswerter über die Theke reicht.
Wir hätten auch nicht mit Mützen aus 100 Prozent Acryl made in Peru oder Massenlederwaren á la Mc Leen (die überteuert angeboten wurden) mithalten können. Wir hätten aber neben den Imbissbetrieben noch mit einem prämierten und wohl einem der besten Metzger im Tal, einer Käsetheke, die mit ihrer Produktvielfalt ihresgleichen sucht, einem Feinkosthändler, der mit Kräutern, Gewürzen, Antipasti und vielen mehr seine Kunden auf eine genüssliche Weltreise verführt, einer Bäckerei mit Spezialitäten der schlesischen Backkunst und einem Obst- und Gemüsestand, an dessen Qualität sich Restaurants und Hotels aus dem Tal bedienen, jedes Advents- und Weihnachtsessen kulinarisch verfeinern können – und einem Blumenhändler, der mit einem mehr als guten Preis-Leistung-Verhältnis hilft, die Stuben weihnachtlich zu dekorieren.
Hätte man dazwischen einen Glühweinstand und einzelne gute Händler mit Handwerkskunst gestellt, wäre es ein Gewinn für alle, besonders für den Bürger und Besucher der Stadt. Dies alles wurde von Ihnen ignoriert. Aus welchen Gründen auch immer war es für Sie sehr wichtig, einen Weihnachtsmarktbetreiber zu unterstützen, der den Neumarkt für vier Wochen mit 13 Ständen inklusive Glühweinstand, einem Kinderkarussell und dem nicht vorhandenen Riesenrad bespielt (wovon zwei Verkaufsstände nach kurzer Zeit geschlossen waren).
Was sind dagegen schon die 13 Existenzen, die das ganze Jahr über den Neumarkt beleben und den Einzelhandel der Stadt unterstützen? „Wir haben das so beschlossen und so wird das jetzt ausprobiert.” Dies waren die Worte des OB aus dem Rathaus. Wir sagen: Probezeit beendet — Experiment gescheitert! Wir behaupten, dass wir mit unserem Blumenhandel noch zu den privilegierten Händlern auf diesem Platz am Kolk gehören und nur 30 Prozent weniger Umsatz haben. Einige unserer Kollegen müssen leider noch viel höhere Einbußen hinnehmen.
Vielen dieser Händler bleibt nichts anderes übrig, als auszuharren und auf die Dinge, die da kommen, zu warten, denn sie haben Verkaufsanhänger mit einer Variomatic. Variomatic heißt, dasd diese Fahrzeuge abgelassen werden und an jedem neuen Standort neu ausnivelliert werden müssen, ein Aufwand, der für einen fahrenden Handel untragbar wäre.
Da feste Wochenmärkte im Land rar gesät sind und die bestehenden Märkte entweder in einer zu entfernten Stadt oder zu 100 Prozent belegt sind, ist ein Standortwechsel oder auch das Abstoßen eines solchen Verkaufsstands ohne wirtschaftliche Verluste fast unmöglich. Man ist also zwangsläufig an den Platz, der einem seitens der Stadt angewiesen wird, gebunden. Selbst wenn es, wie hier auf dem Kolk, den sicheren Untergang bedeutet. Diese Fahrzeuge waren damals Auflage der Stadt, um eine Nutzfläche auf dem Neumarkt belegen zu können. Auch wir mussten damals unseren Verkaufsanhänger abstoßen und uns einen Anhänger mit dieser Technik zulegen, um bleiben zu dürfen.
Wenn eine Stadt unter solchen Voraussetzungen den Grundstock für Existenzbildungen vergibt, kann es doch nicht heißen, das sie die Macht hat, diesen Grundstock beliebig zu ändern oder zu entziehen, vielmehr setzt es sie in die Verantwortung, den Grundstock dieser Existenzen und somit den Einzelhandel der Stadt zu schützen. Da man sich früher keine Gedanken darüber machen musste, dass eine Stadt mit ihren Verwaltungbeschlüssen den Handel auf einem städtischen Marktplatz schaden könnte, war es einem eigentlich egal, dass die Standzuweisungen nur eine Gültigkeit von drei Monaten hatten. Heutzutage ist das Vertrauen in die städtische Politik so erschüttert, dass wir keinen neuen Händler finden, der gewillt ist, in einem Standort zu investieren, der einem nur 92 Tage Sicherheit bietet.
Vielleicht sollten Sie mal lieber darüber nachdenken, wie man was ändern kann, um den Neumarkt auch mit neuen Händlern zu beleben, dann müssten Sie sich auch nicht den Kopf darüber zerbrechen mit welchen Feierlichkeiten man einen solchen Platz bespielen kann, bei denen dann alkoholisierte Menschen freie Sicht auf Ihr historisches Verwaltungsgebäude haben. Denn viele Touristen, die über unseren Neumarkt schlenderten und uns nach den Öffnungszeiten fragten, waren positiv überrascht und beneideten die Elberfelder um das Privileg, einen solchen Wochenmarkt zu haben, der von fast allen Händlern täglich von 9 bis 18 Uhr bestückt wird.
Da wir befürchten müssen, dass Sie nicht der Schlag eines Politikers sind, wie es Johannes Rau war — der hat nämlich die Briefe seiner Bürger bis zum Ende durchgelesen –, sind wir uns nicht sicher, dass Sie unseren Aufführungen bis hierhin gefolgt sind, wir werden uns daher erlauben diesen Brief Ihnen auch per Mail mit einem erweiternden Verteiler zuzusenden, mit der Hoffnung, das irgendjemand, vielleicht auch doch Sie, mitbekommt – oder publik macht – was wir denken und dass aus unserer Sicht Handlungsbedarf besteht.
Wir wünschen Ihnen trotz allem einen guten Übergang und ein gesundes 2024. Vielleicht mit der Erkenntnis, dass manch noch so gut gemeinte Aktion falsch war und die Dinge wieder in ihrem ursprünglichen Zustand gesetzt werden sollten.
Mit freundlichen Gruß
Familie Bosshammer – Der Rosenkavalier
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