Bürger-ÖPNV nützt allen

Betr.: „Keine Seilbahn – und was jetzt?“ / Rundschau-Kommentar

Die Seilbahn in Wuppertal wird von einer Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, die an einer Umfrage teilnahmen, abgelehnt. Da stellt sich die Frage, wird die Seilbahn grundsätzlich abgelehnt oder sind es die aktuellen politischen Bedingungen, die dazu führen, dass man diese jetzt nicht will? Denn in der Debatte hatte man den Eindruck, die Seilbahn darf den Aufwand für den ÖPNV nicht erhöhen und muss deshalb durch Leistungskürzungen refinanziert werden.

Sinnvoll wäre es gewesen, die Seilbahn als Eisenbahn einzustufen und dann als S-Bahn zu bauen, deren Fahrleistung durch Regionalisierungsmittel bezahlt wird. Dann würde durch die Seilbahn sogar mehr Geld nach Wuppertal fließen. Und Ziel sollte es nicht sein, Buskilometer einzusparen, sondern die Busse, die dann frei werden, in ganz Wuppertal sinnvoll einzusetzen.

Wichtig wäre ein bundespolitischer Rahmen, der die Verkehrswende finanziert. Den muss die Bundesregierung schaffen, denn viele Kosten, die die Verkehrswende vermeidet, bringen den Kommunen keine Einnahmen. Und ohne einen bundesweiten Rahmen mit einem Finanzierungskonzept werden eben viele Kommunen und Bürger, die vor zu hohen Schuldenbergen Angst haben, dann eher gegen den ÖPNV stimmen.

Das ist auch der Straßenbahn in Aachen oder Oberhausen so gegangen. In Mainz hat es jedoch geklappt, eine neue Straßenbahnlinie zu bauen. Ein Projekt kann also vermittelt werden, wenn man es richtig macht. Wie teuer wäre denn eine Busanbindung der Uni mit der gleichen Leistung, die eine Seilbahn hat?

Was das Bürgerticket angeht, wäre das eine gute Lösung, solange es keinen von der Bundesregierung geregelten fahrpreisfreien ÖPNV gibt. Aber es wäre besser, gleich einen Bürger-ÖPNV zu schaffen – ohne Ticket. Denn selbst wenn man nie den ÖPNV nutzt, profitiert man von dessen Existenz. Auch auswärtige ÖPNV-Nutzer entlasten Wuppertals Straßen – wobei die auf den meisten Linien nur eine Minderheit der Nutzer darstellen.

Und schon heute wird ein Großteil der ÖPNV-Kosten von allen getragen, zum einen durch den Querverbund mit den Stadtwerken, zum anderen durch die Finanzierung der Schülerfahrkarten über Steuergelder oder die ÖPNV-Pauschale an die Aufgabenträger und weitere Fördergelder.

Was spräche also dagegen, den ÖPNV zu 100 Prozent ohne Fahrpreise zu finanzieren, damit man jederzeit einfach einsteigen und fahren kann? So ein ÖPNV lässt dann auch Buszüge (Busse mit Personenanhänger) zu. Im Internet gibt es die Zusammenfassung einer Untersuchung, dass der ÖPNV mit Buszügen in Wuppertal weniger kosten würde.

Aber weil der Fahrer die Fahrkarten kontrollieren soll, setzten die WSW lieber auf Gelenkbusse, deren Masse auch dann bewegt werden muss, wenn die Fahrgastzahlen geringer sind und im Winter fallen Gelenkbusse eher aus.

Wie ließe sich ein bundesweiter Nulltarif finanzieren?

- Der Solidaritätszuschlag wird ÖPNV-Zuschlag, das bringt mehr Einnahmen als die Verkehrsbetriebe heute durch Fahrpreise haben.

- Die Gelder, die heute für freigestellte Verkehre (Schüler, Behinderte) gezahlt werden, gehen weiter an den ÖPNV für Fahrplanverbesserungen und Investitionen.

- Da die Kosten der Schwarzfahrer-Verfolgung und Inhaftierung vermieden werden, werden diese Gelder für den ÖPNV frei.

- Die Verkehrsbetriebe sparen die Kosten des Tarifwesens und können das Geld in mehr Fahrten investieren.

- Da Busfahrer keine Zeit mehr für den Fahrkartenverkauf benötigen und immer alle Türen beim Bus genutzt werden können, werden die Fahrten schneller, so dass entweder mehr Fahrten pro Stunde angeboten werden können oder die Linien verlängert werden können.

- Jede Busfahrerstelle, die neu geschaffen wird, reduziert die Kosten für Hartz IV.

- Für Leute ohne Auto lohnt sich nun auch die Aufnahme kleiner Jobs, da die Einnahmen nicht mehr von den Fahrpreisen gefressen werden. Es werden so auf Dauer mehrMenschen in Arbeit kommen.

Die Bundestagsabgeordneten aus Wuppertal sollten das in den Bundestag tragen.

Bis jetzt hat bei diesen Vorschlägen noch niemand einen Cent Steuern mehr zahlen müssen, aber der ÖPNV wäre deutlich besser, alle die ihn bisher nutzen, sparen plötzlich die Fahrpreise ein – was einer großen Steuersenkung gleichkommt – und immer wenn es eine gute ÖPNV-Verbindung gibt, spricht jetzt nichts mehr dafür, wegen der Kosten das Auto zu nehmen.

Oder einmal anders gesagt: Wenn es den ÖPNV wie hier beschrieben gäbe, wer käme dann auf die verrückte Idee, die heutigen Zustände im ÖPNV einzuführen?

Und die geographischen Folgewirkungen eines Nulltarifs würden die Stadt der kurzen Wege fördern und die alten Stadt(teil)zentren, so dass auch viele Wege wieder zu Fuß möglich sind.

Felix Staratschek