Vergangenheit, Gegenwart, Fantasy

Wuppertal · Von zwei Frauen: Zwei neue (Wuppertaler) Bücher über zwei Frauen — und mehrere Männer.

Bettina Rosky: „Troubled Water“, historischer Roman, Verlag HP Nacke, 14,80 Euro.

Foto: Verlag HP Nacke

Bettina Rosky (geboren 1962), Wuppertaler Kinder- und Jugendbuchautorin, fiel zu letzt positiv durch drei atmosphärisch sehr dichte und stille Erzählungen in der von Christian Oelemann herausgegebenen Anthologie "Paternoster" auf. Jetzt hat sie mit "Troubled Water" (Verlag HP Nacke) ihr erstes Buch für Erwachsene publiziert. "Historischer Roman" lautet der Untertitel des 214-Seiten-Textes.

Bettina Rosky blendet zurück ins Jahr 1872, als die junge alleinstehende irische Auswanderin Lucy Cummings in die USA kommt, um dort Fuß zu fassen. Sie landet in New York und gelangt dort auf Umwegen in den Haushalt des deutschstämmigen Architekten Washington August Roebling, der nach einem Arbeitsunfall im Rollstuhl sitzt. Roeblings großer Plan ist die Konstruktion der Brooklyn Bridge — ein historisch und technisch bedeutendes Bauwerk, untrennbar verbunden mit der Realität und der Skyline von New York. Lucy Cummings wird als Hausmädchen Teil der Familie Roebling und erlebt — mit zahlreichen Höhen und Tiefen — die Entstehung dieser Brücke bis zu deren Vollendung im Jahr 1883.

Während dieser Zeit gibt es auch in Lucys Leben schöne Höhen und bittere Tiefen. Inklusive einer schwierigen Liebesgeschichte mit dem irischen Zeichner Thomas Leitch, den sie schon an Bord des Auswandererschiffes kennengelernt und dann aus den Augen verloren hatte.

Bettina Rosky erzählt die "Troubled Water"-Story sehr detailreich, deckt mehrere soziale und menschliche Ebenen ab, wartet mit zahlreichen technikgeschichtlichen Details auf — und lässt ihre Zentralfigur durch eine Entwicklung gehen, die mit dem Begriff "gelebte, erlebte Emanzipation" beschrieben werden kann. Der Text scheut sich nicht, auch ungewollte Schwangerschaft durch Missbrauch sowie dann folgende (illegale) Abtreibung mit der sich anschließenden Entfremdung angesichts der Unfähigkeit, offen zu sprechen, auf die Tagesordnung zu setzen.

Insgesamt hat "Troubled Water" den Stoff-Charakter einer TV-Vorabend-Serie, die mit ihrer Personen-, Ereignis- und Gefühlsfülle nicht wenig erfolgreich sein dürfte. Im Vergleich zu den drei Erzählungen in "Paternoster", die in der Jetzt-Zeit spielen, fällt "Troubled Water" aber klar zurück: Worum es hier geht, ist zu lang her, um den Leser ganz unmittelbar zu packen.

Senta Richter: „Opus — Die Begegnung“, 11,95 Euro bei Amazon.

Foto: Mybookcovers

Ganz anders geht es zu in "Opus — Die Begegnung", einem Gegenwartsliebesroman mit Fantasy-Charakter. Geschrieben hat dessen 446 Seiten die 1987 geborene Wuppertalerin Senta Richter. Die Sprachwissenschaftsstudentin hat sich mit der Buchveröffentlichung einen Kindheitstraum erfüllt — und plant eine mehrteilige "Opus"-Reihe. Das Thema gibt allerdings auch durchaus Fortsetzungsmöglichkeiten her: Die stark von künstlerischen Ambitionen geprägte Schülerin Ludmilla hat eine ungewöhnliche und erst gar nicht angenehme Begegnung mit einem jungen Mann. Ihn kann sie, obwohl sie es möchte, nicht vergessen. Ab Begegnung Nr. 2 nehmen die Ereignisse Fahrt auf und überschlagen sich schnell.

Der Mann namens Abel wirkt seltsam, arrogant, unnahbar, geheimnisvoll, trägt ein außergewöhnliches Tattoo auf der Brust, gefällt Ludmilla sehr gut — und hat offensichtlich ein dunkles Geheimnis...

Senta Richter schreibt nah an ihrer Hauptfigur Ludmilla, schildert das leicht schräge Leben der jungen Frau witzig-authentisch, gibt tiefe Einblicke in die nicht unproblematische Familiengeschichte. Dabei hat sie immer wieder — vor allem, als es (endlich) zur "echten" Begegnung zwischen Ludmilla und Abel kommt — eine Prise Erotik im schreiberischen Gewürzregal. Der Text, der rasanten Ereigniswechseln folgt, liest sich atemlos, jagt einer mehrfach wechselnden Spur nach, die sich Richtung Schluss per Knall-Effekt enttarnt: Abel stammt aus der Zukunft! Er hat eine schwerwiegende Aufgabe im Heute — und für Gefühle & Co. eigentlich weder Zeit, noch die Erlaubnis...

Senta Richter hat Talent — definitiv. Doch für die gewagte emotionale Konstruktion eines Treffens zweier Menschen aus verschiedenen Zeit-Dimensionen bleibt "Opus — Die Begegnung" noch zu sehr an der Oberfläche. Sich ständig überschlagende Ereignisse und Erkenntnisse bestimmen zu sehr den Sound dieses Textes. Das Buch endet mit der Frage, ob Ludmilla Abel in dessen Welt (die offenbar nicht von Wärme, Liebe oder Kunst, sondern gerade vom Gegenteil geprägt ist) folgen soll. Wenn der nächste "Opus"-Teil kommt, wird sich zeigen, wie Senta Richter ihren Stoff dann auf der zweiten Ebene angeht.