Über ein kleines, aber bezeichnendes Kapitel in der ASS-Affäre Tohuwabohu im Stadtrat
Wuppertal · Gemeinhin wird ASS gerne gegen Kopfschmerzen eingenommen. Im Wuppertaler Rathaus sorgt es zunehmend für Kopfschmerz. Der seltsame Deal zwischen der Sportartikelfirma ASS und der Stadt Wuppertal aus dem Jahr 2004 flog letztes Jahr auf — mit juristischen Folgen.
Das Landgericht Bochum urteilte im Juli in einem Zivilprozess, dass beide Seiten mit der verschleierten Rückvergütung für umfangreiche Zulassungsgebühren gegen Gesetz und gute Sitten verstoßen hätten. Dagegen hat die Stadt Berufung eingelegt, parallel laufen staatsanwaltliche Ermittlungen mit unbekanntem Ausgang. Und auch im Stadtrat sorgte die Affäre nun wieder für, man kann es nicht anders sagen, Tohuwabohu.
Diesmal ging es um die Entlastung von Geschäftsführung und Aufsichtsrat der Wuppertal Marketing-Gesellschaft (WMG), über die der Handel jahrelang abgewickelt wurde. Eine die Stadt beratende Rechtsanwaltskanzlei hatte dringend geraten, die vom Finanzausschuss bereits gebilligte Entlastung aufzuheben — um eventuelle Haftungsansprüche nicht zu gefährden. Und nun, Vorhang auf:
Mit großer Mehrheit beschließt der Rat die Entlastung zu vertagen. Doch während zwei Stadtverordnete, zugleich Mitglieder des WMG-Aufsichtsrats, an der Abstimmung nicht teilnehmen, hat OB Andreas Mucke, der Vorsitzende eben jenes WMG-Aufsichtsrats, die Sitzung während des ganzen Tagesordnungspunktes sogar geleitet. Das moniert CDU-Fraktionschef Michael Müller und fordert eine rechtliche Bewertung des Sachverhalts. Rechtsamtsleiter Olaf Rathke erklärt, Mucke habe ja keinen persönlichen Vorteil von der Entscheidung, trage allerdings hier eine Doppelfunktion und regt an, über den Punkt erneut unter dem Vorsitz von Bürgermeisterin Ursula Schulz abstimmen zu lassen.
Die Linke setzt einen drauf, die Beschlussvorlage trage schließlich die Unterschrift des OB als Antragsteller, muss sie nicht zurückgezogen werden? Und Müller kommt jetzt richtig in Fahrt: Rathke selbst habe seinerzeit den Vertrag mit ASS rechtlich bewertet und durchgewunken, sei nicht auch er befangen? Mucke weist unterdessen darauf hin, er selbst habe ja gar nicht mit abgestimmt. Und im Vorfeld hatte er die renommierte Kanzlei gefragt, ob er an Beratung und Beschlussfassung teilnehmen könne. Kein Problem, habe man ihm bedeutet, "Sie klären doch auf!" Doch um nichts anbrennen zu lassen, räumt er den Platz für seine Stellvertreterin Schulz. Die übernimmt und erklärt zunächst mal, sie wisse nun gar nicht mehr, was los ist. Um dann erneut abstimmen zu lassen. Doppelt hält besser...
Eine denkwürdige halbe Stunde mit wahlweise ratlosen, kopfschüttelnden, belustigten oder verärgerten Stadtverordneten. Aber auch ein Beleg dafür, dass die ASS-Affäre und ihre möglichen Konsequenzen den politischen Raum immer mehr nervt und verunsichert. "Ich habe keine Lust für das, was da läuft, eine Mitverantwortung zu übernehmen", begründete Michael Müller sein Vorgehen. Und weiter: "Wann können wir diese Diskussionen endlich beenden?" Nachdem es nun erst einmal in die Berufung geht — einstweilen nicht.