Bundestagswahlkampf 2021 Auf ein Wa(h)lnuss-Eis mit ... Henrik Dahlmann
Wuppertal · Der Bundestagswahlkampf läuft auf vollen Touren, viel Stress für die Beteiligten. Die Rundschau beschert Kandidatinnen und Kandidaten aus dem großen Wuppertaler Wahlkreis I daher einen etwas entspannteren Termin und lädt sie in ihrem Lieblings-Eissalon auf ein „Wa(h)lnusseis“ ein. Zum Auftakt trifft Redaktionsleiter Roderich Trapp Henrik Dahlmann von den Freien Wählern bei „Creme Eis“ am Toelleturm.
Rundschau: Hallo Herr Dahlmann, was darf‘s denn sein?
Dahlmann: „Walnusseis gibt‘s nicht, dann nehmen wir Haselnuss. Ist auch sehr lecker. Ich bin gebürtiger Langerfelder und habe da 21 Jahre gelebt, mittlerweile bin ich aber Barmer und sehr gerne hier oben.“
Rundschau: Die Wuppertaler kennen Sie aus dem vorigen Jahr noch als Oberbürgermeisterkandidaten, der ohne echte Siegchance Wahlkampf machte. Hat sie das nicht abgeschreckt?
Dahlmann: „Nein, das hat eher Lust auf mehr gemacht. Es war eine super Möglichkeit, politische Inhalte nach vorn zu bringen. Das geht bei einer kleinen Partei besser als bei den großen, die sich in einem engen ideologischen Gerüst bewegen. Und ich habe im Umgang mit den anderen Kandidaten auch viel über das politische Geschäft gelernt.“
Rundschau: Sie haben damals mit 3,3 Prozent persönlich sogar ein besseres Ergebnis als Ihre Partei mit 2,9 Prozent erreicht. Mittlerweile sind die Freien Wähler vor allem durch die Regierungsbeteiligung in Bayern und den Einzug in den Landtag von Rheinland-Pfalz stärker in den Fokus gerückt. Macht sich das bemerkbar?
Dahlmann: „Das gibt auf jeden Fall Schwung, den wir mitnehmen. Wenn der Bundesvorsitzende bei „Maischberger“ sitzt, dann wird das schon wahrgenommen. Und es wird auf jeden Fall der professionellste Wahlkampf, den wir bisher gemacht haben.“
Rundschau: Der FW-Bundesvorsitzende, der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, hat aber zuletzt auch für Schlagzeilen gesorgt, weil er sich nicht impfen lassen will. Was sagen Sie dazu?
Dahlmann: „Ich persönlich bin zweimal geimpft und kann das auch jedem nur empfehlen. Aber letztlich haben wir natürlich keinen Impfzwang. Den Vorwurf, dass Aiwanger damit Stimmen von Impfgegnern gewinnen, will finde ich unredlich. Er hätte das gar nicht öffentlich gemacht, wenn Söder ihn nicht gezwungen hätte.“
Rundschau: In einigen Umfragen bewegen sich die Freien Wähler nicht mehr so weit unterhalb der Fünf-Prozent-Grenze, Sie selbst stehen auf Platz elf der NRW-Landesliste. Haben Sie schon mal gerechnet, ob das für ein Bundestagsmandat reichen könnte?
Dahlmann: „Es ist schön, dass der Bundestrend nach oben zeigt. Natürlich rechnet man da mal nach. Aber bei knapp über fünf Prozent ziehen vielleicht sechs Listenplätze. Ich weiß also, dass es für mich persönlich kein aussichtsreicher Wahlkampf ist, aber es geht mir auch nicht um einen Karrieresprung. Ich will unsere Inhalte nach vorne bringen und zu einem guten Ergebnis der Partei in NRW beitragen, weil ich glaube, dass eine Kraft wie die Freien Wähler im Bundestag fehlt.“
Rundschau: Bei diesen Inhalten haben Sie zum Start Ihrer Kandidatur als Schwerpunkte einer Politik der bürgerlichen Mitte die Themen Mobilität, Sozialpolitik, Bildung und Digitalisierung herausgestellt. Was muss in diesen Bereichen passieren?
Dahlmann: „Ich sehe da viel, was angepackt werden muss. In diesen Bereichen hat Wuppertal viele Schwächen. Das kann die Stadt aber nicht alleine schaffen. Deshalb brauchen wir einen bundespolitischen Fokus auf Wuppertal. Man sieht ja zum Beispiel beim Pina-Bausch-Zentrum, dass das möglich ist. Da macht Helge Lindh einen guten Job. Aber das muss auch jenseits der Kultur funktionieren. Außerdem brauchen wir unbedingt eine politische Kraft, die den Altschuldenfonds für Kommunen durchsetzt.“
Rundschau: Apropos Helge Lindh: Ihr SPD-Kontrahent im Wahlkreis hat genau wie Sie einen Elternteil mit Wurzeln in Finnland. Eine verrückte Konstellation, oder?
Dahlmann: „Das ist wahrscheinlich bundesweit wirklich einmalig. Ich habe auch mit ihm darüber gesprochen, und wir machen schon mal Scherze damit.“
Rundschau: Ist diese Herkunft auch ein Grund, warum Sie personlich sich besonders intensiv mit dem Thema Integration beschäftigen?
Dahlmann: „Ja, das ist eine wichtige Facette in meinem Leben. Ich bin zweisprachig aufgewachsen und viel in Finnland gewesen. Meine Mutter hat die Erfahrung hier auch gemacht, die jetzt viele Einwanderer und Flüchtlinge erleben. Diese Außenperspektive möchte ich gerne einbringen. Integration funktioniert zwar im Prinzip, aber man könnte sie noch deutlich besser machen.“
Rundschau: Wie zum Beispiel?
Dahlmann: „Im Moment ist es so, dass für die Betroffenen nach der Ankunft alles organisiert und abgewickelt wird, sie danach aber sich selbst überlassen werden. Bei der Flüchtlingswelle 2015 sind dadurch viele in ein Loch gefallen, da hätte es mehr Unterstützung geben können.“
Rundschau: Aktuell werden solche Fragen von den Riesen-Themen Corona und Klima überlagert. Wie ist Ihr Blick auf diese beiden Felder?
Dahlmann: „Ich glaube, dass wir im Ergebnis ganz gut durch die Corona-Krise gekommen sind. Ich hätte mir allerdings bei den Entscheidungen mehr Nachvollziehbarkeit und einen großen Plan gewünscht. Das Problem sehe ich jetzt mit Blick auf den Herbst wieder. Und um das Klima muss man sich nach dem jüngsten Bericht des Weltklimarates natürlich große Sorgen machen, das kann man gar nicht anders sagen. Die Prognose macht deutlich, wie groß der Handlungsbedarf ist. Wir müssen auf jeden Fall von der Braunkohle weg. Die Freien Wähler sind übrigens daran beteiligt, dass Bayern jetzt eine Vorreiterrolle bei der Photovoltaik einnimmt. Und ich sehe Wasserstoff als Energieträger ganz weit vorne. In Wuppertal können wir ja feststellen, wie gut das mit den Bussen funktioniert. Wenn sich eine Regierung das auf die Fahne schreibt, kann man viel erreichen.“
Rundschau: Mal unterstellt, die Freien Wähler kämen in den Bundestags, mit wem könnten sie koalieren?
Dahlmann: „Die Nähe zur FDP ist groß, auch die zur CDU, wenn sie sich wieder auf ihren Markenkern besinnen würde. Eine Koalition aus CDU, FDP und Freien Wähler wäre eine gute Koalition auf Bundesebene.“
Rundschau: Erst OB-Kandidat, jetzt Bundestagskandidat – sehen wir Sie nächstes Jahr auch als Kandidat für den Landtag?
Dahlmann: „Das weiß ich noch nicht, würde das aber nicht ausschließen.“
Rundschau: Und wenn es bis dahin noch mal Urlaub gibt, wohin würde der gehen?
Dahlmann: „Wenn alles wieder offen wäre, dann nach Italien. Rom finde ich toll. Und Sardinien: Sonne, Strand und sonst nichts – vielleicht klappt das nach der Wahl ...“