Stellungnahme zum Vorstoß aus Botswana Der Grüne Zoo und die 20.000 Elefanten
Wuppertal · Die Ankündigung des Präsidenten von Botswana, Mokgweetsi Masisi, Deutschland 20.000 Elefanten schenken zu wollen, falls die Bundesregierung die Einfuhrbeschränkungen für Jagdtrophäen wie geplant verschärfen sollte, hat großes mediales Interesse hervorgerufen. Der Grüne Zoo Wuppertal reagiert als Leiter des Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EAZA Ex-Situ Programme / EEP) für Afrikanische Elefanten auf den Vorstoß und ordnet ihn ein. Die Stellungnahme im Wortlaut.
„Die skizzierte Ansiedelung von freilebenden Elefanten in der mitteleuropäischen Landschaft ist nicht möglich. Unser Klima ist für ein ganzjähriges Leben im Freien für afrikanischen Elefanten nicht geeignet. Ob dies dank der globalen Erderwärmung zukünftig möglich sein wird, kann jetzt noch nicht beantwortet werden. Zudem ist das Gelände, das den Tieren in unserer stark bebauten, durch Verkehrswege zerschnittenen und eng besiedelten Landschaft als Lebensraum und Nahrungsquelle zur Verfügung stünde, zu zerklüftet und unzureichend.
Aktuell ist eine Elefantenhaltungen in zoologischen Einrichtungen nur deshalb möglich, weil die Tiere in strukturierten Gehegen gehalten werden, in denen ihnen ganzjährig ausreichend Futter und Wasser, sowie angemessen warme Innenräume zur Verfügung gestellt werden. (Elefanten-Blitzgeburt im Wuppertaler Zoo, Video vom Oktober 2022)
Die Ankündigung des botswanischen Präsidenten ist vielmehr als ein Hilfeschrei zu verstehen. Die Idee, eine so große Anzahl nicht heimischer Tiere einfach nach Europa zu bringen, ist natürlich absurd und das wird auch dem Präsidenten von Botswana klar sein. In Deutschland sind schon die Wiederansiedelungen von ehemals heimischen Großsäugetieren wie Wisent und Wolf nicht oder nur sehr schwierig durchführbar und ein vergleichsweise geringer Tierbestand führte hier in der Vergangenheit bereits zu Konflikten mit der Bevölkerung. Da wäre die Situation mit exotischen Großtieren vermutlich wenig erfolgversprechend.
Botswana hat es allerdings nicht mit einer Herde von 40 Wisenten zu tun, sondern mit einer Überpopulation von rund 70.000 Elefanten in den Nationalparks. Die angekündigten 20.000 Elefanten, von denen der Präsident spricht, wären nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Botswana stellt mit seinen Nationalparks und Schutzgebieten, die zusammenaddiert fast 40 Prozent der Landesfläche ausmachen, bereits enorme Teile des Landes dem Arten- und Naturschutz zur Verfügung. In Deutschland machen Nationalparks dagegen gerade einmal 0,6 Prozent der Landesfläche aus und in Nordrhein-Westfalen sind die Diskussionen über die Etablierung eines zweiten Nationalparks neben dem Nationalpark Eifel bisher noch ins Leere gelaufen.
Die Überpopulation der Elefanten im südlichen Afrika führt zu einer Reihe von Problemen. Zum einen treten vermehrt Mensch-Tier-Konflikte auf. Dörfer und Ernten werden regelmäßig zerstört und gelegentlich werden auch Menschen von Elefanten getötet. Zum anderen zerstören die Elefanten ihren eigenen Lebensraum und nehmen sich ihre natürliche Nahrungsgrundlage. Die riesige Anzahl an Elefanten belastet das Ökosystem in den Nationalparks stark. Der Gesamtbestand der Elefanten ist zwar insgesamt auf der Welt abnehmend, allerdings steigt die Individuenzahl in den gut geschützten Nationalparks Botswanas seit Jahren stark an.
Damit die natürlichen Ressourcen in den Nationalparks nachhaltig von allen dort lebenden Arten genutzt werden können, müssen Perspektiven für ein Populationsmanagement der Elefanten geschaffen werden. Das heißt auch, dass neben dem Management-Werkzeug der Migration, also der Abwanderungen oder der Verbringung (Translokation) von Elefantengruppen in andere afrikanische Länder, auch die Mortalität, also die Entnahme durch das kontrollierte Schießen von Elefanten, zum Management von Populationen möglich sein muss.
Wie dies gestaltet wird, sollte den Entscheidungsträgern in Botswana überlassen bleiben. Erlegte Elefanten können von Menschen und Tieren als Nahrungsquelle genutzt werden. Durch eine koordinierte, legale Trophäenjagd, wäre es Botswana außerdem möglich, weitere Gelder für den Arten- und Naturschutz zu generieren. So könnten vor Ort langfristig die Habitate entlastet und alle Arten, einschließlich des Elefanten, effektiv und nachhaltig geschützt werden.
Dabei ist es unerheblich, wie man zur Trophäenjagd generell steht, solange man die Tatsache akzeptiert, dass hierdurch wertvolles Geld für den Naturschutz generiert und gleichfalls ein unbedingt notwendiges Populationsmanagement betrieben werden kann.
Daneben ist es natürlich außerdem wichtig, Land zu erwerben und Wanderkorridore für bedrohte Tiere zu schaffen. Nur so können fragmentierte Tierpopulationen zusammenfinden und sich auf Nahrungssuch begeben ohne hierbei auf menschliche Siedlungen oder landwirtschaftliche Nutzflächen ausweichen zu müssen. Allerdings werden diese Maßnahmen ohne ein fachlich fundiertes und nachhaltiges Populationsmanagement langfristig die aktuell bestehenden Probleme nicht lösen, denn jeder Lebensraum hat auch in Botswana eine gewisse Kapazitätsgrenze, welche die Menge und Art der in und von ihm lebenden Organismen begrenzt.
Die Tiere in europäischen Zoos unterzubringen ist keine denkbare Alternative. Die europäische Zoopopulation der Afrikanischen Savannenelefanten ist stabil und es ist nicht notwendig und auch nicht beabsichtigt Tiere aus der Natur zu entnehmen, um sie in den hiesigen Zoos unterzubringen. Elefanten können bereits im Rahmen des Europäischen Erhaltungsprogramms ohne die Hinzunahme wilder Individuen nachhaltig gezüchtet werden.
Naturentnahmen wären erst dann denkbar, wenn die Bestände des akut vom Aussterben bedrohten Waldelefanten so rapide sinken würden, dass man beschließen müsste eine ex-situ Reservepopulation für diese Art aufzubauen. Die erfolgreiche Savannenelefantenhaltung zeigt bereits, dass das in Zukunft auch für Afrikanische Waldelefanten möglich wäre, wenn es denn erforderlich würde.
Das Populationsmanagement ist allerdings nicht nur in Botswana wichtig. Auch in unseren Zoos spielt ein fachlich fundiertes und gut koordiniertes Populationsmanagement eine zunehmend wichtige Rolle. Zwar geht es in diesem Fall nicht wie in Botswana um die Generierung von Geldern für den Naturschutz, um die Entlastung der Lebensräume oder um den Gewinn oder den Schutz menschlicher Nahrungsmittel, aber es geht sehr wohl um Tierwohl.
Denn um eine tierwohlgerechte Haltung und eine gesunde Populationsstruktur vieler Zootiere zu ermöglichen, müssen auch in unseren zoologischen Einrichtungen gelegentlich Tiere, die für eine weitere Zucht ungeeignet sind, aus der Population entnommen werden. Nur so wird den Tieren das Bilden von artgerechten Familienstrukturen und Sozialverbände, vielfältige soziale Interaktion mit Artgenossen sowie die Fortpflanzung als einer der wichtigsten Arterhaltungstriebe im Tierreich ermöglicht.
Gleichzeitig werden die entnommenen Tiere nachhaltig genutzt, da sie ein hochwertiges und artgemäßes Futter für die in Zoos gehaltenen und teils hoch bedrohten Raubtiere darstellen. Die Tiere, die in der Obhut des Zoopersonals herangewachsen, tierschutzgerecht getötet und innerhalb des Betriebes zu den Raubtieren gebracht werden, können nach tiermedizinischer Untersuchung als ganze Tierkörper an Großkatzen, Hundeartige oder Greifvögel verfüttert werden. Diese entsprechen der natürlichen Nahrung der Fleischfresser und stellen für diese eine enorme Verhaltensanreicherung dar.“