Auftritt mit „Moka Efti Orchestra“ in Wuppertal Benno Fürmann: „Noch besser als im Fernsehen“

Wuppertal · Das Telefon klingelt um 11.59 Uhr. Am anderen Ende: Schauspieler Benno Fürmann, der am 24. April 2025 gemeinsam mit dem „Moka Efti Orchestra“ zu einer musikalischen Lesung aus „Der nasse Fisch“ in die Stadthalle kommt. Gemeinsam lassen sie bei ihren Auftritten die Welt der Erfolgsserie „Babylon Berlin“ lebendig werden. Rundschau-Redaktionsleiter Roderich Trapp sprach mit dem Schauspieler.

Benno Fürmann (vorne) und das „Moka Efti Orchestra“ aus „Babylon Berlin“ mit Gaststar „Le Pustra“ (re., „Kabarett der Namenlosen“).

Foto: Joachim Gern

Rundschau: Hallo Herr Fürmann ...

Fürmann: „Entschuldigen Sie, ich bin eine Minute zu früh.“

Rundschau: Wir müssen uns entschuldigen, falls wir Sie vom Mittagsschlaf abhalten. In der FAZ stand, den machen sie so gerne ...

Fürmann: „Ha, es ist immer lustig, welche Zeilen aus Interviews sich dann so weiterverbreiten. Wie halten Sie es denn mit dem Mittagschlaf?“

Rundschau: Ich muss ja arbeiten und Sie nach Ihrem Programm fragen, mit dem Sie in unsere Historische Stadthalle kommen. Die ist ja eine ganz besondere Location. Waren Sie da schon mal?

Fürmann: „Ich glaube nicht. Wie sieht die denn aus?“

Rundschau: Ein fantastischer, neoklassizistischer Saal mit weltberühmter Akustik. Passt perfekt zu „Babylon Berlin“.

Fürmann: „Sie machen mir ja richtig Lust. Ich bin gespannt!“

Rundschau: Als Wuppertaler denken wir beim Namen Benno Fürmann natürlich sofort an den hier mit Ihnen gedrehten Tom-Tykwer-Film „Der Krieger und die Kaiserin“. Das ist jetzt 25 Jahre her. Haben Sie noch Erinnerungen daran?

Fürmann: „Ich erinnere mich sogar noch bestens. Zum Beispiel daran, dass ich mit Franka Potente zusammen von einem zwölf Meter hohen Gebäude springen musste. Tom wollte unbedingt, dass wir das selbst machen. Wegen des Drehs konnte ich nicht zur Verleihung des Deutschen Fernsehpreises, bei dem ich als bester Schauspieler nominiert war. Über Walkie-Talkie erfuhr ich dann, dass ich gewonnen habe, und musste zwei Sekunden später springen. Das war eine echte Sternstunde, die ich nicht vergesse.“

Rundschau: Was zeichnet denn Tom Tykwer als Regisseur aus?

Fürmann: „Tom schafft es wie ganz wenige, wirklich Intimität am Set zu erzeugen und jedem das Gefühl zu geben, dass er wichtig ist. Aus der Zusammenarbeit mit ihm ist eine Freundschaft geworden.“

Rundschau: Tykwer haben Sie dann ja auch als Regisseur bei „Babylon Berlin“ wiedergesehen. Woher kam die Idee, aus der Erfolgsserie eine musikalische Lesung zu machen?

Fürmann: „Die stammt von Gesa Husemann, der Kuratorin der Göttinger Literaturtage. Sie hat das Orchester und mich 2020 für eine szenische Lesung zusammengebracht. Mir ging es damals nicht so gut. Aber dann hat der Abend auf der Bühne eine wirklich krasse Dynamik entfaltet, wir hatten einen riesen Spaß zusammen. Es passte kein Blatt mehr zwischen uns und das Publikum, die Leute haben stehend applaudiert. Da war uns klar, dass es schade wäre, diese Energie verpuffen zu lassen. Deshalb haben wir seit damals schon zwölf Vorstellungen hinter uns und dieses Jahr weitere 13 auf dem Programm.“

Rundschau: Auf welches Konzept darf man sich als Besucher dabei einstellen?

Fürmann: „Das Ganze fängt sehr leise als Melange aus Rezitation und Musik an und wird nach und nach immer mehr zum Konzert, bei dem ich in den Hintergrund trete. Die Musik macht unfassbar Spaß. Ich möchte dann am liebsten mittanzen und abgehen.“

Rundschau: Die ekstatischen Musik-Szenen hatten in der Serie ja fast hypnotischen Charakter. Kann man diese Atmosphäre auch auf die Bühne übertragen?

Fürmann: „Oh ja, die kommt sogar noch besser rüber als durch den Fernseher! Die Luft schwingt live ganz anders, es wird geschwitzt, es ist laut, die Luft brennt. Das setzt sich auch später hinter der Bühne fort. Ich liebe es, mit diesen Musikern unterwegs zu sein. Irgendwann setzt sich jemand ans Klavier, und irgendwann ist es dann viel später.“

Rundschau: Lesungen sind ja eine Kunst für sich. Sie gelten als herausragender Rezitator. Was braucht man eigentlich dafür?

Fürmann: „Stimme, Empathie und Rhythmus. Die Stimmfarbe ist ein Geschenk, das man sich nicht erarbeiten kann. Je älter ich werde, desto häufiger werde ich auf meine angesprochen. Als ich 20 war, hat das noch niemand gemacht. Die Empathie ist wichtig fürs Sprechen, weil man in den Schuhen der Protagonisten unterwegs ist. Und der Rhythmus, das Taktgefühl ist entscheidend. Gerade wenn Autoren eigene Texte vortragen, lesen Sie oft zu schnell.“

Rundschau: Apropos Taktgefühl: Was für Musik hören Sie, wenn Sie nicht mit dem „Moka Efti Orchestra“ auf der Bühne stehen?

Fürmann: „Gestern bin ich um den Lac d‘Annecy in Frankreich gelaufen und habe ,The Smoke’ von der Band ,The Smile’ gehört. Da singt Thom Yorke von ,Radiohead’. Früher lief bei mir eigentlich immer Musik. Aber je älter ich werde, desto mehr genieße ich auch die Stille.“

Rundschau: Eine politische Abschlussfrage: Es werden oft Parallelen zwischen dem Untergang der Weimarer Republik und der gesellschaftlichen Situation heute gezogen. Kriegen sie eigentlich manchmal Gänsehaut, wenn sie auf der Bühne immer wieder Texte über diese Zeit lesen und gleichzeitig Nachrichten hören?

Fürmann: „Natürlich gibt es da riesige Parallelen. Ich würde gerne sagen ,Wehret den Anfängen‘, aber wir sind ja schon mittendrin. Ich glaube, die meisten Menschen leiden unter einer Art posttraumatischen Belastungsstörung, weil wir in den letzten Jahren eine Mordsstrecke zu bewältigen hatten: Klimakrise, Krieg, Krankheiten – da gibt es eine große Sehnsucht nach Grundstabilität. Die herzustellen, darf aber nicht auf Kosten des Klimas oder anderer Menschen gehen!“