Vohwinkel Ein Abschied nach abwechslungsreichen 38 Jahren
Wuppertal · „Kein Jahr bleibst Du hier – das habe ich mir zu Anfang geschworen“, erinnert sich Sylvia Wiederspahn an ihren Start in der Gemeinde Vohwinkel. „Das Pfarrhaus war kalt, es hat viel geregnet und die Schwebebahn war mir sehr fremd.“ Geblieben ist sie schließlich 38 Jahre. „Das ist eine gewaltige Zeit.“
„Hier war meine erste und einzige Pfarrstelle“, so die 64-Jährige, die gebürtig aus dem Hunsrück stammt und in Wuppertal und Bonn studiert hat. Auf ihren Weggang hat sie sich lange vorbereitet, so dass er ihr jetzt nicht den Boden unter den Füßen nimmt. „Ich bin schon seit Wochen im Abschiedsmodus unterwegs und freue mich jetzt auf das, was kommt“, sagt Wiederspahn: In „ihren“ drei Kindergärten, die ihr sehr am Herzen liegen, hat sie Tschüss gesagt. Einige Gemeindegruppen und Gemeindeglieder waren zum persönlichen Abschiednehmen im Garten eingeladen.
Den Abstand zur Gemeinde muss sie trotzdem noch lernen. Darum hat sie sich auch vorgenommen, erstmal einige Wochen lang den Gottesdienst einer benachbarten Gemeinde zu besuchen. Was sie an Vohwinkel besonders geschätzt hat? „Hier gab es immer viele Mitmacher, die einen unterstützt haben, wenn man eine gute Idee hatte“, so Wiederspahn. Ob ein behindertengerechter Zugang zur Kirche, lange bevor das eine Selbstverständlichkeit wurde, oder die Trauerstätte für verwaiste Eltern – Mitstreiter für Projekte wurden schnell gefunden. „Ihre“ Kita-Kinder von der Rubenstraße, der Kita Schlüssel und der Einrichtung an der Ehrenhainstraße werden ihr besonders fehlen. Dort hat sie sich jahrelang für die Trauerarbeit eingesetzt und mit den Kindern den Friedhof und Bestatter besucht. „Die Kinder haben einfach coole Fragen und überraschen mich immer wieder.“ Wie neulich im Bus. Als der fünfjährige Dennis spontan sein Lieblingslied „Vom Aufgang der Sonne“ aus dem Kita-Gottesdienst anstimmte, kaum dass er die Pfarrerin erblickte. „Wir haben das Lied dann zusammen zu Ende gesungen und der ganze Bus hat applaudiert“, sagt Wiederspahn lachend. „Nur der Mutter war das etwas unangenehm.“
Auch die Trauerstätte für verwaiste Eltern war ihr eine Herzensangelegenheit: „Ich habe sehr viele Menschen kennengelernt, die um ein Kind getrauert haben. Die Geschichte der 80-Jährigen, die mir vom Tod ihres 2-jährigen Sohns auf der Flucht aus Ostpreußen erzählt hat, haut mich heute noch um“, so Wiederspahn. „Das Kind ist in ihren Armen gestorben und sie musste es im Graben zurücklassen.“ Was sie sich für die Gemeinde Vohwinkel wünscht? Sylvia Wiederspahn muss nicht lange überlegen: „Dass die Menschen ihre Freude am Gottesdienst entdecken. Es ist einfach toll, gemeinsam Gottesdienst zu feiern. Da wird so viel liebevoll vorbereitet. Ich wünsche mir da etwas mehr Verbindlichkeit. Für mich ist der Gottesdienst ein fester Bestandteil des Lebens, der gut tut und Kraft spenden kann.“
Langweilig wird der Mutter dreier Söhne auf alle Fälle nicht: Nach einer Reise an die Nordsee mit ihrem Mann, steht die alljährliche Pilgerreise mit ihrem Bruder an. 20 Leute begleiten die beiden in den Hunsrück – mit Gesprächen und geistlichen Impulsen Und dann warten da noch der Einsatz für den Hospizdienst im Wuppertaler Westen, die Soroptimisten, die Begeisterung für zeitgenössische Kunst, das Wandern und und und... „Ich weiß gar nicht, wie ich das vorher alles geschafft habe“, sagt Wiederspahn und grinst. „Aber mein Mann hat mir immer den Rücken frei gehalten, sonst hätte das alles nie funktioniert.“