Aus unserem FUCHS-Magazin Lieber Kottenwurst statt Haggis
Wuppertal · Mit 12 verliebte sich die Vohwinkelerin Nanny Sauer in den Klang des Instruments, mit 43 spielte sie zum ersten Mal den Dudelsack, heute gibt sie Unterricht und musiziert unter anderem auf den Wuppertaler Scottish Highland Games.
Nanny Sauer ist ein Fan des exakt liegenden Haars. Ihre Garderobe besteht aus oft selbstgenähten 50er Jahre Kleidern, auf ihrer Nase thront ein ausgefallenes Cat-Eye Brillenmodell mit nach oben geschwungenem Rahmen. Wer einen Blick in ihren Kleiderschrank wirft, dem fallen neben ihren sowieso schon ausgefallenen Outfits aber noch ein paar besondere Stücke ins Auge: ein 1948er Gordon Highlanders Kilt, grün-kariert mit gelbem Streifen, und eine britische Napoleonik Uniform, rote Jacke mit gelben Epauletten. Die 54-Jährige Bibliotheksassistentin stellt in ihrer Freizeit gerne geschichtliche Ereignisse nach – vorzugsweise aus der Zeit Napoleons – und spielt leidenschaftlich gerne den Dudelsack.
Musikverliebt ist Nanny Sauer seit ihrer Kindheit. Mit zwölf Jahren hörte sie im Radio zum ersten Mal den Dudelsack (in einem Stück von den Corries – aber die kannte sie damals noch nicht) und wusste sofort: Das ist ihr Instrument. Bis es dann aber tatsächlich so weit war, dass Nanny Sauer selbst zum Dudelsack griff, vergingen fast 30 Jahre. Zum 43. Geburtstag schenkte ihr ihre Schwester eine „Pakistani Pipe“ – „Und ich habe Rotz und Wasser geheult“, erzählt die Vohwinkelerin. Zwar kann man auf der „Pakistani Pipe“ kaum richtig spielen (das Modell ist nicht hochwertig genug verarbeitet und mehr zu Dekorationszwecken gedacht). Aber für Nanny Sauer gab das Geschenk den Anstoß, ihren Traum endlich wahr werden zu lassen. Am nächsten Tag suchte sie sich einen Lehrer und kaufte ihre erste Übungsflöte und ein halbes Jahr später einen schottischen Dudelsack (getauft auf den Namen Martina). Seitdem hat sie kaum einen Tag ohne ihren Dudelsack verbracht.
„Zwei Jahre später stand ich dann bei Waterloo in Belgien auf der grünen Wiese und habe zum allerersten Mal zusammen mit anderen Pipern gespielt“, berichtet sie mit leuchtenden Augen. Wer jetzt nicht weiß, dass Nanny Sauers zweites Hobby die Geschichtsdarstellung ist, der wundert sich vielleicht über diesen Satz. Vor dem Hintergrund, dass sie mittlerweile als Regiments Piper bei den Gordon Highlanders Germany auftritt, macht er aber durchaus Sinn. Mit ihrem Dudelsack und ihrem Verein hat Nanny Sauer schon fast die halbe Welt bereist, zumindest Spanien, Frankreich, Malta, Schottland, England – und natürlich Belgien. Als Geschichtsdarstellerin unterwegs war sie schon viele Jahre bevor sie zum ersten Mal zum Dudelsack griff. 1994 nahmen Freunde sie mit zu Bürgerkriegs-Nachstellungen – „Das hat mich wirklich zur Pazifistin gemacht“, sagt sie heute.
Mit ihrem Instrument wechselte sie einige Jahre später zu den Gordon Highlanders. Nicht als „überkandidelter Schottlandfan“, sondern weil es einfach gut passte.
Wenn die Vohwinkelerin sich ihren Dudelsack unter den Arm klemmt, Luft einbläst und auf der Spielflöte eine Melodie angibt, klingen die Töne aus den Bordunpfeifen, als ob sie nicht ein, sondern fünf Instrumente auf einmal spielen würde – warm, voll und ziemlich laut. „Neun Töne, eine myxilodische Tonleiter, mehr hat so ein Dudelsack nicht“, erläutert Sauer. So leicht, wie das Spielen bei ihr aussieht, ist es aber nicht. Um den Druck im Instrument aufrecht zu erhalten und Wangenspannung zu erzeugen, muss die viel geübt werden. Zwanzig Minuten am Stück kann die 54-Jährige spielen, dann braucht sie eine Pause. „Sonst hyperventiliere ich irgendwann.“ Wer es mit dem Dudelsackspielen ernst meint, braucht ein Leben lang einen Lehrer. Nanny Sauers Lehrer ist 16 Jahre alt und bringt ihr bei, nicht nur Märsche, sondern „Reels“, melodische Tanz-Stücke, zu spielen.
Am 1. Mai tritt die 54-Jährige zur Saison-Eröffnung des Vohwinkeler Freibads auf, fast jedes Jahr spielt auf den Wuppertaler Highland Games im Herbst und kann für Feste, Hochzeiten und Firmenfeiern gebucht werden. Mit ihrem Dudelsack für einen Auftritt bis nach Essen zu fahren, ist der Vohwinkelerin allerdings schon fast zu weit. „Ich bin sowas von Bergisch“, sagt sie. „Ohne Schwebebahn habe ich Verlust-Gefühle.“ Und eine herzhafte Portion Kottenwurst auf Schwarzbrot würde sie jedem schottischen Haggis-Gericht vorziehen.