Digitales Geläut In Schöller ist nun wieder „Musik“
Wuppertal · Nach Monaten der Stille läuten in Schöller endlich wieder die Kirchenglocken. Der Förderverein hat 6.000 Euro in digitale Töne investiert.
Jahrhundertelang haben sie geschlagen und zum Gottesdienst gerufen. Trauernde haben inmitten ihres Klanges geweint und Frischvermählte gelacht. Mit dem Zwölf-Uhr-Läuten haben sie den Tag geteilt, während das Siebenuhrglöckchen zuverlässig zur allabendlichen Ruhe rief. Und dann, es war kurz vor den Ostertagen, blieben die Glocken der Schöllerkirche plötzlich still. Mancherorts würde man die Ruhe genießen – den Schölleranern allerdings galt sie von Beginn an als aufgezwungen.
Eine nahezu gespenstische Stille umfing seither die Dorfgemeinschaft, beim Presbyterium und der Kirchengemeinde herrschte Krisenstimmung. Sorgenvoll hatte man dort auf das geschaut, was eine Architektin bei ihrer Begutachtung zutage gefordert hatte. Das größte Problem für die Glocken: Die Balken im Mauerwerk sind feucht, der Eichenholzglockenstuhl könnte unter ihrem Gewicht zusammenbrechen. Für Anna, Christus und Evangelist wurde eine Zwangspause verordnet – zwei der drei Glocken haben schon Jahrhunderte auf dem Buckel. Bei der Ältesten, Johannes Evangelist, sind es mehr als 600 Jahre. Bei ihr hatte einst der Kölner Glockengießer Christian Duisterwald selbst Hand angelegt. Die Anna-Glocke ist ein Jahrhundert später eingezogen in die Schöllerkirche – von ihrem Gießer Jan van Nuis sind nur noch handverlesene Stücke erhalten.
Dagegen kommt die Christus-Glocke mit ihren 65 Jahren noch beinahe jugendlich daher. Sie gesellte sich zu den anderen beiden, nachdem die ehemals dritte Glocke abgehängt und in den Weltkriegswirren verloren gegangen war. Ihr Läuten war so vertraut, dass sich niemand hatte vorstellen können, wie gespenstisch ihre Stille werden kann.
Und dann, vor ein paar Tagen, war es damit endlich vorbei. Zu Anna, Christus und Evangelist hat sich „GABRIEL-G6“ gesellt. Ein unscheinbarer Kasten, der so gar nichts hat von einer Glocke. Der Förderverein der Kirche war es, der dem Leben ohne Glockengeläut endlich ein Ende machen wollte.
Und nun hält Jürgen Fritz freudestrahlend die „Schöllerglocke 2.0“ in den Händen. Dazu noch eine Fernbedienung und man möchte ihm gleich zurufen, er möge nicht damit aufhören, die Knöpfe zu drücken. Dass erst einmal 39 gedruckte Seiten einer Bedienungsanleitung gelesen werden müssen? Dass die Schölleraner nun andauernd vom Probeläuten beschallt werden? Ja, wen stört den sowas? Im Gegenteil, man könnte es den ganzen Tag über Läuten hören!
Zu „GABRIEL-G6“ gehören nicht nur besagter Kasten mit den digitalisierten Klängen, sondern auch noch zwei Lautsprecher. „Sie hängen über dem Glockenstuhl. Einer ist nach Osten zum Dorf hin ausgerichtet und einer nach Süden über das ehemalige Haus Schöller“, weiß Fritz. Bei Bedarf könne man noch aufrüsten in Richtung Gruiten und Gut Heresbach.
Nun wolle man aber erst mal abwarten, wie die Digitalisierung des Gemeindelebens so voranschreite. Ein paar kleinere Hürden gebe es da noch, in Schöller spricht man wohl eher von Herausforderungen. Dazu gehört, dass die Reichweite der Fernbedienung nicht ausreicht, um das Glockengeläut vom Friedhof aus zu starten. Zwischen Kirche und Gottesacker liegt die Feuerwehr – und dann vielleicht auch noch schlechtes Wetter, dasx die Funkimpulse an Nebenwänden abprallen und die Trauernden im Funkloch stehen lässt? Um Himmelswillen, das darf nicht passieren „Man weiß auch nie vorher, wann es Zeit für das Vaterunser ist“, sagt Fritz schmunzelnd.
Dass man den Gottesdienst in ein zeitliches Korsett presst und der Pfarrer sich durch die Predigt hecheln muss, damit es mit dem vorprogrammierten Geläut passt? Das geht gar nicht. Also wird demnächst beim Gottesdienst ein Presbyter die Fernbedienung in den Händen halten, um „GABRIEL-G6“ zu starten. So soll es auch bei Beerdigungen laufen, ist von Jürgen Fritz zu hören. So in etwa könne man jedenfalls sagen, wann der Trauerzug am Friedhof angelangt – und den Knopf drücken.
Übrigens, das Geläut von „GABRIEL-G6“ ist den analogen Glocken nachempfunden. Der Programmierer hat dafür ins Glockengutachten geschaut, um sich mit Anna, Christus und Evangelist vertraut zu machen. Eine Dauerlösung soll das Ganze dennoch nicht sein – in Schöller hofft man darauf, die Kirche und auch den Glockenstuhl in ein oder zwei Jahren sanieren zu können.
Die Wurzeln der denkmalgeschützten Schöllerkirche reichen bis 12. Jahrhundert zurück. Sie ist die älteste Kirche im Bergischen Land und die Gemeinde galt – bis zur Fusion mit der Gruitener Gemeinde – als älteste evangelische Gemeinde im Kirchenkreis Niederberg.