„Vom Fuß auf den Kopf“ Vorwerk erfindet sich neu - für eine halbe Milliarde

Wuppertal · „Keine Frage, das Jahresergebnis ist unbefriedigend“, räumte Vorwerk-Gesellschafter Rainer Strecker bei der Bilanzpressekonferenz von Vorwerk ein. Doch das liegt weniger an den leichten Umsatzeinbußen als mehr am ehrgeizigen Investitionsprogramm, mit dem der Konzern in die Zukunft geht. „Wir stellen das Unternehmen vom Fuß auf den Kopf“, fasste Strecker die momentane Phase zusammen.

Rainer Strecker (li.) und Dr. Hendrik Wehr vor dem neuen Motorenwerk am anderen Ufer der Wupper, die auf eine Länge von einem Kilometer ein neues, renaturiertes Bett erhielt.

Foto: Wuppertaler Rundschau

Für die Wuppertaler ist diese Entwicklung auch äußerlich zu erkennen, wenn man den mächtigen neuen Gebäudekomplex auf dem Weg nach Beyenburg entdeckt. „Vor allem der kurze Zeitraum von nur zwei Jahren war schon eine große Herausforderung“, ist Produktionsgeschäftsführer Dr. Hendrik Wehr erleichtert, dass die Baumaßnahmen sich dem Ende nähern. Noch mehr als der damit verbundene hohe zweistellige Millionenbetrag schlagen aber die Investitionen in die digitalen Geschäftsmodelle zu Buche. Insgesamt eine halbe Milliarde Euro wird sich Vorwerk diesen Prozess kosten lassen.

Dass dies auch nötig ist, zeigt beispielsweise der Saugroboter, der sich weltweit gegen Konkurrenten aus dem Hause Samsung oder Panasonic behauten muss. „Umso stolzer sind wir, dass die Stiftung Warentest uns in diesem Bereich zum dritten Mal hintereinander als Testsieger ermittelt hat“, freut sich Strecker.

Um solche Erfolge dauerhaft zu sichern, will man die hochwertigen Haushaltsprodukte mit digitalen Mehrwerten bestücken. Das zeigt sich unter anderem schon jetzt im neuen Thermomix TM 6, der im letzten Jahr eingeführt wurde. Aufgrund der hohen Nachfrage müssen sich Kunden momentan zwölf Wochen auf die Auslieferung des neuen Gerätes gedulden. Speziell das China-Geschäft macht den Vorwerkern viel Spaß: Nach einem Umsatz von 112 Millionen Euro in 2018 sieht es für das laufende Jahr nach einer Verdoppelung dieser Zahl aus.

In Anbetracht der kleinen Küchen in chinesischen Haushalten lädt Vorwerk dort zu Kochpartys in den eigenen Shops. „Man muss die Mentalitäten und Märkte vor Ort erst richtig interpretieren, um Erfolg zu haben“, sagt Strecker und erklärt zugleich, dass sich Vorwerk immer mehr zu einem Unternehmen wandelt, das sein Heil nicht mehr allein im klassischen Direktvertrieb sieht – eine wichtige Erkenntnis besonders für den asiatischen Markt, auf den man starke Wachstumschancen sieht.

Demgegenüber schwächelt das einstige Flaggschiff Kobold unter anderem ausgerechnet auf dem italienischen Markt, wo über viele Jahre die besten Zahlen geschrieben wurden. Offensichtlich hängt der nachlassende Konsum dort mit der anhaltenden Wirtschaftsschwäche zusammen. Dass auch bei Jaffra Cosmetics Rückgange zu verzeichnen waren, lag hingegen mehr am nachlassenden Wechselkurs des Pesos in Mexiko, dem größten Markt der Vorwerk-Kosmetik-Tochter.

„Die Kundenbedürfnisse ändern sich stetig und rasant“, resümiert Strecker, entsprechend flexibel müsse man reagieren: „Früher haben wir alle fünf Jahre ein neues Produkt vorgestellt, jetzt waren es alleine im letzten Jahr fünf.“ Nicht alle waren erfolgreich. So startete die Tee-Maschine Temial nach Problemen mit der Software recht holprig. 2019 soll der Launch mit intakter Technik wiederholt werden. Denn „Abwarten und Tee trinken“ ist eine Devise, die so gar nicht in das neue Vorwerk-Konzept passt.

Im abgeschlossenen Geschäftsjahr 2018 lagen sowohl das Geschäftsvolumen mit 3,6 Milliarden Euro und der Konzernumsatz mit 2,8 Milliarden Euro leicht unter den Vorjahreswerten.

Thermomix bleibt mit einem Umsatz von 1,1 Milliarden Euro weiterhin der umsatzstärkste Geschäftsbereich innerhalb der Vorwerk-Gruppe.

Der Geschäftsbereich Kobold büßte ebenfalls leicht an Umsatz ein und erreichte 757 Millionen Euro.

JAFRA Cosmetics lag im Gesamtumsatz bei 336 Millionen Euro nach 363 Millionen Euro im Vorjahr.

Die akf-Gruppe liegt im Umsatz auf dem Niveau des Vorjahres und steigerte das Neugeschäft auf 1,3 Milliarden Euro.