Amtsgericht Paschalis-Prozess: „Es gab Flurgespräche im Rathaus“
Wuppertal · Beim Amtsgerichtsprozess wegen übler Nachrede gegen Ex-Rechtsdezernent Panagiotis Paschalis war am letzten Verhandlungstag des vergangenen Jahres der frühere stellvertretende Leiter des Wuppertaler Rechtsamtes im Zeugenstand.
Von dem Juristen, der seit drei Jahren nicht mehr bei der Stadt Wuppertal arbeitet, wollte Amtsrichterin Bittner wissen, wie er das Gutachten des städtischen Rechnungsprüfungsamtes (RPA), das im Jahr 2016 in der Sache ASS keine wesentlichen Verstöße festgestellt hatte, beurteilte. Der Zeuge: „Das RPA-Gutachten war für mich juristisch nicht nachvollziehbar.“ Es sei klar gewesen, dass die zwischen der Stadt Wuppertal und der Bochumer Firma ASS verabredete Art der Kfz-Massenzulassung rechtswidrig gewesen sei. Auch ein extern beauftragter Gutachter sei zu dem Ergebnis gekommen, hier lägen eventuell Verdachtsfälle für Straftaten sowie arbeits- oder disziplinarrechtliche Vergehen vor.
Das Problem seinerzeit: Auf dem Terminplan stand die turnusmäßige Entlastung der Geschäftsführung der Wuppertal Marketing GmbH (WMG), in der die Stadt die Mehrheit hält und über die das ASS-Geschäft über mehrere Jahre abgewickelt worden war. Als Stadt-Vertreter in der WMG-Gesellschafterversammlung agiert das städtische Rechtsamt. Sowohl dessen Leiter als auch sein Stellvertreter sahen sich wegen ihrer juristischen Positionen nicht in der Lage, so der Zeuge bei seiner Befragung, die nötige Entlastung zu erteilen. Der frühere Rechtsamts-Stellvertreter: „Wenn die Stadt die Entlastung verweigert, würde es natürlich öffentlichen Aufruhr geben. Schließlich sitzen in der Gesellschafterversammlung die großen Wuppertaler Player wie Stadtsparkasse und Barmenia.“
Der Vorschlag des damaligen Oberbürgermeisters Andreas Mucke, das Rechtsamt könne bei der Frage der Entlastung die WMG-Versammlung verlassen oder sich der Stimme enthalten, sei, so der Zeuge, „für uns rechtlich keine Option“ gewesen. Gegeben habe es allerdings eine Anweisung Muckes, nach der das Rechtsamt weder intern noch extern über den Sachverhalt habe sprechen dürfen. Das habe, so der Zeuge weiter, ein Klärungsgespräch mit dem WMG-Aufsichtsrat sehr erschwert: „Wir durften höchstens sagen, wir sehen Probleme, durften aber nicht sagen, wo.“
Das Ergebnis: „Unsere Position hat kein Gehör gefunden. Die WMG-Gesellschafter verstanden nicht, warum es innerhalb der Stadt unterschiedliche Bewertungen zum Fall ASS gibt“, so der damalige stellvertretende Rechtsamtsleiter. Der Zeuge weiter: Die Gesellschafter, denen das Gutachten des RPA vorlag („Das fand ich erstaunlich“), hätten die Bewertung des RPA-Gutachtens geteilt und „das ASS-Geschäft als einwandfrei angesehen“. Das „ziemliche Dilemma“ der bei Nicht-Entlastung des Vorstandes drohenden Insolvenz der Wuppertal-Marketing-Gesellschaft sei schließlich so gelöst worden, dass die Stadt als Mehrheitsgesellschafter auf die Geltendmachung eventueller Ansprüche gegenüber der WMG verzichtet, so der ehemalige Rechtsamts-Vize.
Richterin Bittner fragte im weiteren Verlauf der Verhandlung den Zeugen nach seiner Einschätzung zu einem dem Gericht vorliegenden Vermerk von Rechtsamtsleiter Olaf Radtke, den auch der Zuge unterzeichnet hat: Darin steht, dass die Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes im persönlichen Gespräch gesagt habe, beim Thema ASS gehe es „um eine Sache zwischen zwei Menschen“. Der Zeuge: „Ja, es ist mir erinnerlich, dass es da wohl um Herrn Slawig und Herrn Paschalis geht.“
Die Richterin interessierte sich außerdem für die Gründe der Abwahl von Dezernent Paschalis, der von März 2015 bis Juni 2017 amtierte – „und ja immerhin der Vorgesetzte des Rechtsamtes war“. Richterin Bittner: „Es könnte ja der Eindruck entstehen, da läuft etwas nicht korrekt, jemand legt den Finger in die Wunde und wird abgewählt.“ Der Zeuge: „Zu dem Eindruck könnte man kommen oder auch nicht.“ Der frühere stellvertretende Rechtsamtsleiter: „Es gab Flurgespräche, es war ein Thema im Rathaus.“
Von der Richterin gefragt, worum es bei diesen Flurgesprächen gegangen sei, mochte der Zeuge nicht antworten, sondern lieber die Aussage verweigern. Richterin Bittner: „Ich verstehe dieses Herumgedruckse nicht. Zu sagen, was der Flurfunk sagt, ist ja keine Straftat. Man muss ja nicht selber funken, man kann ja auch nur hören, was gefunkt wird.“
Daraufhin gab der Zeuge nach zehnminütiger Beratung mit seinem rechtsanwaltlichen Beistand zu Protokoll, dass im Wesentlichen drei Punkte Gegenstand dieser „Flurgespräche“ gewesen seien: Erstens habe große Unzufriedenheit wegen der Abläufe im Straßenverkehrsamt und im Einwohnermeldeamt (Anmerkung der Redaktion: Beide Ämter gehörten zum Zuständigkeitsbereich des damaligen Dezernenten Paschalis) geherrscht. Seinerzeit gab es in beiden Ämtern Schwierigkeiten in Sachen Personalausstattung und Terminvergabe. In der Folge beherrschten beispielsweise die über 100 Meter langen Warteschlangen vor dem Einwohnermeldeamt mehrere Wochen lang die Wuppertaler Medien. Der Unmut in der Bevölkerung war entsprechend groß.
Zweitens, so der Ex-Rechtsamts-Vize, habe es mit Blick auf Dezernent Paschalis „große Probleme im Kommunikations-Stil gegeben“ – und drittens, so der Zeuge zum Schluss, sei gesagt worden: „Herr Paschalis stellt zu viele Fragen.“
Unterdessen verlas Paschalis-Verteidiger Professor Endrik Wilhelm beim ersten 2021er Verhandlungstag am 6. Januar ein Schriftstück, in dem es um von ihm gestellte Strafanzeigen gegen insgesamt elf Personen aus Stadtverwaltung und Wirtschaft geht. Anwalt Wilhelm informierte (unter Angabe des Aktenzeichens) darüber, dass die Staatsanwaltschaft gegen Stadtkämmerer Dr. Slawig, die Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes und den Antikorruptionsbeauftragten der Stadt ein Ermittlungsverfahren eingeleitet habe.
Bezüglich dieses letztgenannten Punktes musste sich Wilhelm bereits kurz darauf korrigieren. Am Abend des Freitag, 8. Januar 2020 (die Print-Ausgabe der Wuppertaler Rundschau war zu diesem Zeitpunkt bereits gedruckt), verschickte er eine Presseinformation, in der es heißt: „Die Staatsanwaltschaft Wuppertal hat mir heute mitgeteilt, noch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet zu haben. Die Sache befände sich noch in der Vorprüfung.“