Grünen-Chef Marc Schulz im Interview Umweltschutz: "Wir müssen mehr tun"

Wuppertal · Manchmal gelangen Menschen, die krank sind, zu trauriger Berühmtheit. Oder auch Tiere. In Deutschland ist die Wildbiene derzeit ein solcher bemitleideter Shootingstar. Bevor Bilder der vom Aussterben bedrohten Bienenarten, zu denen in Deutschland rund 550 Arten zählen, die Cover der überregionalen Zeitungen zierten, fanden sie bereits im Dezember auf einem Papier der Wuppertaler Grünen Beachtung.

Marc Schulz, Fraktionsvorsitzender der Wuppertaler Grünen.

Foto: Wuppertaler Rundschau / Max Höllwarth

Die Fraktion forderte aus dem städtischen Haushalt 50.000 Euro für ein Insektenschutzprogramm. Rundschau-Redakteurin Nina Bossy sprach mit Marc Schulz, dem Vorsitzenden der Grünen-Fraktion, über Umweltschutz in Wuppertal — und wer die Biene retten kann.

Rundschau: Herr Schulz, Sie haben damals damit gerechnet, dass die anderen Fraktionen über Ihren Vorschlag, ein städtisches Insektenschutzprogramm zu initiieren, lachen könnten.

Schulz: Dass jemand sich tatsächlich lustig gemacht hat, das habe ich nicht mehr in Erinnerung. Ich war auch im Umweltausschuss, wo der Vorschlag diskutiert wurde, nicht dabei. Fest steht, viel Beachtung hat unsere Idee nicht erfahren. Übrigens hatte Andreas Mucke sich den Umweltschutz in seinem Wahlkampf groß auf die Fahne geschrieben. Danach ist aber leider nicht mehr viel passiert, das ist zu seiner Halbzeit ein sehr dünnes Ergebnis.

Rundschau: Angenommen, der Vorschlag wäre in den Haushalt eingegangen. Was hätten Sie mit den 50.000 Euro gemacht?

Schulz: Man hätte Grünstreifen zu Wildblumenstreifen umgestalten können, und vor allem die Wuppertaler informieren können, was sie selbst gegen das Artensterben tun können, zum Beispiel ihre Balkone begrünen und Insektenhotels bauen. Andere Städte sind übrigens im Umweltschutz weit aktiver als wir. In Düsseldorf gibt es ein städtisches Förderprogramm für Hausbesitzer, die ihre Dächer begrünen wollen. Diese Dächer dienen als ökologische Ausgleichsflächen, begrenzen die Auswirkungen von Starkregen, schaffen Lebensräume für Tiere — und sehen übrigens auch toll aus. Das würde auch zur Wuppertaler Topografie wunderbar passen und die Stadt attraktiver machen.

Rundschau: Umweltschutz und Urbanität — das waren früher Gegensätze.

Schulz: Es gibt in Wuppertal tolle Beispiele, wie gut innerstädtisch die Umwelt geschützt werden kann. Urban Gardening, das wir als Partei seit langem unterstützen, ist da ein tolles Beispiel. Der Arrenberg und andere Stadtquartiere haben jede Menge Vorreiter-Projekte. Wir müssen aber mehr tun, zum Beispiel durch die Einführung einer bürgerfreundlichen Baumschutzsatzung oder den Schutz landwirtschaftlicher Flächen. Zwischen 1995 und 2015 sind trotz zurückgehender Bevölkerungszahlen in Wuppertal 350 Hektar Fläche zusätzlich bebaut und versiegelt worden. In diesem Zeitraum sind 23 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche verschwunden.

Rundschau: Apropos Agrarwirtschaft. Die Landwirte werden auch für das Insektensterben verantwortlich gemacht, ein Stichwort lautet Monokulturen.

Schulz: Ich möchte keine Schuldzuweisungen vornehmen. Die Landwirtinnen und Landwirte betreiben Unternehmen, die wirtschaftlich funktionieren müssen. Sie bräuchten mehr Anreize, um biologisch sinnvoll anzubauen. Die kann die Politik setzen, aber übrigens ist hier jede Verbraucherin und jeder Verbraucher in der Verantwortung. Als dieses Jahr zum ersten Mal die Sonne rauskam, las ich bei Facebook den Spruch "Jetzt holen sie wieder ihren 800-Euro-Grill raus und grillen das Zehnerpack Würstchen für 99 Cent." Traurig, aber wahr.

Rundschau: Die große Bilanz der "Stern"-Titelgeschichte war, dass nur die Chemiekonzerne das Insektensterben aufhalten können. Kann man Ihnen nicht vorwerfen, dass Sie mit einem städtischen Insektenschutzprogramm für 50.000 Euro auch nur Schönfärberei betreiben?

Schulz: Es wäre zumindest ein Anfang, um das Thema in der Stadt zu verankern. Letztendlich glaube ich, dass die großen Konzerne, die Politik, aber auch jeder einzelne etwas dafür tun kann.

Rundschau: Was ist Ihr Beitrag?

Schulz: Zum Beispiel versuchen wir in unserem Garten immer wieder, Wildblumen auszusäen. Das gelingt leider nicht immer und wenn, entspricht es auch nicht gerade dem ästhetischen Anspruch an einen gepflegten Hausgarten, ist aber ein toller Lebensraum für viele Insekten. Und für mich sieht das auch schöner aus als so mancher japanische Steingarten.