Studenten früher und heute Studiert es sich mittlerweile „anders“?

Nur allzu oft hast du gehört, das Studium sei die beste Zeit deines Lebens und sowieso nicht anstrengend. Nun aber bist du Studentin oder Student - und die Realität sieht ganz anders aus? Dann mag das daran liegen, dass das Studieren vor wenigen Jahren noch ganz anders ausgesehen hat als heutzutage.

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Foto: Ilham Fitrotul Hayat - Flaticon

Das Studium deiner Eltern lässt sich also mit deinen Erfahrungen vermutlich kaum vergleichen. Das gilt sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Umso spannender ist es also, einmal die Frage zu beantworten: Studiert es sich heutzutage wirklich anders – und wenn ja, inwiefern?

Stichwort: Bologna-Prozess

Die erste Frage wurde bereits geklärt: Ja, spätestens seit dem Bologna-Prozess im Jahr 1999 hat sich für Studierende in Deutschland viel verändert. Ziel war eigentlich, die Studiengänge und -abschlüsse europaweit zu vereinheitlichen, damit junge Menschen in verschiedenen Ländern der EU studieren und arbeiten können, ohne Nachteile durch die Nichtanerkennung ihrer Abschlüsse oder aus ähnlichen Gründen zu erfahren.

Ein guter Grundgedanke also, doch die Umsetzung steht bis heute in der Kritik. Vor dem Bologna-Prozess wurden die meisten Studiengänge noch mit einem Diplom abgeschlossen und dieses hatte gegenüber dem neuen System zahlreiche Vorteile:

  • Das Diplom dauerte zwar in der Regel länger als ein Bachelor-, aber kürzer als ein Master-Abschluss und ist dennoch in der Wirtschaft vielerorts höher angesehen – oder zumindest gleichgestellt mit dem Master-Titel.
  • Es gab weniger strikte Vorgaben, welche Prüfungen bis zu welchem Zeitpunkt bestanden sein müssen.
  • Ohnehin genossen die Studierenden mehr Möglichkeiten, um eine nicht bestandene Prüfung zu wiederholen.

Diese sind nur drei von vielen Beispielen, weshalb das Diplom bis heute der beliebtere Abschluss ist – mehr als 20 Jahre nach der Umstellung. In vielen Studiengängen hast du aber schlichtweg nicht mehr die Wahl und musst somit den Bachelor-Master-Weg gehen. Und das bedeutet nun mal deutlich mehr Stress als eben noch vor dem Bologna-Prozess. Wer bis zum dritten Semester das Grundstudium nicht abgeschlossen hat, fliegt. Wer zweimal durch eine Prüfung fällt, fliegt. Wer sein Praxissemester bis zum fünften Semester nicht angetreten hat, fliegt. So oder so ähnlich sehen an vielen Hochschulen und Universitäten mittlerweile die Regeln aus. Langzeitstudierende, welche im 30. Semester sind und ihre Prüfungen fünfmal wiederholen, gehören hingegen der Vergangenheit an.

Das erklärt also auch, weshalb du die Parolen deiner Eltern, das Studium sei die beste und entspannteste Zeit deines Lebens, vielleicht nicht nachvollziehen kannst – und warum sie eventuell nicht immer verstehen, wieso du eigentlich dauergestresst bist oder sogar eine regelrechte Panik vor Prüfungen entwickelst.

Negative Entwicklungen und ihre Auswirkungen

Die Umstellung durch den Bologna-Prozess erklärt zudem, weshalb immer mehr Studierende in Deutschland unter psychischen Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen oder Panikattacken leiden. Eine Problematik, die unter Studierenden früher eher selten war. Sie konnten sich schließlich Zeit lassen mit ihrem Studium und sobald sie den Abschluss in der Tasche hatten, genossen sie beinahe eine Garantie auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit attraktiven Konditionen. Zukunftsängste? Auch diese waren vielen Studenten noch vor wenigen Jahrzehnten fremd.

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Mittlerweile hat sich das geändert, was ebenfalls eine häufige Ursache für psychische Probleme unter Studierenden ist. Denn selbst, wer seinen Bachelor oder Master in der Regelstudienzeit schafft, droht dann erst einmal arbeitslos zu sein oder sich mit schlecht bezahlten Jobs durchschlagen zu müssen. Und wer seinen Abschluss nicht in der Regelstudienzeit macht, der bekommt kurzerhand kein BAföG mehr und muss sich selbst darum Gedanken machen, wie er seine Miete bezahlen möchte. Ja, die Studierenden heutzutage haben es nicht mehr so einfach wie noch ihre Elterngenerationen. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass alles nur schlechter geworden ist.

Warum du es doch nicht (nur) schlechter hast

Erst einmal ist es ein Privileg, dass du überhaupt studieren darfst – was vor allem für Frauen gilt – und dir das leisten kannst. Denn lange Zeit war das vielen Menschen nicht vergönnt. Zweitens mag das Bachelor- und Master-System nicht unbedingt besser sein, aber zumindest sind die Abschlüsse international anerkannt und somit kannst du anschließend an dein Studium quasi überall auf der Welt, und zumindest überall in Europa, leben sowie arbeiten. Auch diese Freiheit war lange Zeit keine Selbstverständlichkeit.

Aber auch die Digitalisierung hat in den vergangenen Jahren für zahlreiche Verbesserungen gesorgt. Sie macht das Studium in vielerlei Hinsicht einfacher und komfortabler. Studieninhalte sind plötzlich auch online abrufbar oder du kannst sogar einige Studiengänge komplett „remote“ absolvieren, sprich bequem von zuhause aus anhand von Online-Seminaren und E-Learning-Kursen. Du kannst mit deinen Kommilitonen über WhatsApp oder Facebook kommunizieren, ihr könnt euch mittels Dropbox wichtige Unterlagen zukommen lassen oder per Skype gemeinsam auf eine Prüfung lernen, ohne dafür das Haus verlassen zu müssen.

Alles besser durch das Internet?!

Allerdings bringt das Netz natürlich noch eine Menge weiterer Vorteile mit sich. Der wahrscheinlich wichtigste: Du hast, nicht nur im übertragenen Sinne, das Wissen der Welt auf Abruf bereit. Du kannst online recherchieren, hast direkt deine Quellen, kannst davon ausgehen, immer das Passende zu finden und kannst somit viel Zeit gutmachen, die du nicht in der Bibliothek verbringen musst.

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Und das erstreckt sich auch in den Freizeitbereich hinein. Du kannst dir online neue, kurzweilige Hobbies suchen, kannst dort von A bis Z die Welt der Spiele genießen, kannst dein privates Wissen vermehren. Du könntest jetzt sofort Infos und Strategien finden, die es dir ermöglichen, auf Fußball und Co. zu wetten; könntest dich dank der Anleitungen auf YouTube zum König der Küche trainieren. Und dass du dich dank Internet nicht auf rein lineare Unterhalung verlassen musst, wie sie etwa im normalen TV Gang und Gebe ist, kommt noch hinzu.

Allerdings hat das alles einen von vielen deiner Generation unterschätzten Preis: Es bedarf einer gehörigen Portion Engagement. Die Grenze zwischen sinnvollem Nutzen des Netzes und Prokastrination ist sehr schmal. Denn viele Angebote sind so angelegt, dass es unmöglich ist, ohne Aktive Entscheidung zum Ende zu kommen.

Hast du dich schon mal bei Wikipedia von Link zu Link geklickt und irgendwann festgestellt, dass drei Stunden vergangen waren? Hast du schon mal bei Facebook, Instagram und Co. immer weiter runtergescrollt, weil der Informationsfluss einfach nicht endete? Dann hast du dieses Prinzip schon am eigenen Leib erfahren.

Und es ist eben längst nicht alles davon „wertvoll“, sondern vieles ist auch bloß seichte Unterhaltung. Das heißt, du bist – viel mehr als deine Vorgänger im Studium – dazu gezwungen, ein hohes Maß an Eigendisziplin an den Tag zu legen, um dich nicht stundenlang in den Weiten des Netzes zu verlieren. Für nicht wenige ist das echt schwierig, was das Netz zu einem insgesamt zweischneidigen Schwert macht, das du unbedingt „richtig“ nutzen musst.

Fazit

Früher war alles besser? Darüber musst du dir schlussendlich deine eigene Meinung bilden. Doch Schwarz-Weiß-Malerei macht bekanntlich nur selten Sinn. Es lässt sich also festhalten, dass früher vieles besser war. Das Studium war zumindest weniger stressig und die Studierenden konnten diese Zeit tatsächlich noch in vollen Zügen genießen. Sie konnten ausschlafen, Vorlesungen sausen lassen und Prüfungen (beinahe) beliebig oft wiederholen. Dennoch hatten sie beste Karriereperspektiven und somit nur selten Zukunftsängste. Zustände, von denen viele Studierende heutzutage nur träumen können.

Doch Hand aufs Herz: Die Vergangenheit wird nur allzu oft idealisiert. Heutzutage sieht das Studium grundlegend anders aus, aber nicht unbedingt schlechter. Das Internet bietet dir an vielen Stellen Erleichterung und der „Zeitdruck“ durch das Bachelor-Master-System hält dich wenigstens dazu an, nicht allzu viel Zeit mit dem Studieren zu verplempern. Schließlich solltest du irgendwann ins Berufsleben einsteigen, um Geld zu verdienen, dir etwas aufzubauen und die Karriereleiter zu erklimmen. Gerade Frauen haben sonst ein Problem im Zwiespalt zwischen Karriere und Familienplanung.

Zudem hast du heutzutage eine große Auswahl an Studiengängen, Hochschulen & Co. Wenn du es etwas lockerer wünschst, findest du ebenso ein geeignetes Angebot, wie mit hohen Ambitionen. Solltest du also unter Ängsten oder anderen psychischen Problemen leiden, ist daran nicht unbedingt das böse „moderne“ Studium schuld, sondern vielleicht hast du einfach den falschen Studiengang gewählt. Heutzutage stehen dir also sämtliche Möglichkeiten offen, was viele ältere Menschen, vor allem Frauen, zu ihren Studienzeiten nicht behaupten konnten. Früher war also definitiv nicht alles besser, aber es war einfach vieles anders. Ändern kannst du das sowieso nicht, also sollte dein Motto lauten: Mach einfach das Beste draus!