Neue Verhandlung Prozess gegen "Gucci-Bande": Warten auf Entschuldigungen
Wuppertal · Zwei Verhandlungstage hatte es im „Gucci-Prozess“ bereits gegeben. Ein dritter war abgebrochen worden, nachdem die Verteidiger der beiden Angeklagten eine Beschwerde gegen die anfangs abgelehnte und dann per Beschluss dennoch zugelassene Nebenklage eingelegt hatten. Erfolgreich waren sie mit ihrer Beschwerde nicht – die Nebenklage bleibt zugelassen, und der Prozess beginnt von vorne.
Das hatte Nebenklageanwalt Carsten Rebber unter anderem auch gefordert, um sich in die umfangreiche Akte einlesen zu können, die ihm zuvor nur auszugsweise zur Vertretung zivilrechtlicher Ansprüche der Opferfamilie zur Verfügung gestellt worden war. Von einer Aussetzung des Prozesses war allseits abgesehen worden – bei sich in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten gilt der Beschleunigungsgrundsatz. Die grundsätzlichen Fragen zum Tatgeschehen und den Folgen werden Amtsrichter Hörster inmitten einer umfangreichen Beweisaufnahme wohl auch weiterhin begleiten: Lässt sich die Hirnstammblutung, die das Opfer erlitten hatte, ursächlich auf die vermeintlichen Schläge und Tritte der beiden 14-Jährigen zurückführen? Oder hat eine Vorerkrankung zur Blutdruckkrise und den dramatischen Folgen geführt, die den ehemaligen Gemüsehändler zum Pflegefall haben werden lassen?
Bei der Frage nach der Ursache hatte die bei den Ermittlungen hinzugezogene Rechtsmedizinerin nicht ausschließen können, dass der Blutdruck des späteren Opfers schon zuvor derart entgleist gewesen sein könnte, das die Hirnstammblutung dadurch ausgelöst wurde. „Die Anklage muss jeglichen Zweifel ausschließen können - und das konnten wir nicht“, gibt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wolf Tilman Baumert einen Einblick in die Ermittlungsergebnisse. Außerdem seien beim Opfer äußerlich keine Kopfverletzungen festgestellt worden, die man unzweifelhaft hätte verantwortlich machen können für das dramatische Folgegeschehen.
Seitens der Staatsanwaltschaft wurde daraufhin die Anklage von schwerer Körperverletzung hin zu gefährlicher Körperverletzung abgeändert – was den Ausschluss der Nebenklage aus dem Prozess bedeutet hatte. „Bei einem Jugendstrafverfahren ist die Nebenklagevertretung nur bei Verbrechenstatbeständen vorgesehen. Die gefährliche Körperverletzung ist im juristischen Sinne jedoch kein Verbrechen, sondern nur ein Vergehen“, so Nebenklageanwalt Carsten Rebber. Er sieht sich nach dem Beschluss des Landgerichts und der Zulassung der Nebenklage in seiner Sicht der Dinge bestätigt – demnach müsse auch von der Möglichkeit ausgegangen werden, dass die Tritte und Schläge zur Hirnblutung geführt haben. Sollte das Gericht bei seinem Urteil zu ebendieser Einschätzung kommen, könnte das auch im Hinblick auf zivilrechtliche Ansprüche des Opfers gegenüber den Jugendlichen von Bedeutung sein.
Für die Familie des Opfers dürften diese Fragen vorerst in den Hintergrund treten. Die Ehefrau des 70-Jährigen und auch dessen Sohn mussten nun erneut vor Gericht aussagen – das Lampenfieber und der Stress der ersten Aussagen aber habe sich zu ihrer Erleichterung etwas gelegt. Extrem belastender sei für beide das Pendeln zwischen ihren Arbeitsstellen und dem Krankenhaus – nicht nur zeitlich, sondern auch emotional. Der andauernde Wechsel im Befinden des Patienten halte sie zwischen Hoffen und Bangen. Einerseits gäbe es erste Anzeichen für eine Besserung: Der 70-Jährige verlange durch Handzeichen nach der Familie und versuche mit ihr zu kommunizieren. Zwischenzeitlich habe ihn jedoch eine schwere Bronchitis ins Koma zurückgeworfen und ein Beatmungsgerät erforderlich gemacht.
Dass der Ehemann und Vater wieder nach Hause wolle, erkenne man aus verschiedenen Handbewegungen - und das mache ihnen Hoffnung. Bis zu einer Entlassung werde es aber wohl noch ein langer und unberechenbarer Weg sein - eine vollständige Genesung sei bislang reines Wunschdenken. Ein Lichtblick, so die Familie, sei das unglaubliche Feedback von Nachbarn und selbst Unbekannten, die Trost spenden wollten. „Das hat uns sehr überrascht und gefreut. Es gibt uns Kraft“, so die Ehefrau und der Sohn des Opfers.
Was sie eigentlich vermissen, wären Entschuldigungen von Seiten der Familien der Angeklagten.