Prozess in Wuppertal „Gucci“-Prozess: Nebenklage wird nun doch zugelassen
Wuppertal · Die Entscheidung der 3. Strafkammer des Landgerichts dürfte in den am Amtsgericht laufenden „Gucci“-Prozess hineingeplatzt sein wie die sprichwörtliche Bombe: Die zuvor abgelehnte Nebenklagevertretung wird nun doch zugelassen. Für deren Ablehnung sah die Kammer keine hinreichenden Gründe.
Im Gegenteil, die richterliche Entscheidung darf als „Zurechtweisung“ der Staatsanwaltschaft angesehen werden. Dort war man im Ermittlungsverlauf vom Anklagevorwurf der schweren Körperverletzung abgewichen, nachdem ein rechtsmedizinisches Gutachten nicht hatte ausschließen können, das die Hirnstammblutung, die das 70-Jährige Opfer nach den Tritten und Schlägen der beiden 14-jährigen Intensivtäter erlitten hatte, durch eine Blutdruckkrise ausgelöst worden sein könnte.
Seitens der Staatsanwaltschaft wurde daraufhin die Anklage von schwerer Körperverletzung hin zu gefährlicher Körperverletzung abgeändert – was den Ausschluss der Nebenklage aus dem Prozess bedeutete. „Bei einem Jugendstrafverfahren ist die Nebenklagevertretung nur bei Verbrechenstatbeständen vorgesehen. Die gefährliche Körperverletzung ist im juristischen Sinne jedoch kein Verbrechen, sondern nur ein Vergehen“, hatte Anwalt Carsten Rebber erklärt. Er hätte die Opferfamilie vertreten sollen und blieb bei Prozessbeginn dennoch vor verschlossener Türe. Derweil lief beim Landgericht bereits die Beschwerde, die Rebber eingelegt hatte. Aus seiner Sicht seien durch das rechtsmedizinische Gutachten, das zum Ausschluss der Nebenklage geführt hatte, nur die Fragen der Staatsanwaltschaft beantwortet worden. Und genau das ist auch in dem Beschluss der 3. Strafkammer zu lesen, der Rebber nun – kurz vor der ursprünglich für den kommenden Montag erwarteten Urteilsverkündung – die Türe in den Gerichtssaal geöffnet hat.
Dort will er nun, durch den Landgerichtsbeschluss offiziell als Nebenklagevertreter beigeordnet, einen Beweis- und Aussetzungsantrag stellen. Begründung: Er müsse sich nun erst einmal in die umfangreiche Akte einarbeiten. Die war ihm zuvor nur teilweise überlassen worden, um zivilrechtliche Ansprüche des Opfers geltend machen zu können.
Für den laufenden Prozess könnte das bedeuten, dass er ausgesetzt und erst in einigen Monaten weitergeführt werden kann. Einer der beiden 14-Jährigen sitzt seit der Tat in Untersuchungshaft, der andere wurde in einer Haftvermeidungseinrichtung untergebracht. Das Gericht wird nun entscheiden müssen, ob den Jugendlichen eine Verzögerung des Verfahrens und eine damit verbundene Fortsetzung der freiheitsberaubenden Maßnahmen zugemutet werden kann. „Die Kammer muss nun auch den rechtlichen Hinweis erteilen, dass die schwere Körperverletzung wieder in Betracht kommt“, so Carsten Rebber. In einem solchen Fall könne man auch von einer höheren Strafe ausgehen.
Die beiden Jugendlichen hatten den 70-Jährigen am 21. Mai mit Fäusten gegen den Kopf geschlagen – einer der beiden war dabei von vorne auf ihn zugesprungen. Derweil soll der andere Angreifer dem Opfer derart heftig von hinten in den Rücken gesprungen sein, dass der Mann mit dem Kopf gegen die Hauswand prallte. Mittlerweile auf dem Boden liegend, sollen die beiden Jungs ihm in den Bauch getreten haben. Der Sohn des Opfers hatte später erzählt, dass die Jugendlichen von Mädchen angefeuert worden sein sollen mit den Worten: „Macht weiter, er bewegt sich noch!“
Das Opfer schwebte nach den Schlägen und Tritten in Lebensgefahr – lange Zeit wusste niemand, ob der ehemalige Gemüsehändler den Überfall überleben wird. Mittlerweile ist klar: Der Mann leidet unter Lähmungserscheinungen, kann nicht sprechen und droht auf einem Auge zu erblinden. Er wird ein Schwerstpflegefall bleiben.