Interview mit Trauerredner Dirk Hemmerich "... nichts auf die lange Bank schieben!"
Wuppertal · Der November wird auch Trauermonat genannt. Wie gehen die Menschen aber heute mit Abschied und Tod um? Redakteurin Nina Bossy hat bei Trauerredner Dirk Hemmerich Antworten gefunden.
Rundschau: Herr Hemmerich, Hochzeit oder Abschiednehmen, irgendwie unterliegen sogar solche Anlässe gewissen Moden. Wie trauern Menschen heute?
Hemmerich: Mein Kundenkreis wünscht sich zu 80 Prozent eine Urnenbestattung. Vermehrt werde ich nach Trauerwäldern gefragt. Die Sehnsucht nach der Natur ist auch in meiner Branche spürbar. Generell glaube ich, dass der Wunsch nach individualisierten Abschieden wächst. Nach wie vor ist aber ein Grab als Anlaufpunkt für Trauernde sehr wichtig.
Rundschau: Trauerredner sind bei Trauerfeiern eine Alternative zu einem konfessionsgebundenen Geistlichen. Sind die Menschen, die sich an Sie wenden, nicht gläubig?
Hemmerich: Die meisten der Menschen, die ich beerdige, sind aus der Kirche ausgetreten. Wegen der Kirchensteuer oder weil sie mit der Kirche als Institution hadern. Eine Art Glauben haben aber die meisten, und tatsächlich wünschen sie sich auch in meiner Ansprache einen Bezug zu Gott. Manchmal sprechen wir auch nur das Vaterunser, ganz wie die Angehörigen es wollen.
Rundschau: Das heißt, fast alle ihrer Kunden glauben an Gott?
Hemmerich: Tatsächlich atheistisch waren nur etwa zehn von 1.350 Beerdigungen in fast acht Jahren Selbstständigkeit.
Rundschau: Wie trauern denn Menschen, die nur an das Hier und Jetzt glauben?
Hemmerich: So einen großen Unterschied kann ich da nicht ausmachen. Die Idee vom Leben ist zwar eine andere, aber der Schmerz bleibt derselbe. Die Menschen, die nicht an Gott glauben, scheinen den Verlust oft leichter zu akzeptieren. Christen hingegen tröstet die Idee des ewigen Lebens. Den Atheisten bleibt die Hoffnung, den geliebten Menschen in ihrer Erinnerung lebendig zu halten. Für solche Beerdigungen gibt es übrigens auch viele schöne Texte, die ich als sehr tröstlich empfinde.
Rundschau: Wie sind Sie dazu gekommen, den Umgang mit Tod und Trauer zu Ihrem Beruf zu machen?
Hemmerich: Ich bin Industriekaufmann, habe dann katholische Theologie studiert und bin danach Diakon geworden. Seit 2010 bin ich nun freiberuflich. An meinem Beruf gefällt mir das Gefühl, den Menschen wirklich helfen zu können und sie zu begleiten. Das lassen mich die Hinterbliebenen oder anwesende Trauergäste spüren.
Rundschau: Ihr Alltag ist aber — im wahrsten Sinne — traurig. Verändert sich mit einem solchen Job die Perspektive zum Leben?
Hemmerich: Er stimmt mich lebensbejahend. Ich liebe die Natur genauso wie die Geselligkeit. Und ich habe durch meinen Beruf gelernt, nichts auf die lange Bank zu schieben.