Vor Gericht Nach Suizidversuch: Rentner zu Bewährungsstrafe verurteilt

Wuppertal · Wie entschied das Gericht im Prozess gegen den 81-jährigen Wuppertaler, der keinen anderen Sinn im Leben mehr sah als den gemeinsamen Gang in den Tod - und der dann doch anders ablief als geplant (wir berichteten)? Das Urteil fiel am Donnerstag (11. Juli 2019).

Das Wuppertaler Landgericht.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Dennis Polz

An der Grenze des emotional Erträglichen: Die Schilderung einer glücklichen Ehe, in der eine geliebte, aber letztlich rettungslos demente Ehefrau ihn nicht mehr erkannte. Die sich immer weiter von ihm weg entfernte und zum Schluss, trotz intensiver Pflege, nur noch teilnahmslos dahinvegetierte.

In seiner Verzweiflung hatte der Angeklagte alles minutiös vorbereitet. Erst die anonyme Garage gemietet, in der er mit seiner Frau zusammen sterben wollte. Die Nachlassregelung war abgeschlossen und auch die Versuche, jeden Schock bei Freunden und Pflegerinnen abzufedern. Ein aufmerksamer Hausmeister in der Garagenanlage vereitelte den Plan - ein Bestechungsversuch, um dessen Anruf bei der Polizei zu stoppen, blieb ohne Erfolg. Es folgte die panische Flucht Richtung Beyenburg in der Angst, von der Polizei verfolgt zu werden. Dann der Aufprall am Alleebaum, den beide zwar überlebten, an dessen Folgen aber die Ehefrau zwei Wochen später starb.

Das Gericht hatte nun die undankbare Aufgabe, die Schuld des Angeklagten – der selber daraus keinen Hehl machte – zu bewerten. Bestritten hatte er nichts - im Gegenteil, er hatte alles offen und ohne Umschweife erzählt. Bedauern würde er nur, dass er selbst überlebt habe und dass Andere in diese Tragödie mit hineingezogen worden wären.

Der Staatsanwalt hatte unter Berücksichtigung des Alters und der familiären Situation, trotz der langen Planungszeit auf einen minder schweren Fall erkannt und eine Strafe von einem Jahr und 8 Monaten gefordert mit der Begründung: „Es war keine selbstsüchtige Tat. Seine erkrankte Frau war für ihn keine Last, der er sich entledigen wollte.“ Der Angeklagte sei durch die Tat selbst am meisten gestraft.

Das Gericht wies darauf hin, dass man bei einem solchen Vorgehen keinesfalls von Sterbehilfe reden könne. Zu einem sei dies vom Gesetz her nicht erlaubt, zum anderen setze diese eine freie Willensbekundung der Frau voraus. Die sei dazu aber schon lange nicht mehr in der Lage gewesen. Auch und gerade deshalb sei die Frau seine Schutzbefohlene gewesen und der Entschluss, nach einem gemeinsamen Leben auch gemeinsam zu gehen, sei menschlich verständlich, aber rechtlich nicht vertretbar. Die Hartnäckigkeit, mit der der Angeklagte seinen Plan bis zum bitteren Ende verfolgte, sei eher straferschwerend.

Dessen bisher völlig unauffälliges Verhalten, das volle Geständnis und auch die Gewissheit, dass keine Wiederholungsgefahr bestehe, ließ das Gericht die Forderung des Staatsanwalts annehmen und als Bewährungsstrafe aussprechen. Zusätzlich wurde eine Geldstrafe von 3.000 Euro zugunsten des Kinderhospizes Bergisches Land auferlegt. Zahlbar in kleinen Raten von monatlich 150 Euro, um ihn jedes Mal daran zu erinnern, dass er nicht allein von einer existentieller Krise betroffen sei. Auch andere müssen mit ähnlich ausweglosen Situationen zurechtkommen – jetzt mit seiner Unterstützung.