Elterninitiative für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik „Legalize it!“
Wuppertal · Wenn man als Journalistin eine Mail von einer Elterninitiative mit einem Hanfblatt als Logo bekommt, wird man neugierig. Um mit mir übers Kiffen zu sprechen, wollen sich Heidrun Behle und Jürgen Heimchen im gut bürgerlichen Café Grimm treffen.
Auch das noch! Ein politisches Gespräch mit zwei Menschen, die Vorurteile aus ihrem Leben verbannt haben.
Diese Geschichte würde sich aufbauen lassen, wie das Drehbuch eines Dramas. Erst die Suchterkrankung der Kinder, dann die Einsicht, der rührende Kampf. Für mich beginnt sie an einem Nachmittag im Café Grimm. Jürgen Heimchen winkt fröhlich, in der Hand des 75-Jährigen baumelt der Jutebeutel mit dem knatschgrünen Hanfblatt. "Das ist nicht Ihr Ernst", haben erst neulich Jugendliche zu ihm in der Linie 613 gesagt und Jürgen Heimchen antwortete: "Sogar mein voller Ernst!" Die Jugendlichen machten große Augen und Jürgen Heimchen war ein bisschen stolz. Früher hätte er niemals so einen Beutel getragen. Nicht weil er gegen die Legalisierung von Cannabis war, sondern eher, weil ihn das Thema nicht interessierte. Mit Drogen und Sucht hatte er nichts zu tun — bis sein Sohn Thorsten erkrankte und starb. "Als Thorsten noch lebte, habe ich mich geschämt. Und manchmal war die Scham größer als die Sorge." Heute ist seine größte Stärke, dass genau das ihm so schnuppe ist.
Um den Mund von Heidrun Behle spielt ein amüsiertes Lächeln. Sympathisch, selbstbewusst. "Wenn mir ein Problem begegnet, brauche ich dazu alle Information", erklärt die 69-Jährige. Und deshalb ist sie sich ihrer Sache so sicher. Behle und Heimchen, beide für die Öffentlichkeitsarbeit der "Elterninitiative für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik" zuständig, sind Experten, ihre Überzeugung haben sie nicht anhand eines Gefühls, sondern durch das Studieren ungezählter Studien und Sachartikel bekommen.
Ihre Bilanz: Cannabis muss legalisiert werden. Seit 1993 vertritt die Elterninitiative diese damals geächtete und heute noch kontrovers diskutierte Forderung. "Wir haben die besseren Argumente", sagt Behle, die sich gemeinsam mit Jürgen Heimchen öffentlich für eine Legalisierung von Cannabis und eine akzeptierende Drogenarbeit einsetzt. Was bei der ersten Begegnung ein wenig exotisch wirkt, hat in Wuppertal bereits großen Erfolg getragen. Nach der Gründung veränderte sich das Klima in der Stadt — und niederschwellige Angebote wie das Café Gleis 1, der Konsumraum, das Café Döpps, heute Cosa, sowie ein ausreichendes Angebot der Substitution etablierten sich, der Blick auf Suchtkranke ist in Wuppertal ein humaner geworden. Auch Sozialdezernent Stefan Kühn appelliert öffentlich in der Diskussion um den Standort für das Café Cosa dafür, dass Suchtkranke in der Mitte unserer Gesellschaft akzeptiert werden müssen und nicht aus dem Stadtbild zu verbannen sind.
Und der Kampf für eine akzeptierende Drogenpolitik bringt Behle und Heimchen ständig auch außerhalb Wuppertals zu Kongressen und auf Bühnen. Jürgen Heimchen trägt für sein Engagement das Bundesverdienstkreuz. Es ist viel erreicht, Heimchen und Behle gehen ihren Weg weiter. "Unseren Einsatz werden wir fortsetzen", sagt Heimchen. "Oberster Grundsatz lautet: Überlebenssicherung für unsere Kinder, Angehörigen und Freunde in Menschenwürde."
Übrigens, kontrastreiche Bilder liefern die Eltern nicht nur an diesem Nachmittag im Café Grimm. Neulich besuchte die Initiative die "Pension Schöller"im Opernhaus. Jürgen Heimchen hat das Lustspiel aus dem 19. Jahrhundert nicht gefallen, er ist in der Pause gegangen. "Ich bin ein Kulturbanause. Die Rocky Horror Show fand ich spitze." Der suchtkranke Sohn von Heidrun Behle genoss den Abend jedoch. Die Musik, die Nähe zu den Schauspielern habe ihn mitgerissen. Sein Urteil: "Das möchte ich öfter machen."