Kommentar zum Pina-Bausch-Zentrum Sichtbar machen – und darüber reden!
Wuppertal · Vor 13 Tagen platzierte der Kulturrat der freien Szene einen (ersten) Katalog mit 15 Fragen zum Pina-Bausch-Zentrum am Schauspielhaus. Die Fragen waren jetzt Thema in der „Ratskommission Pina-Bausch-Zentrum“.
Quintessenz: Der freien Kulturszene ist die Vorbereitungsphase für das Tanzzentrum zu undurchsichtig, mit zu elitären Verantwortlichen verbunden, die nicht genügend Menschen „von draußen“ beteiligen und – plakativ gesagt – sie läuft nicht rund. Olaf Reitz, der für den Kulturrat spricht: „In der Vorlaufphase sind wir schon zu spät, um zu klären, was der Inhalt des Pina-Bausch-Zentrums sein kann. Es ist nicht damit getan, dass wir uns alle paar Monate zusammensetzen.“
Die Verwaltung, die (von Corona verursachte) Verzögerungen einräumt, setzt auf Vollgas in genau diesem Sektor, wenn Anfang des Jahres die inhaltliche Koordinatorin Bettina Milz offiziell startet.
Stadtdirektor Johannes Slawig gesteht zu, die Beteiligung der Stadtgesellschaft, wenn es darum geht, was im Tanz-Zentrum über Tanz hinaus geschehen soll, sei „bisher nur unzureichend geschehen“. Und Slawig betont die Wichtigkeit, ab jetzt das Pina-Bausch-Zentrum sichtbar zu machen. Damit die Menschen in der Stadt realisieren, dass es ab jetzt entsteht.
Ein Schritt in diese Richtung übrigens hätte das dreitägige „Under Construction“-Festival im Schauspielhaus sein sollen: Abgesagt und ins nächste Frühjahr verschoben. Wegen Corona. Wie oft so etwas – aufwändige Planungen, Investition von Geld, Gehirnschmalz & Co., dann Absage und Verschiebung – wieder passieren wird, steht in den Sternen.
Es wäre also an der Zeit für das aus privater Kreativ-
hand stammende Street-Art-Konzept „WUPPERTAL TANZT“, das zehn großformatige Wandgemälde von internationalen Pina-Bausch-Produktionen an Hausfassaden in der ganzen Stadt bringen will. Das ist von Corona unabhängig, schafft Bilder (so wie Pina Bausch Bilder geschaffen hat) und bringt das Thema zu allen Menschen. Das Konzept liegt der Verwaltung bereits seit über einem Jahr vor.
Das Pina-Bausch-Zentrum soll kein Elfenbeinturm sein, sondern ganz neue Zuschauerschichten erschließen. 70.000 zusätzliche Besucher im Vergleich zum jetzigen Tanztheater stehen im Betriebskonzept. Die Frage des Kulturrates der freien Szene, wo die herkommen sollen, ohne dass andere (freie) Anbieter „gefressen“ werden, ist nachvollziehbar.
Außerdem: Was soll dieses immer nebulös gebliebene „Forum Wupperbogen“ eigentlich sein? Die Frage muss dringend geklärt werden. Immerhin handelt es sich dabei um Säule Nr. 4 des Pina-Bausch-Zentrums – neben Tanztheater, Bausch-Foundation und internationaler Produktionsstätte. Im Konzept des Pina-Bausch-Zentrums ist in Sachen „Wupperbogen“ von einem partizipativen (!) „Zukunftslabor für die Entwicklung von Kulturinstitutionen“ die Rede. Was bedeutet das? Ich weiß es nicht. Ein „Haus der Kultur“ innerhalb des Tanzzentrums?
Was bedeutet die hier immer wieder beschworene „Einbeziehung der gesamten Stadtgesellschaft“? Und wie funktioniert das? Ich weiß es nicht. Was ich aber weiß: Als Antworten auf diese Fragen sind sehr, sehr unterschiedliche Vorstellungen unterwegs.
Wenn darüber nicht bald offen geredet wird (und das klappt nicht, indem die eine Seite der Meinung ist, die andere Seite müsse sich jetzt aber endlich mal „bei uns“ melden), käme das Tanzzentrum als mindestens bundesweiter Mega-Kulturmagnet in der lokalen Kultur-Szene ins Gerede. Eine ziemlich abstruse Vorstellung!
Heiner Fragemann, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, erwartet, dass der Prozess der Inhaltsbefüllung des Pina-Bausch-Zentrums „nun endlich transparenter, diskursiver und partizipativer sowie dynamischer in Gang kommt“. Für die CDU gab Rolf Köster – im Gegensatz zum „zu spät“ des Kulturrates – zu Protokoll: „Ich finde uns da gar nicht im Verzug.“ Da klingen klare Unterschiede an.
Fazit: Inhalts-Koordinatorin Bettina Milz wird jede Menge zu tun haben. Als (Noch-)Mitarbeiterin des NRW-Kulturministeriums begleitet sie das Projekt Pina-Bausch-Zentrum seit Jahren. Sie weiß also, worauf sie sich einlässt, wenn sie Wuppertal wagt.